„Lust auf mehr Gewalt und mehr Action“Mehr Hooliganismus in Kölner Fußball-Szene

Lesezeit 3 Minuten
Symbolbild

Symbolbild

Köln – Herr Claus, in den vergangenen Wochen fielen wieder gehäufte Teile der Kölner Fanszene mit Gewalt oder geplanten Gewaltaktionen auf. Was ist da gerade los in der Szene?

Wir beobachten generell, dass sich am rechten, gewaltaffinen Rand der Ultra-Szene derzeit neue Gruppen bilden. Das ist in Dortmund der Fall mit der Gruppe „0231Riot“, das ist im Grunde aber auch in Köln der Fall, wo sich rechts neben den Boyz gerade etwas formiert. In Köln würde ich noch nicht von einer Gruppe sprechen, eher von einem Zusammenschluss, der meines Wissens auch noch keinen richtigen Namen hat oder einen festen Platz im Stadion.

Was ist das für ein Zusammenschluss?

Es sind vor allem Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, die zum Teil eine Ultra-Karriere hinter sich haben, denen Ultragruppierungen aber aus ihrer Sicht nicht mehr genug bieten. Sie haben Lust auf mehr Gewalt, mehr Action. Diese Leute sind mit Hooligans in Osteuropa vernetzt. Viele sind in der organisierten Kampfsportszene unterwegs. In der Fanforschung haben wir für sie noch keinen etablierten Begriff. Es ist eine Mischform aus Ultras und Hooligans.

Wo liegt der Unterschied zu Hooligans aus früheren Zeiten?

Vor allem im Lebensstil und in der Organisation. Die, über die wir hier reden, haben die Gewalt und die Kommunikation untereinander professionalisiert. Ein Teil der jüngeren gewaltaffinen Ultras und Hooligans betreibt Kampfsport unter semi-professionellen Bedingungen. Sie trinken Wasser und nehmen leichte Verpflegung zu sich, nehmen Aufputschmittel und bereiten sich mit Mundschutz vor. Und sie kommunizieren über verschlüsselte Messenger-Dienste, während es früher ja noch nicht mal Handys gab. Das ist längst nicht mehr der Jahrgang der englischen Hooligans, die mit Wampe, breitem Kreuz und viel Bier intus aus dem Bus ausgestiegen sind und Randale gemacht haben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Gibt es Überscheidungen oder auch deutliche Abgrenzungen zwischen den etablierten Ultra-Gruppen und dieser neuen Bewegung?

Wir erleben eine weitere Ausdifferenzierung der Fanszene. Die Ultra-Bewegung ist ja hierzulande etwa um das Jahr 2000 entstanden. Die ältere Ultra-Generation wächst sich allmählich aus. Wir haben jetzt eine Phase des Übergangs. Einige Ultra-Gruppen haben für sich entschieden, keine jungen Leute mehr aufzunehmen. Oder nur noch sehr wenige. Das mündet dann meistens darin, dass diese Ultra-Gruppen verschlossen sind oder ihre neuen Mitglieder teils jahrelang durch eine Art Anwärterschaft durchmüssen.

Wie ist das bei der neuen Gruppe?

Die neuen gewaltaffinen Zusammenschlüsse, die wir in Köln und Dortmund beobachten, aber auch in Berlin und in den neuen Bundesländern, nehmen neue Leute sehr schnell auf. Die Barriere, da reinzukommen, ist viel geringer. Zum Teil bedrohen sie auch Menschen aus der eigenen Fanszene, die sich gegen Homophobie und Rassismus engagieren.

Was können die Vereine tun, um diesem neuen Phänomen zu begegnen?

Zunächst einmal müssen wir beobachten, wie sich das alles weiter entwickelt, ohne es zu dramatisieren. Ein Verein allein kann die Situation nicht lösen, es ist immer ein Zusammenspiel verschiedener Akteure nötig. Aber die Vereine sollten sich klar und deutlich gegen Gewalt und Rechtsextremismus positionieren, die positiven Kräfte in der Fanszene aktiv unterstützen und den konstanten Dialog suchen. Das tun sie ja auch meistens. Wenn die eigene Fanszene Verbindungen nach Osteuropa knüpft, sollte man als Verein allerdings schon genau hingucken, weil das wahrscheinlich dafür spricht, dass es gewalttätiger wird.

Robert Claus, geboren 1983 in Rostock, forscht unter anderem über Rechtsextremismus und Gewalt im Sport. Er ist freier Autor, Moderator und seit 2013 Mitarbeiter in der Forschergruppe „Kofas".

Das Gespräch führte Tim Stinauer

KStA abonnieren