FreispruchSehr unübersichtliche Beweislage

Ein Kreuz steht an der Stelle, an der im März 2012 nach einem Streit in einer Poller Diskothek ein 24-Jähriger angefahren und tödlich verletzt worden war.
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Köln – Im Landgerichtsprozess um den Tod von Alex R., der im März dieses Jahres vor der Diskothek „Electrum“ in Poll überfahren wurde und später im Krankenhaus im Alter von 24 Jahren starb, ist einer der drei Angeklagten freigesprochen worden: Adam H. (25), dessen Verfahren zuvor abgetrennt worden war. Gegen ihn und seinen Bruder Jan H. (26) war Anklage erhoben worden mit dem Vorwurf, sie hätten auf eine Gruppe von Männern, mit denen sie in Streit geraten waren, Steine geworfen.
Doch nach dem inzwischen erreichten Stand der Beweisaufnahme, zu der ein Ortstermin in Poll gehörte, geht auch der Staatsanwalt davon aus, es lasse sich „nicht sicher feststellen, dass Adam H. die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat“. Der Vorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung sei nicht aufrechtzuerhalten. Strafverteidiger Martin Bücher sagte, das Bild sei auch deshalb so trüb, weil viele Zeugen aus der gegnerischen Gruppe die Unwahrheit gesagt hätten, vermutlich, um die Geschichte der Entstehung des Streits zu „entschärfen“. Sein Mandant, den das Verfahren schwer mitnehme, leide sowohl mit der Familie des Opfers als auch mit seiner eigenen; beide habe „großes Unglück“ getroffen.
„Sind überhaupt Steine geworfen worden?“, fragte Richter Heinz Hemmers, Vorsitzender Richter der 5. Großen Strafkammer, in der Urteilsbegründung. Die gesamte Beweislage stelle sich als „sehr unübersichtlich“ dar, und es sei zweifelhaft, ob das Geschehen eindeutig rekonstruiert werden könne.
Hauptbeschuldigter ist Adrian H. (24, Namen der Angeklagten geändert), der sich für Totschlag zu verantworten hat. Er soll das Opfer auf dem Parkplatz vor der Diskothek überfahren haben. Hat er es absichtlich getan? Es heißt, dass er betrunken war. Und dass er in jener Nacht seine Brille nicht trug. Hat Adrian H. wegen seiner Kurzsichtigkeit das Opfer im Dunkeln womöglich übersehen? Oder hat er im Gegenteil bewusst darauf zugehalten?
Zu Beginn der Verhandlung am Montag gab Richter Hemmers ein Detail von fragwürdigem Beweiswert bekannt: Die Staatsanwaltschaft habe einen maschinengeschriebenen Brief erhalten, dessen anonymer Absender behaupte, in der fraglichen Nacht habe nicht Adrian H., sondern Jan H. am Steuer des BMW gesessen. Der Verfasser schreibt, er könne es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, dass der Schuldige „immer noch draußen herumläuft“. – Für den Prozess sind noch fünf Verhandlungstage vorgesehen.