Grabmal der RichezaDie Gebeine einer polnischen Königsmutter ruhen im Dom

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Der Sarkophag der seligen Richeza in der Johanneskapelle.

  • Den Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölnerinnen und Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
  • Jede Woche haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
  • In dieser Folge geht es um die Gebeine der Mutter eines polnischen Königs. Richeza war von kaiserlicher Abstammung, ihre Mutter war die Schwester Kaiser Ottos III.

Köln – Wahrscheinlich ist Ihnen bei der Besichtigung des Doms schon aufgefallen, dass die Kunstwerke nicht beschriftet sind. Das verantwortliche Domkapitel legt mit Recht großen Wert darauf, dass der Dom kein Museum ist, sondern eine Kirche – Gotteshaus und Stätte des Gebets. Wer mehr über die Kunst im Dom wissen möchte, kann einen Führer kaufen oder sich einer der zahlreichen Führungen anschließen, die das Domforum veranstaltet.

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Das Grabmal der Richeza mit der Grabinschrift.

Es gibt bei den Beschriftungen eine einzige Ausnahme: das Grabmal der seligen Richeza in der Johanneskapelle, der dritten im Chorumgang links. Hier ist am Gitter eine Informationstafel angebracht, auf der auf Deutsch und Polnisch zu lesen ist: „In dem Holzschrein an der rechten Wand ruhen die Gebeine der seligen Richeza, Enkelin Ottos II. und der Theophanu, Königin von Polen, Frau des polnischen Königs Mieszko II.; Mutter des Herzogs Kasimir I., Erneuerer Polens. Geboren vor dem Jahr 1000, gestorben am 21. März 1063 in Saalfeld in Thüringen.“

Mit 16 Jahren verheiratet

Richeza war also kaiserlicher Abstammung. Ihre Mutter Mathilde war die Schwester Kaiser Ottos III. Ihr Vater Ezzo war Pfalzgraf von Lothringen. Fünf  Töchter Ezzos und Mathildes wurden Nonnen. Nur Richeza wurde von ihrem Onkel, dem Kaiser, im Zuge der Christianisierung Polens mit dem Herzog und späteren König Mieszko II. verheiratet. Damals war Richeza gerade einmal 16, das arme Kind.

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Die Polen aber wollten sich gar nicht christianisieren lassen. Ihr Mann starb nach unentwegten Auseinandersetzungen im Jahr 1034. Offenbar hatte Richeza die Polen gründlich satt. Sie floh, möglicherweise nach einem kurzen Versuch, ihren Sohn Kasimir auf dem Thron zu halten, aufgrund der neuheidnischen Opposition ins Reich und kehrte zu ihrer Familie zurück. Von dort aus kämpfte sie aber weiter um die Krone für ihren Sohn, die dieser sich 1039 sichern konnte.

Ein typisches Kölner Provisorium

Nach ihrem Tod wurde Richeza nicht – wie von ihr gewünscht – in der Abtei Brauweiler bestattet. Vielmehr veranlasste Erzbischof Anno II. die Beisetzung in der östlich vom Dom gelegenen Kirche St. Maria ad Gradus, der er damit zugleich eine reiche Stiftung Richezas sicherte. Über den Begräbnisort wurde noch Jahrzehnte gestritten, und obwohl Erzbischof Hermann III. „endgültig“ zugunsten Brauweilers entschied, blieben die Gebeine der schon im Mittelalter im Kölner Raum als Selige oder gar Heilige verehrten Richeza in St. Maria ad Gradus, bis die Kirche 1817 abgebrochen wurde. Typischer Fall eines Kölner Provisoriums, würde ich sagen.

Sarkophag aus Holz

Danach kamen sie in den Dom. Ihre Gebeine befinden sich tatsächlich in dem schlichten, klassizistischen Sarkophag aus Holz, neben dem auf Schieferplatten gemalte Bilder von Richeza und Erzbischof Anno aus der mittelalterlichen Grabanlage in St. Maria ad Gradus hängen. Ich war einmal bei einer Öffnung des Sarkophags dabei, als die Polen um eine Reliquie gebeten hatten. Das ist ein hochoffizieller Akt, bei dem auch immer ein Bischof anwesend sein muss. Aber bei der Öffnung musste ich dann doch unwillkürlich schmunzeln: Irgendein ordnungsliebender Mensch hatte die Gebeine der Königin fein säuberlich nach Knochenarten geordnet und in Cellophan verpackt: Rippen, Bein- und Armknochen und so weiter. Und Richezas Schädel trägt noch die originale goldene Seidenhaube mit  gesticktem Netzmuster.

Fehler auf der Hinweistafel?

Den vielen Polen zuliebe, die in den Dom kamen und nach dem Grab ihrer Königin Richeza fragten, wurde also besagtes Hinweisschild aufgehängt. Mit ihm verbinde ich eine meiner Lieblingsgeschichten vom Dom aus der Abteilung „Merkwürdigkeiten und Skurrilitäten“: Eines Tages bekam ich Post von einem Herrn Professor aus Hamburg: Ob wir uns nicht schämten? Der polnische Text zur seligen Richeza enthalte mehrere Fehler. Wir sollten das dringend in Ordnung bringen. Gut, dachte ich, da ist ja was dran.

Neue Post aus Hamburg

Also überlegten wir uns einen neuen Text, für dessen Übersetzung ins Polnische ich auf verschlungenen Wegen an eine polnische Germanistik-Professorin in Danzig geriet. Der von ihr erstellte Text wurde gesetzt und ihr dann noch einmal zur Endkontrolle vorgelegt. Irgendwie weiß man bei diesen ganzen Sonderzeichen ja nie so genau, ob nun wirklich alles stimmt. Nach ihrem Okay brachten wir dann voller Stolz die neue Hinweistafel an. Prompt kam erneut Post aus Hamburg: Es hätten sich nunmehr neue Fehler eingeschlichen.

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Da wurde es mir dann zu bunt, und ich habe dem Herrn Professor geschrieben, wir hätten eigens eine Muttersprachlerin und Kollegin von ihm beauftragt. Ich könne mir nicht vorstellen, dass diese des Polnischen so wenig mächtig sei. Dabei blieb es dann. Besserwisser aller Länder, vereinigt euch! Aufgezeichnet von  Joachim Frank

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