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Männerschutzwohnen in KölnSeine Frau hat ihn malträtiert, klein gehalten, niedergemacht

Lesezeit 6 Minuten
Ein Mann geht eine Treppe hoch. Es sind nur seine Füße zu sehen, die sich in dem Glasgeländer spiegeln.

Sich auf den Weg zu machen, war das Schwierigste für Roland M.

Köln hat ein Männerschutzhaus, in dem Opfer häuslicher Gewalt unterkommen – eine Besonderheit in Deutschland. Ein Betroffener berichtet.

Es ist der schlimmste Tag seines Lebens, als ein Umzugsunternehmen all seine Sachen zusammenpackt und aus dem Haus schleppt. „Soll ich den Schritt wirklich wagen?“, geht es Roland M. (Name geändert) durch den Kopf, erinnert er sich. Zweifel, Angst, Trauer. Über 27 Jahre hat er in dem Haus mit seiner Frau erst zusammen und dann getrennt gelebt. Dort hat er seine Kinder erwachsen werden, seine Ehe zerbrechen sehen. Als er das Haus verlässt, lässt er seine Beziehung, seine Familie, sein Leben hinter sich.

Es ist auch ein befreiender Tag, als er Stunden später sein neues Zimmer in der Männerschutzwohnung in Köln betritt – ein Angebot der Männerberatung des Sozialdienst Katholischer Männer (SKM). Sein neues Zuhause. Denn Roland M. ist Opfer häuslicher Gewalt. Seine Frau hat ihn malträtiert, klein gehalten, niedergemacht, wie er M. berichtet. Es habe sich immer weiter verschlimmert, zugespitzt, erzählt M. Jahrelang habe er eine gute, typische Ehe geführt. Mit Hochs und Tiefs.

Vor knapp fünf Jahren zog seine Frau dann ohne Vorwarnung in die Mietwohnung im Haus. Sie sollte eigentlich eine Einnahmequelle sein, war bereits ein Streitthema des Paares. Seine Frau habe nach Darstellung von M. Mieter überwacht, vergrault. Er sei damit nicht einverstanden gewesen. Als seine Frau dann selbst in die Wohnung zieht, fühlt M. sich alleine gelassen.

Männerschutz in Köln: Auch psychische Gewalt ist häusliche Gewalt

Dann fängt der Horror, wie M. es nennt, an. Während seine Frau die Schlüssel zur Wohnung wegnimmt, ihm den Zutritt versperrt, nutzt sie das gesamte Haus. Sie blockiert Zimmer so, dass M. sich in seinem eigenen Haus nicht mehr frei bewegen, wohlfühlen kann. Sie schließt ihn vom gemeinsamen Essen aus, sagt, er dürfe von ihr gekochtes Essen nicht essen. Auch den Zugang zur Waschmaschine verwehrt sie ihm.

Vor gemeinsamen Freunden und Freundinnen macht seine Frau ihn runter, redet M. schlecht. Sie wirft ihm vor, die Familie nicht zu lieben. Obendrein lebt sie auf seine Kosten. M. und seine Familie haben so immer weniger Geld. Er fühlt sich erniedrigt, alleine. Ihm fehlt Liebe, Nähe. Als er das seiner Frau mitteilt, antwortet sie bloß: „Dann fick dich doch selbst“. Die Situation hat sich in seinem Gedächtnis festgekrallt. „Das hat mich hart getroffen“, erinnert er sich mit Tränen in den Augen. 

Wenn die Seele leidet, ist das auch Gewalt.
Roland M. Bewohner des Kölner Männerschutzhauses

Dass all das häusliche Gewalt ist, versteht Roland M. erst dieses Jahr, als er bei Michael Zeihen im Büro der Männerberatung des SKM in Köln sitzt. „Häusliche Gewalt kann ganz unterschiedlich aussehen“, erklärt Zeihen, „es gibt die physische Gewalt, aber eben auch unterschiedliche Formen der psychischen Gewalt“. Dazu können wie bei M. soziale und ökonomische Aspekte und Einschränkungen, aber auch Androhungen und der Entzug der Kinder zählen. „Häusliche Gewalt war für mich immer, geschlagen zu werden, aber wenn die Seele leidet, ist das auch Gewalt“, reflektiert M.

Michael Zeihen ist Leiter der Mönnerschutzwohnung in Köln - ein Angebot der Männerberatung der SKM.

Michael Zeihen ist Leiter des Männerschutzhauses in Köln – ein Angebot der Männerberatung der SKM.

Bei dem Termin wird Männerberater Michael Zeihen klar: M. muss raus aus dieser Situation. Er wollte nie seine Ehe beenden. Er wollte das als Trennungskind auch nie seinen Kindern antun. Doch Michael Zeihen brachte ihn dazu, den ersten Schritt in die Richtung zu tun. Er bietet ihm an, das Angebot des Männerschutzwohnens anzunehmen.

Bundesweit gibt es nur zwölf Männerschutzeinrichtungen

Seit März 2021 stellt der SKM Männern, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, ein Haus in Köln zur Verfügung. Wo es steht, soll nicht in der Zeitung stehen, damit die Opfer geschützt bleiben. Zu viert leben sie dort für einige Monate in jeweils 20 bis 25 Quadratmetern großen Zimmern in einer WG. Bad, Küche, Garten und Co. teilen sie sich. Die Hausarbeiten teilen sie sich auf. „Jeder hat seinen Rückzugbereich, aber wenn Bedarf ist, haben sie auch die Möglichkeit, miteinander zu reden“, erklärt Leiter Michael Zeihen. Roland M. wohnt mit Männern, die seine Kinder sein könnten. Das sei befremdlich, aber es tue ihm gut, sich mit ihnen auszutauschen.

Gefördert wird das Haus vom Land NRW. Miete müssen die Bewohner nicht zahlen. Je nach Konstellationen, Dauer des Aufenthaltes und persönlicher Situation der Bewohner würde aber teilweise über einen „Mietbeitrag“ gesprochen. „Aber wir wollen auf keinen Fall jemanden in Schulden treiben“, sagt Zeihen. Manche Männer sind noch Hauptmieter der ursprünglichen Wohnung, andere zahlen Kredite ab oder sind in anderen finanziellen Notständen. So auch M. „Ich hätte es mir gar nicht leisten können, meine Frau zu verlassen, wenn ich nicht ins Männerschutzhaus hätte ziehen können“, erzählt M. dankbar.

Das Männerhaus des SKM ist das einzige Angebot in Köln, eines von nur fünf in NRW. „Damit steht unser Land sehr gut da“, so Zeihen. Bundesweit gibt es nur zwölf Einrichtungen mit insgesamt 41 Plätzen. Weitere Angebote, zum Beispiel in Berlin, seien geplant, jedoch nicht mehr in NRW. „Häusliche Gewalt gegen Männer wird von der Politik, der Öffentlichkeit nicht genügend betrachtet“, kritisiert Zeihen. Es gehe immer um Frauen und Kinder, meint er, ohne die Wichtigkeit dessen minimieren zu wollen: „Es ist die eindeutige Mehrheit der dokumentieren Fälle und es ist wichtig, dass alle Opfer häuslicher Gewalt jede Unterstützung bekommen, aber Männer sind eben auch Opfer.“

Statistik 2022: Mehr als 30.000 Fälle häuslicher Gewalt gegen Männer

2022 erfasste das Bundeskriminalamt bundesweit rund 157 800 Fälle von Partnerschaftsgewalt, eine Form der häuslichen Gewalt. In gut 31 400 Fällen davon, waren Männer die Opfer. „Wir reden also nicht von Einzelfällen, das ist eine erhebliche Zahl“, so Zeihen, „und wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch höher ist als bei häuslicher Gewalt gegen Frauen“. Eine eigene Statistik der 17 SKM-Männerberatungen zeige, dass nur jeder zehnte Mann, die häusliche Gewalt anzeige. „Wir reden also von 90 Prozent.“

Grund dafür ist laut Zeihen häufig Scham, aber auch Angst: „Viele denken, sie würden ausgelacht, belächelt oder nicht ernst genommen werden. Einige haben aber auch Angst vor einer Opfer-Täter-Umkehr.“ Da Männer in der Regel körperlich stärker sind, könne bei ihnen ein Festhalten zum Wehren schon blaue Flecken hinterlassen. Häufig ginge häusliche Gewalt aber von beiden Personen aus, hat  Zeihen festgestellt. 

M. habe sich nie gewehrt, sagt er, habe nie seiner Frau etwas entgegengesetzt. Den Schritt der Scheidung habe er noch nicht gewagt. „Ich weiß, dass ich das tun muss, aber ich kann es noch nicht." Er liebe seine Frau trotz allem noch, halte an einem letzten Funken Hoffnung fest. Deswegen habe er sich auch bisher noch nicht um eine neue, eigene Wohnung gekümmert. Im Regelfall sollten Bewohner des Kölner Männerhauses drei Monate dort Schutz finden. „Aufgrund des Wohnmarktes in Köln und wegen anderer Umstände bleiben die meisten aber länger“, so Zeihen. Auch M. dürfte mindestens bis Ende des Jahres bleiben. „Das nimmt mir den Druck raus, ich kann endlich durchatmen“, sagt er.


Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen

Kontakte | Hier wird Ihnen geholfen Wir gestalten unsere Berichterstattung über triggernde Inhalte bewusst mit Feingefühl. Falls Sie sich dennoch betroffen fühlen, lesen Sie bitte weiter: Ihre Partnerin, Ihr Partner erniedrigt, schlägt Sie? In Ihrem Zuhause fühlen Sie sich nicht mehr wohl oder sicher? Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote.

  1. Beratung für Opfer (häuslicher) Gewalt: der Weißer Ring e.V. bietet sowohl Beratung vor Ort als auch online unter weisser-ring.de an. Die Männerberatung der SKM Köln und der FrauenLeben e.V. Köln sind Anlaufstellen in Köln. Mitarbeitende bieten Ihnen Hilfe, Beratung und Schutz.
  2. Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter der Telefonseelsorge, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. Das Hilfetelefon „Gewalt an Männern“ 0800 123 9900 ist ein Beratungsangebot für Männer, die Gewalt erlebt haben, „Gewalt gegen Frauen“ 116 016 ist das gleiche Angebot für Frauen. Betroffene aller Nationalitäten werden rund um die Uhr anonym und kostenfrei unterstützt
  3. Schutzwohnen: Um eine Schutzwohnung in Ihrer Nähe zu finden, können Sie die Suchmaschinen der Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz sowie des Frauen Info-Netzes.
  4. Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken, sowie ihre Eltern. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an.
  5. Psychische Gesundheit: Die Neurologen und Psychiater im Netz empfehlen ebenfalls, in akuten Situationen von Selbst- oder Fremdgefährdung sofort den Rettungsdienst unter 112 anzurufen. Darüber können sich von psychischen Krisen Betroffene unter der bundesweiten Nummer 116117 an den ärztlichen/psychiatrischen Bereitschaftsdienst wenden oder mit ihrem Hausarzt Kontakt aufnehmen. Außerdem gibt es in sehr vielen deutschen Kommunen psychologische Beratungsstellen.
  6. Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention – Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de