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HundeführerscheinOhne Prüfung kein Hundehalter

Lesezeit 5 Minuten

Markus Hansen und Tanja Weier haben sich in Kira, anderthalb Jahre alt, verliebt.

Köln – Gerade erst von der Arbeit gekommen. Nachtschicht gehabt. Eine Stunde für den Heimweg gebraucht. Noch keine Minute geschlafen. Und jetzt gleich die nächste Fahrt weiter zum städtischen Veterinäramt nach Porz. Markus Hansen muss verrückt sein. Doch heute hat der Limousinen-Fahrer aus Neubrück seine Sachkundeprüfung für das Führen großer Hunde oder bestimmter Rassen wie es das Landeshundegesetz fordert. Als einer von fünf Kandidaten bei dem Test der Abteilung innerhalb des Umwelt- und Verbraucherschutzamtes. Und er und Freundin Tanja Weier haben sich nun mal verliebt. Nicht ineinander – das auch – sondern in die rumänische Huskymix.Hündin Kira aus dem Tierheim Dellbrück.

Um das ein Jahr alte Tier am heutigen Freitag nach dreiwöchiger Kennenlernphase zu sich nach Hause holen zu dürfen und um ihm ein neues Zuhause zu geben, brauchen sie den Stempel der Stadt – und büffelten dafür beide tagelang. 116 Fragen im Multiple Choice-Verfahren - zum Teil werden Mehrfachnennungen in vollständiger Anzahl erwartet - oder Aufgaben wie die Adjektive Schaubildern mit tierischer Körpersprache zuzuordnen, sind zu bewältigen.

Wie erkenne ich die Stimmung des Hundes? Was tue ich, wenn ein Jogger, Spaziergänger oder anderer Hund uns begegnet? Wie lobe oder bestrafe ich mein Tier richtig? Wie kann man einem Welpen die Beißhemmung anerziehen? Es geht aber auch um viel Biologie und Fragen rund um die Medizin, Gesundheit und Ernährung sowie rechtliche Belange. Aus dem zu lernenden Katalog sind 34 Fragen zu beantworten - mindestens 24 müssen richtig und vollständig beantwortet sein.

Dr. Susanne Lechtenböhmer ist manchmal erschreckt darüber, wie wenig selbst langjährige Hundhalter über das Tier wissen. Als amtliche Tierärztin ist sie für die Umsetzung des Gesetzes wie durch den Sachkundenachweis oder aber den Verhaltenstest zuständig. Mit diesem können im Gesetz so kategorisierte gefährliche Hunde, deren Haltung bereits genehmigt ist, von der Maulkorb- und Leinenpflicht befreit werden. Sie müssen sich dann nur noch an die Anleinpflicht halten, die auch für 20/40-Hunde gilt, wie große Hunde umgangssprachlich genannt werden. Sie sind ausgewachsen mindestens 20 Kilo schwer oder 40 Zentimeter groß. 

Viel Unkenntnis über die Tiere

"Es herrscht unheimlich viel Unkenntnis über die Tierart und ihre Bedürfnisse", weiß die Tierärztin aus ihrer langjährigen Erfahrungen im Umgang mit Mensch und Tier. "Da wird sehr viel falsch gemacht." Sie erklärt sich das damit, dass der Hund über die Jahrzehnte heute eine komplett neue Stellung einnehme. "Ist er früher eher als halbes Nutztier nebenher gelaufen, gilt er heute beinah schon als Sozialpartner und muss Funktionen erfüllen, die ihm eigentlich nicht liegen." Oder es würden versucht Empfehlungen aus TV-Hunde-Coaching-Sendungen eins zu eins auf das eigene Tier zu übertragen, was natürlich kaum klappt.

So sieht die Tierärztin ihre Aufgabe längst nicht nur in dem Abnehmen der Prüfungen, sondern vielmehr auch in einer beratenden Funktion.  Lechtenböhmer versucht sich bei jedem einzelnen Prüfling die Zeit zu nehmen, falsch beantwortete Fragen zu erklären, "damit sie einen Lernerfolg haben". Für Menschen, die Analphabeten sind oder Sprachprobleme haben, gibt es die Prüfung nicht schriftlich, sondern als Sachkundegespräch - notfalls mit Übersetzer, den der Tierfreund freilich selbst zu zahlen habe.

Etwa 500 Kölner machen den schriftlichen Test jährlich. Waren es nach dem Inkrafttreten des Hundeschutzgesetzes 2003 vor allem die Halter großer oder so genannter gefährlicher Rassen, "ist dieser Berg inzwischen fast abgearbeitet", so Lechtenböhmer. Inzwischen kommen immer mehr Menschen, die sich aus beruflichen Gründen keinen eigenen Hund anschaffen können, aber in Tierheimen als ehrenamtliche Gassigänger aktiv werden wollen, was Lechtenböhmer sehr freut, die selbst eine Border Collie-Hündin aus dem Tierschutz zu ihrer Familie zählt. Doch auch die Ehrenamtler brauchen den Sachkundenachweis der Stadt. 

Günther Ziebell ist einer von ihnen. Der 57-jährige kann ebenfalls keinen eigenen Hund halten. Der Bergisch Gladbacher nennt eine Katze sein Eigen. Oder vielmehr sie ihn. Aus gesundheitlichen Gründen sucht der Chemielaborant nun trotzdem einen Weg ans andere Ende der Leine. "Ich leide unter Depressionen. Da hilft Bewegung, aber auch vor allem die Bewegung mit einem Tier unglaublich. Das zaubert einem ein Lächeln auf das Gesicht. Allein die Dankbarkeit des Tieres wird einem Genugtuung geben."

Fast fehlerfrei

"Personalausweis und - wer hat - eine Bescheinigung vom Tierheim, bitte!", sagt Dr. Lechtenböhmer. Hat jemand Letzteres, werden ihm und dem Heim die Gebühren in Höhe von 30 Euro für die Prüfung erlassen, die sonst an die Stadtkasse zu zahlen sind. "Ein Zeitlimit gibt es nicht." Es wird ernst. Abgucken zwecklos. Der Sitznachbar hat eine jeweils andere Auswahl an Fragen. Nicht einmal zehn Minuten später und Günter Ziebell hat seine Zettel ausgefüllt und abgegeben. "Ich denke, das müsste okay sein", sagt der Anwärter auf ein Gassigänger-Ehrenamt im Tierheim Dellbrück überzeugt von seinem Tierverstand. "Ich war früher mal Jugendwart in einem Schäferhundverein."

Dann kommt  Judith Schmitz heraus. Auch sie möchte sich in einem Tierheim engagieren - aber erstmal ärgert sie sich. "Ich glaub, ich hab die Ohren vergessen", verlässt sie den Prüfungsraum mit Selbstzweifeln, womit sie natürlich nicht ihr Sinnesorgan verlustig meldet. Schwanz und Ohren sind zu nennen, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, an welchen Körperteilen am schnellsten die Stimmung eines Hundes abzulesen ist.

Markus Hansen und Tanja Weier haben ihre Fragen ebenfalls beantwortet und hoffen bestanden zu haben. Auch sie wollten mit der Husky-Hündin, die sie heute nach Hause holen, eigentlich nur ehrenamtlich Gassi gehen. "Dann hat es sich anders ergeben", erzählt das Paar wie es auf den Hund kam.

Lechtenböhmer hat die Fragebögen ausgewertet. Nun ruft sie jeden einzelnen der fünf Prüflinge zu sich ins Büro. Bestanden. Alle haben bestanden. Mit höchstens drei Fehlern. Die Spitzenreiterin gar fehlerfrei. Köln ist um drei ehrenamtliche verantwortungsvolle Gassigänger und zwei neue, glückliche  Hundebesitzer reicher.