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Interview„Prostitution wird verharmlost“

Lesezeit 4 Minuten

Das Pascha in Köln.

KölnFrau Eul, für die aktuelle Ausgabe des Magazins Emma waren Sie im Pascha und haben sich undercover als Arbeitslose ausgegeben, die sich ein Zimmer in dem Bordell mieten wollte, um dort als Prostituierte zu arbeiten. Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet?

Alexandra Eul: Ich habe versucht, mich in die mentale Situation einer arbeitslosen jungen Akademikerin zu versetzen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen kann. Und mich entsprechend aufgemacht: die Haare nicht zusammengebunden, sondern offen, Push-Up-BH, grelle Schminke und so weiter. Was man als Frau eben alles so bieten muss, wenn man seinen Körper verkaufen will. Und dann hab ich mich als ganz normale Frau um ein Zimmer für Prostituierte beworben. Davor habe ich das Pascha und dessen Macher natürlich gründlich recherchiert. Und ich habe mir auch noch mal die zahlreichen Gespräche durchgelesen, die EMMA in den vergangenen Monaten und Jahren mit echten Prostituierten geführt hat. Und dann bin ich einfach hingegangen.

Oft wird die Situation von Prostituierten heruntergespielt, die Lebenswelt teilweise als positiv dargestellt. Sie konnten sich nun ein Bild von den Arbeitsbedingungen der Frauen vor Ort machen. Was haben Sie dort gesehen?

Eul: Das Pascha ist eine Art Parallelwelt. Es gibt nur wenige Gelegenheiten für die Frauen, diese Sexfabrik überhaupt zu verlassen. Die meisten werden auch gar nicht das Geld dazu haben. Denn sie müssen ja alleine schon mit drei Männern am Tag schlafen, um die 160 Euro Tagesmiete für ihr Zimmer im Pascha zusammenzukriegen. Und dann haben sie noch nichts gegessen. Das Essen in der Pascha-Kantine kostet soviel wie in einem Restaurant. Essen mitbringen ist verboten.

Welchen Eindruck haben Sie vom Pascha gewonnen? Ist es ein „Vorzeige-Bordell“, wenn es das überhaupt gibt?

Eul: Was ist ein Vorzeige-Bordell? Eines mit Rotlicht und Rüschen? Im Pascha sieht es im Tageslicht jedenfalls ziemlich trist und angeschrabbelt aus. Und das Zimmer, das ich gesehen habe, war eher eine Bruchbude. Das einzige, worin das Pascha und andere sogenannte Laufhäuser vorbildlich sind, das ist die Eigenwerbung. Die Bordell-Betreiber haben es hinbekommen, die Prostitution als eine völlig harmlose Angelegenheit mitten in der Gesellschaft zu platzieren. Sie sind jetzt angesehene Geschäftsleute, die sich zum Golfen auf Schlössern treffen oder in Pulheim zum Karnevalsprinzen gekrönt werden. Und die Frauen? Die sind in einem so abgerockten Hochhaus wie in der Hornstraße eingepfercht. Sie zahlen hoch für den Luxus, den sich Bordellbetreiber und Zuhälter leisten: mit ihren Körpern, mit ihrer Seele und dem so hart erarbeiteten Geld, dass eigentlich ihnen zustünde.

EMMA engagiert sich seit Jahren gegen die Salonfähigkeit von Prostitution. In anderen Magazinen wird der Beruf dagegen als Trend bezeichnet. Was sagen Sie nach Ihren Erlebnissen im Pascha dazu?

Eul: Ich wüsste gerne mal, wie viele von den Journalisten und Journalistinnen, die so was schreiben, wirklich schon mal mit Prostituierten gesprochen haben. Oder selbst bereit wären, den Job zu machen. Oder wer von denen eine Ex-Prostituierte in seiner Redaktionen einstellen würde. Oder was diese Kolleginnen und Kollegen sagen würden, wenn die eigene Frau oder Tochter auf den Strich ginge. Aber klar, Prostitution normal finden, gilt als cool und tolerant. Und die Nähe zur Rotlichtszene als schick. Ich bezweifle, dass die 95 Prozent Frauen, die den Job nicht freiwillig machen, weil sie von Menschenhändlern aus den ärmsten Ländern nach Deutschland geschleust werden oder aus wirtschaftlicher Not in dem Gewerbe landen, ihren Job besonders trendig finden. Und was die restlichen fünf Prozent betrifft: mit zwei von diesen sogenannten freiwilligen Prostituierte haben wir in der letzten EMMA-Ausgabe ein Gespräch geführt. Und da haben sich Abgründe aufgetan: sexueller Missbrauch, Drogen, Einsamkeit.

Die Grünen wollten die Prostitution ja sogar zum Ausbildungsberuf machen.

Eul: Ja, und sie sind zusammen mit der SPD maßgeblich an diesem fatalen Reformgesetz beteiligt, wie es seit 2002 in Deutschland gilt. Ein Gesetz, das angeblich Prostituierten helfen sollte, von dem aber vor allem Bordellbetreiber, Zuhälter und Menschenhändler profitieren. EMMA fordert seit Jahren eine Reform dieser Prostitutionsreform. Nach schwedischem Vorbild, wo nicht die Frauen, sondern die Zuhälter und Freier bestraft werden. Und wenn Sie sich die Situation in Schweden mal anschauen, hat dieses Gesetz interessante Auswirkungen: Da gelten Freier nicht als cool, sondern als looser. Frankreich und die Niederlande erwägen inzwischen auch, Freier zu bestrafen und die Profiteure der Prostitution härter zu ahnden. In ganz Westeuropa diskutiert man heute über Prostitution unter dem Aspekt der Menschenwürde der Frauen. International spricht man von "white slavery“. Nur in Deutschland erlaubt man sich noch, vor diesem Skandal die Augen zu verschließen. Aber hoffentlich nicht mehr lange.

Das Gespräch führte Daniela Jaschob