Hochzeiten im Kölner RathausHerr Putz macht sauber

Alles muss weg: Damit die Hochzeitsgäste nicht ausrutschen, beseitigt Detlef Putz so schnell es geht Konfetti, Reis und Rosenblüten.
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Köln – Man kann auch in Detlef Putz so etwas wie ein Symbol sehen. Im Sittengemälde namens „Hochzeitsgesellschaften am Historischen Rathaus“ bildet er ein Schlüssel-Detail. Man muss nur genau hinschauen. Wenn die herzförmigen Luftballons, weißen Tauben und Regengüsse aus Reis für Liebe, Hoffnung und Leidenschaft stehen, dann verkörpert Detlef Putz die andere Seite der Medaille: Arbeit, Verantwortung, vielleicht auch Ernüchterung. Am Hochzeitstag will davon natürlich niemand etwas wissen. Deshalb tritt Herr Putz nur im Hintergrund auf. Während der Rest der Welt im Freudentaumel versinkt, tut er nichts weiter als seine Pflicht: er macht sauber.
An diesem Samstag ist es relativ ruhig im Historischen Rathaus. Nur 24 Eheschließungen stehen auf dem Programm, es gab schon Tage, da waren es 70. Etwa alle 20 Minuten tritt ein neues Paar auf das Pflaster vor dem jahrhundertealten Gebäude, frisch vermählt mit standesamtlichem Segen. Der lockere Teil des Tages kann beginnen – und die Arbeit von Detlef Putz.
Sein Job ist es, Pflaster und Rathaus-Vorbau von jenem Flitterkram zu befreien, ohne den eine zeitgemäße Eheschließung kaum mehr denkbar ist. Rosenblätter, Reiskörner, Konfetti – nichts hat vor Detlef Putz Bestand. Gnadenlos fegt er das Wurfmaterial der Liebe zusammen, lässt es in blaue Mülltüten wandern, auf dass es für immer vergessen werde. Weg mit der Romantik. Vor allem den schwarz-weißen Marmor des Renaissance-Vorbaus – genannt Laube – hält Putz sauber und damit sicher. „Ich muss das immer sofort wegfegen, sonst besteht Rutschgefahr“, sagt der Mann mit der blauen Arbeitshose und stützt sich kurz auf dem Besen ab.
Fünf Jahre ohne Krankmeldung
Fünf Jahre ist er nun am Rathaus im Einsatz. „Ich habe noch nie gefehlt, noch nie krank gemacht“, sagt Putz. Seine Arbeit am Rathaus tut der gebürtige Berliner, der seit seiner Kindheit in Mülheim wohnt, gewissenhaft, ernst, aber nicht ohne Leidenschaft. Frische Rosenblätter nennt Putz gefährlich, wenn er von Reis oder feuchtem Konfetti spricht, dann wie von einer lästigen Erkältung. Gerade zwischen den Pflastersteinen sei es kaum wegzukriegen. Außerdem: Die weißen Tauben, die nach der Trauung gerne als Glücksbringer in die Freiheit entlassen werden, „gehen kaputt“, wenn sie die Körner fressen. Deshalb sei Reis eigentlich verboten. „Aber manchmal lässt es sich nicht verhindern.“
Bevor er zum Trauort-Reiniger wurde, arbeitete Detlef Putz 38 Jahre lang auf dem Hochbau, wo er Einschalungen für Betonfundamente und Decken baute. Dann machte seine Firma pleite und Putz war zu alt, um noch einmal im Hochbau Fuß zu fassen. Verschiedene Jobs folgten, schließlich landete er bei der Kölner Reinigungsfirma, für die er nun werktags eine Turnhalle in Mülheim sauber hält – und am Wochenende das Gelände vor dem Rathaus. Immer freitags und samstags fährt er mit dem Rad in die Innenstadt, um für ein bisschen Ordnung im Chaos zu sorgen. Unter der Woche seien städtische Mitarbeiter dafür zuständig, aber für die Wochenend-Einsätze seien sie zu teuer. 64 Jahre alt ist Putz mittlerweile, doch arbeiten will er, so lange es geht.
Die Freunde von Anja und Christoph haben gerade Rosenblätter zu Ehren des Hochzeitspaars geworfen. „Orjels Winn“, drehorgelndes Urgestein aus Porz, kurbelt den Hochzeitsmarsch. Dann schreitet Putz zur Tat. Der Marmor muss blank sein, es könnte ja jemand stürzen. Besen und Wischmopp sind seine Erfüllungsgehilfen. Aber er kann auch andere Geschütze auffahren: Als auf dem Platz vor der Laube gerade ein bisschen Platz ist, holt er den Laubsauger und saugt das Pflaster sauber
Gespräche sind nun schwierig, die Maschine ist zu laut. Im Halbkreis stehen die Hochzeitsgäste mit ihren Sektgläsern in den Händen und schauen Putz stumm bei der Arbeit zu. Für einen kurzen Augenblick rückt der Mann mit der Arbeitshose in den Mittelpunkt des Geschehens. Natürlich putzt Detlef Putz nicht nur, er räumt auch Becher und Flaschen weg und achtet auf Taschen, auf die sonst niemand mehr aufpassen würde. Putz will verhindern, dass sie geklaut werden. Obwohl er dafür gar nicht zuständig sei. Und er macht sich so seine Gedanken. Manchmal denkt Detlef Putz darüber nach, ob sie wohl zusammen passen, die frisch vermählten Paare. Bei manchen wird überraschend schnell klar, wohin die Reise geht. „Ich habe schon erlebt, dass sich ein Hochzeitspaar hier gezankt hat.“
Selbst heiraten? Lieber nicht!
Auch Detlef Putz hat mal geheiratet. Das war vor vielen Jahren in Mülheim. Am Ende ging die Ehe in die Brüche. „Aber es hat nicht an der Frau gelegen, sondern an mir.“ Heute hat er eine Freundin, beide leben in ihren eigenen Wohnungen. Heiraten? „Nochmal den Ärger mitmachen?“ Lieber nicht. Detlef Putz glaubt nicht mehr an die Ehe. Vielleicht, weil auch seine Eltern früh geschieden wurden. „Hier im Rathaus sind sie noch alle glücklich“, sagt Putz: „Aber wenn sie nach Hause kommen, geht es los.“
Anja und Christoph, Nadine und Thomas, Wolfgang und Matthias, Daniel und Karina. Um 11 Uhr sind schon etliche Ja-Worte gewechselt. Jetzt sind Deniz und Kübra an der Reihe. Das fein herausgeputzte Paar wagt ein Tänzchen auf sauberem Marmor, bevor Konfettisalven und zehn weiße Tauben fliegen. „Liebe, Glück und Treue“ steht auf Türkisch auf dem herzförmigen Käfig ganz in Weiß. Detlef Putz beobachtet das Treiben aus der Distanz. Gleich ist er wieder dran. Abergläubisch sei er nicht. Und wenn schon Symbole, dann doch lieber Seifenblasen, findet Detlef Putz. Die machen wenigstens keinen Dreck.