GründungEin Kindergarten auf eigene Faust

Vanda Perez Bessone (r.), Tochter Ilana und Pina Gliozzo
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Köln – Zwei Frauen, die vor fünf Jahren eine Kindertagesstätte gründeten, treffen in dieser Geschichte auf eine Stadtverwaltung, die dem Wunsch der Frauen nach einem Haus für eine zweite Kindertagesstätte so schnell nachkommt, dass die es selbst kaum glauben können. „Es ist ein Wunder“, sagt Vanda Perez Bessone.
Auslöser des Wunders ist der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr, der im August 2013 in Kraft tritt. Noch fehlen in Köln mehr als 2000 Plätze für Kinder unter drei Jahren – um 40 Prozent dieser Kinder einen Platz anbieten zu können. Fehlen diese Plätze im nächsten Sommer, droht eine Klagewelle von Eltern, deren Kinder keinen Platz bekommen haben. „Der Bau von Kitas genießt bei uns höchste Priorität, wir wollen alles möglich machen, was geht“, sagt Schuldezernentin Agnes Klein.
Nur 49 Tage dauerte die Suche nach einem Grundstück
Am 21. August dieses Jahres fragt die gebürtige Argentinierin Perez Bessone bei der Stadt an, ob es noch leerstehende städtische Gebäude in Waldnähe gebe, die sich als Kindertagesstätte nutzen ließen. Nur 49 Tage später, am 12. Oktober, erhalten die Frauen die Nachricht, den Betriebshof an der Neusser Landstraße in Seeberg nutzen zu dürfen. Die Ämter der Stadt stimmen zu. Zwei Gruppen für unter Dreijährige und eine für über Dreijährige wollen die Frauen langfristig einrichten.
Dass sie das können, haben Vanda Perez Bessone, Biologin und Erzieherin, und Pina Gliozzo, Pädagogin mit Schwerpunkt frühe Kindheit, schon bewiesen. Im Jahr 2007 gründen die Freundinnen die Kindertagesstätte Amares auf dem Gelände des ehemaligen Betriebshofs im Lindenthaler Stadtwald. Sie mieten das heruntergekommene Gebäude für einen symbolischen Betrag von 50 Euro von der Stadt und nehmen die Sanierung selbst in die Hand. Das Konzept, das Ideen von Montessori-, Waldorf-, Reggio- und Wildpädagogik vereint, kommt blendend an – obwohl die Plätze teurer sind als in städtischen Kindergärten. „Im Moment haben wir über 200 Anfragen auf dem Schreibtisch. Manche Eltern legen die Ultraschallbilder ihrer ungeborenen Kinder bei“, sagt Perez Bessone, die selbst vor sechs Monaten eine Tochter zur Welt gebracht hat und sich in Elternzeit befindet. „Weil die Nachfrage so gigantisch ist und der Betrieb im Stadtwald so gut läuft, haben wir beschlossen: Wir müssen mehr machen.“
1,2 Millionen Euro müssen die Frauen investieren
Am 24. August, drei Tage nach ihrer Anfrage an die Stadt, sieht sich Perez Bessone den alten Betriebshof in Seeberg an. In dem schmucken Ensemble am Fühlinger See war bis vor sieben Jahren der Betriebshof des Amts für Landschaftspflege untergebracht. Die Stadt hatte vergeblich versucht, das Gebäude zu verkaufen; Anfang des Jahres hieß es, das Grünflächenamt solle einziehen, Politiker hatten eine Kindertagesstätte angeregt. „Zu teuer“, hatte die Stadt beschieden. Grobe Pläne hatte das Jugendamt da freilich schon anfertigen lassen.
Gliozzo und Perez Bessone, die den Kredit für die Investitionen in Lindenthal noch nicht abbezahlt haben, ist das Projekt nicht zu teuer. Mindestens 1,2 Million Euro wollen sie in Seeberg investieren. Wie viel Fördergeld sie erhalten, ist unsicher. Für einen Fördertopf des Bundes läuft die Frist zur Einreichung der Unterlagen für die neue Kita samt Umbau-, Finanz-, Personal- und Pädagogik-Konzept diese Woche ab.
Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Am 26. August hat ein Architekt das Gebäude besichtigt, zwei Tage später schickt er ein erstes Konzept. Es folgen Besichtigungen mit anderen Experten, das Raumkonzept muss geändert werden, Perez Bessone macht es selbst – mit Tipp-Ex, Stift und Lineal. Am 7. November reicht die 39-Jährige die Zeichnungen beim Landesjugendamt ein. Eine Woche später erhält sie die Zusage: Der Verein Amares darf auf dem Betriebshof eine Kindertagesstätte mit drei Gruppen einrichten.
Die Bank weiß von dem Kredit, den sie gewähren soll, noch nichts
Am Mittwoch, 14. November, taucht ein neues Problem auf: ein Schreiben der Verwaltung, in dem die Frauen aufgefordert werden, vier Gruppen einzurichten. Die Stadt hatte in ihren Plänen vier Kindergartengruppen für das Gelände vorgesehen, zwei davon für Kinder mit Behinderung. Auch in der Besprechung der Ämter, der das städtische Okay vorausgegangen war, war von vier Gruppen die Rede. Die Pläne der Frauen, die von dieser Vorgabe nichts wussten, sehen nur drei vor. Die Entwürfe ließen sich nicht mehr ändern, um die Frist für die Förderung einzuhalten. Doch erneut erweist sich die Stadt als entgegenkommend: Sie bewilligt den Plan der Frauen, nur drei Gruppen einzurichten. „Anders wäre die Finanzierung noch schwieriger geworden“, sagt Perez.
Die Finanzierung ist eine Welt für sich. Noch ist nicht sicher, ob das Projekt in Seeberg als Neu- oder Umbau eingestuft wird: Für einen Neubau gäbe es 17 000 Euro, für einen Umbau nur 5100 Euro Investitionskostenzuschuss pro U-3-Platz. Dazu kommen 1700 Euro pro U-3-Kind für die Ausstattung. „Wenn wir nicht nachweisen können, dass wir jedes Jahr die ausgewiesene Zahl der U-3-Plätze haben, kann uns das Geld aber wieder abgezogen werden.“ Perez Bessone hat also schon jetzt ausgerechnet, wann Kinder welchen Alters in Seeberg aufgenommen werden könnten – obwohl noch kein Cent Förderung bewilligt ist. Auch die Bank weiß von dem Kredit, den sie gewähren soll, noch nichts.
Die hoch verschuldete Stadt Köln spart bei freien Trägern 15 Prozent im Vergleich zu eigenen Kindertagesstätten. Dazu kommt die Ersparnis von Planungs- und Betriebskosten. Auch deswegen werden aktuell händeringend freie Träger und Investoren für Kindergärten gesucht. Damit nächsten Sommer keine Welle von Schadensersatzforderungen über die Stadt hereinbricht.