GerichtLottospieler um Gewinn geprellt

Seit Jahren tippt Herbert B. dieselben Zahlen.
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Köln – Die Kioskbesitzerin konnte es kaum erwarten. Als Herbert B. an einem sonnigen Morgen im Juli, wie immer auf Krücken gestützt, zur Tür hereinkam, rief sie ihm aufgeregt entgegen: „Herbert, fünf Richtige plus Superzahl!“ Der 64-Jährige wollte es gar nicht glauben. Jahr für Jahr hatte er seine Kreuzchen auf dem Lottoschein gemacht – immer dieselben, immer erfolglos. Und jetzt das: fünf Richtige. Plus Superzahl.
Normalerweise belaufen sich die Summen in dieser Kategorie auf rund 10 000 Euro. Herbert B. sollte 6866,90 Euro bekommen – er war einer von 58 Spielern, die richtig getippt hatten: „Aber ich habe mich trotzdem riesig gefreut.“
Dabei spielt Herbert B. eigentlich nur Lotto, weil er die Leute von der Annahmestelle am Kiosk so nett findet. Sie helfen ihm manchmal beim Einkaufen, bringen seine Sachen in die Reinigung. Die Besitzerin hat ihm auch schon mal einen Knopf angenäht.
Herbert B. durchsuchte seine Taschen immer wieder, doch der Zettel blieb verschwunden. Zunächst blieb er zuversichtlich, erzählte allen von dem Gewinn. Er hoffte, die Sache mit dem verlorenen Schein würde sich schon irgendwie regeln lassen. Sechs Wochen später erfuhr der Frührentner: Einen Tag, bevor der Lottoschein seine Gültigkeit verlor, hatte ein Mann sich den Gewinn überweisen lassen – obwohl die Lotto-Gesellschaft vom ersten Tag an über den Vorfall informiert war. Recherchen der Polizei ergaben, dass es sich bei dem Unbekannten um einen 25-jährigen Lageristen handelt.
Das Geld war weg
Doch als Beamte den Mann zur Rede stellten, war das Geld bereits weg. Der Lagerist beteuerte, den Lottoschein gefunden zu haben. Mit den Euros habe er seine Schulden zurückgezahlt, mit dem Rest einen Urlaub in seiner türkischen Heimat finanziert. Herbert B. geht nun gerichtlich gegen den Lageristen vor. Vielleicht will er auch die Lotto-Gesellschaft verklagen. Die Staatsanwaltschaft hat den 25-Jährigen wegen Fundunterschlagung angeklagt, weil ihm der Diebstahl offensichtlich nicht nachzuweisen ist. Wird er verurteilt, droht ihm eine Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Jahren. Die Lotto-Gesellschaft konnte Herbert B. den Schein zuordnen, weil sie über ihr Rechenzentrum die Annahmestelle ermittelte und die Kioskbesitzerin die Aussage von Herbert B. unterstützte.
Aber selbst bei einer Verurteilung sieht es für Herbert B. schlecht aus: Die Chancen, seinen Lottogewinn jemals wiederzusehen, kann er dann nur auf zivilrechtlichem Wege klären. Er muss den Lageristen verklagen und kann nur hoffen, dass der irgendwann einer Arbeit nachgeht, damit sein Lohn gepfändet werden kann. Herbert B.s Anwalt Sebastian Schölzel hofft, dass er die Ansprüche seines Mandanten in dem Strafverfahren mit einem speziellen Antrag durchsetzen kann, weil ein Zivilprozess ziemlich lange dauern kann. „Auch sei ein „mögliches Verschulden der Lotto-Gesellschaft zu prüfen“, betont Schölzel. Gibt das Gericht seinem Antrag statt, verurteilt der Strafrichter den Angeklagten und verhandelt gleichzeitig über den zivilrechtlichen Anspruch des Opfers.
Anderen einen Anteil versprochen
Herbert B. ist frustriert. Er wollte das Geld gar nicht für sich allein, hatte seinem Therapeuten-Team schon einen Anteil versprochen. „Die tun so viel für mich“, sagt er. Seit einer Rückenmarks-Operation vor fünf Jahren lebt er in einer eher bescheidenen Behindertenwohnung in Vogelsang. Der 64-Jährige weiß, dass die Chancen schlecht stehen, doch noch seinen Lottogewinn zu bekommen. Es war ihm sehr unangenehm, allen, denen er davon erzählt hatte, sagen zu müssen, dass es wohl nichts wird mit den 6866,90 Euro. Sie sollten doch alle etwas abhaben von seinem großen Gewinn.