Jürgen Becker zieht mit Imperia-Maschine von 1934 Blicke auf sich. Dabei mochte der Kabarettist eigentlich gar keine Vorkriegs-Motorräder.
Alte Liebe rostet nichtJürgen Beckers Motorrad begeistert mit Kölner Vorkriegstechnik

Jürgen Becker und sein Imperia-Motorrad.
Copyright: Alexander Schwaiger
Hart gearbeitet wird immer noch in den rund 120 Jahre alten Werkshallen an der Wipperfürther Straße in Kalk. Stattliche Industriekräne produziert die Firma Stalvoss hier für Häfen oder Stahlwerke. Um was es hier früher ging, wird klar, als Jürgen Becker laut knatternd um die Ecke biegt. Der Kabarettist mit Zweirad-Gen ist auf seiner Imperia-Maschine von 1934 gekommen, ein Stück Wertarbeit mit vielen Lebensspuren im alten Blech.

Laut knatternd fährt Jürgen Becker mit seiner Maschine vor.
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Typ: Imperia 200 Junior Baujahr: 1934 Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h PS: 5,5 Zylinder: 1 Hubraum: 192 ccm Verbrauch: 3,5 Liter Neupreis: 660 Reichsmark
Die Marke Imperia nahm einst an der Wipperfürther Straße ihren Anfang, feierte große Erfolge im Rennsport, verschwand unter bitteren Umständen aber auch genauso schnell wieder aus Kalk. In Bad Godesberg ging die Produktion weiter, bis Imperia 1935 dann endgültig Geschichte war.
Deshalb habe ich sie: Eigentlich mochte ich Vorkriegs-Motorräder überhaupt nicht. Die sind nur was für alte Männer, habe ich gedacht. Für Männer, die zu Hause mit Streichhölzern den Dom nachbauen oder eine kleine Dampfmaschine anschmeißen. Dann hat mir Horst Nordmann, der sich hervorragend mit historischen Motorrädern aus Köln auskennt, ein Foto aus einer Kleinanzeige mit dieser Maschine gezeigt. Besonders der Zustand faszinierte mich. 2011 sorgte der Oldtimer-Weltverband FIVA mit seiner „Charta von Turin“ für viel Wirbel bei Oldtimerbesitzern. Darin wurde festgelegt, die Spuren der Zeit zu erhalten und historische Fahrzeuge nicht in den Neuzustand zu versetzen. Gemäß diesem Regelwerk befindet sich meine Imperia im Bestzustand. Sie hat die betörende Patina eines wilden, gekurvten Lebens.

Dass die Imperia ein bewegtes Leben hat, erkennt man im Blech.
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Die Probefahrt habe ich auf dem Elbedeich in der Nähe von Magdeburg unternommen, wo der Verkäufer wohnte. Ich hätte bis nach Hamburg durchfahren können, so viel Spaß hat mir die archaische Vorkriegstechnik gemacht. Bei der Imperia gibt es noch keine Fußschaltung, sondern man wechselt den Gang mit einem Holzknauf neben dem Tank. Das ist ein echtes Glücksgefühl, wenn man den Bogen erstmal raushat.
Das kann sie: Leute verzaubern. Sie sehen die verlebte Maschine und bleiben stehen. Jeder will wissen, woher sie kommt. Dann erzähle ich zum Beispiel, dass Jakob Becker, Generaldirektor der „Kalker Maschinenfabrik AG“, 1924 den Grundstein für die Marke gelegt hat. Wohl auf Drängen seiner motorradbegeisterten Söhne.

Die verlebte Maschine begeistert viele Menschen.
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Wenn man damals Motorräder verkaufen wollte, musste man im Motorsport gut sein. Es galt der Spruch „Win on Sunday, sell on Monday“. Das ist ihnen auch gelungen, Imperia-Fahrer waren sehr erfolgreich. Man sagt, sie hätten in jeder Hubraumklasse alles abgeräumt, was zu holen war. Aber der Rennstall hat auch sehr viel Geld gekostet. Dadurch ist das Unternehmen in Schwierigkeiten geraten. Becker hat 400 000 Reichsmark aus der Maschinenfabrik in Richtung Imperia geschleust, ohne den Vorstand zu informieren. Als das rauskam, hat er sich 1925 das Leben genommen.
Das kann sie nicht: Dichthalten. Weil die Dichtungen aus Filz sind, verliert sie immer wieder mal Öl. Deswegen lege ich beim Parken eine Pappe drunter, um niemanden zu verärgern. Dass sie ihr Revier markiert, lasse ich nicht zu.

Das Motorrad stammt aus dem Jahr 1934.
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Das habe ich für sie getan: Eine Reparatur der defekten Lichtmaschine wäre teuer. Den Strom für die Zündung liefern jetzt Akkus in den kleinen Behältern am Gepäckträger. Insofern musste ein bisschen getüftelt werden. Darüber hinaus habe ich ein wenig Recherche betrieben. Ein Cousin meines Vaters hatte mal einen Friseursalon auf der Grenze von Mülheim und Kalk. Ein paar Meter weiter hat dieser Jakob Becker gewohnt. Ich wollte herausfinden, ob es irgendwelche verwandtschaftlichen Verbindungen zwischen den Beckers gab. Leider kann ich es weder nachweisen noch ausschließen.
Das haben wir erlebt: Sie fährt wirklich schön, das muss ich schon sagen. Mit geringen Drehzahlen hat sie relativ viel Kraft. Wenn man sanft beschleunigt, hält sich die Lautstärke auch in Grenzen. Aber in der Stadt macht sie keinen Spaß, dazu sind die Bremsen zu schwach. Am liebsten fahre ich sonntags zum Oldtimertreffen in Hilgen im Bergischen Land. Famos war auch die Rallye „Rund um Bad Münstereifel“, bei der Motorräder bis 1939 mitmachen dürfen. Alles andere gilt dort als neumodischer Plunder. Anstandslos hat die Imperia dabei 180 Kilometer abgespult. Zum Teil habe ich sogar andere überholt.
Das haben wir vor: Vor allem will ich die Maschine am Laufen halten. Wer sie und mich mal live sehen will, hat dazu am 22. November Gelegenheit, wenn ich im Deutzer Tanzbrunnen-Theater auftrete. Dann stelle ich dieses kleine Filetstück rheinischer Industriegeschichte im Eingangsbereich aus. Schließlich hat sie ihre Wurzeln „op d’r schäl Sick“ und durch das kölsche Firmensignet auf den Armaturen noch einen weiteren Vorteil: Egal, wo man mit der Imperia hinfährt – man sieht immer den Dom.
Aufgezeichnet von Tobias Christ

