Interviews mit ZeitzeugenAusstellung im NS-Dok lässt Sinti und Roma zur Wort kommen

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Klänge des Lebens

Vor dem EL-DE-Haus: Direktorin NS-Dok Zentrums, Annemone Christians-Bernsee, Markus Reinhardt und Krystiane Vajda (v.l.)

Köln – Der Kölner Rom Markus Reinhardt steht vor dem Gebäude, in dem seinem Vater der deutsche Pass abgenommen und von dem aus er anschließend von den Nazis in ein Vernichtungslager deportiert worden war. Das ehemalige Kölner Gestapo-Gefängnis der Nationalsozialisten am Appellhofplatz ist heute das NS-Dokumentationszentrum (NS-Dok) der Stadt Köln und trotz, oder gerade wegen seiner düsteren Vergangenheit, findet in und vor dem Gebäude ab Freitag eine Sonderausstellung statt, die Menschen zu Wort kommen lässt, die als Sinte und Sintezza, als Rom oder Romnja während des Nationalsozialismus verfolgt wurden und den Völkermord überlebt haben. Reinhardt ist deutscher Rom, Kölner Rom.

„Meine Familie lebt schon seit mehreren hundert Jahren hier. Als mein Großvater und seine Kinder in Auschwitz angekommen sind, hat er ihnen gesagt, dass alle, die diesen Ort überleben, sich anschließend in Köln wiedertreffen sollen“, sagt er.

„Klänge des Lebens. Geschichten von Sinte*zze und Rom*ja“ lautet der Titel der Open-Air-Ausstellung, die nun bis zum 26. Juni im NS-Dokumentationszentrum zu sehen ist und die Reinhardt als Initiator des Projektes mit seiner Ehefrau Krystiane Vajda, dem NS-Dok und dem Verein Maro Drom – Kölner Sinte und Freunde präsentiert.

Zeitzeugen erzählen ihre Erfahrungen vor laufender Kamera

Interviews mit 25 Zeitzeugen aus Köln und anderen Städten, darunter die 2021 verstorbene Esther Bejerano, Fotografien, Schriftstücke und Veröffentlichungen aus dem sowie über das Leben der Menschen sind dabei in einer „Ge-Denk-Station“ zu sehen, zu lesen und zu hören - in einem restaurierten Oberlichtwagen aus dem Jahr 1958, der vor dem EL-DE-Haus platziert worden ist.

„Es waren bewegende Momente, mit den Menschen zu sprechen und sie überhaupt dazu zu bringen, ihre persönlichen Erfahrungen vor laufender Kamera zu erzählen“, sagt Krystiane Vajda, die die Interviews geführt und das Material für die Ausstellung zusammengestellt hat. Aber auch Angehörige der zweiten Generation berichten, welche Spuren dieses Menschheitsverbrechen bei ihnen und innerhalb ihrer Familien hinterlassen hat. In ihren Selbstzeugnissen reflektieren die interviewten Frauen und Männer außerdem darüber, wie sie mit dem Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne umgehen und wie sich ihr Leben inmitten von zunehmend rassistisch aufgeladenen Gesellschaften gestaltet.

„Wir müssen sehr vorsichtig mit dem umgehen, was uns hier anvertraut worden ist“, so Vajda. Aber für einen Prozess der Versöhnung und insbesondere für junge Menschen seien diese Interviews von unschätzbarem Wert. Zudem gibt es im Rahmen der Ausstellung Lesungen, Gespräche und musikalisches Live-Programm.

200.000 Menschen zum Opfer gefallen

Mindestens 200.000 Männer, Frauen und Kinder sind dem Völkermord, als „Zigeuner“ stigmatisiert, zum Opfer gefallen. Viele Verbrechen sind bis heute nicht aufgeklärt, sodass Schätzungen von 500.000 Opfer ausgehen.

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Die Ausstellung „Klänge des Lebens. Geschichten von Sinte*zze und Rom*ja. Eine Ge-Denk-Station“ findet statt von Freitag, 10. Juni bis Sonntag, 26. Juni, jeweils dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Alle Informationen auch im Internet.

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