Holzernte im Wildgehege BrückDarum schützen Rückepferde den Kölner Wald

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Das Rückepferd und sein Besitzer im Portrait.

Rund sechs Stunden pro Tag rücken Elmar Stertenbrink und das Pferd Fusian Baumstämme.

Bei der Holzernte in Brück helfen Pferde mit. Sie sind effizienter als Maschinen und besser für den Wald. Ein Forstwirt erklärt warum.

Scheinbar mühelos zieht Fusian den zentnerschweren Baumstamm über den Waldboden. „Bbbbbbittt“ – Elmar Stertenbrink macht ein Geräusch mit seinen Lippen und das Pferd stoppt an der richtigen Stelle: in der Rückegasse.

So nennen Forstwirte wie Stertenbrink die Schneise zwischen den Bäumen, aus der die gefällten Stämme abtransportiert werden. Hier im Wildgehege Brück zwischen Flehbachmühlenweg und Autobahn 4 helfen die Pferde seit mehr als 20 Jahren bei der Holzernte. Weil die Forstwirte so den Einsatz von Maschinen einschränken können, tragen die Lasttiere zum Erhalt des Waldes bei – und zum Klimaschutz.

Brücker Pferde helfen seit 20 Jahren bei der Kölner Holzernte

Es ist nämlich so: Wenn die Arbeiter mit ihren Kettensägen durch den Wald gezogen und zu fällendes Holz in die Horizontale gebracht haben, müssen die schweren Stämme irgendwie gesammelt werden, damit sie in Richtung Lastwagen gebracht werden können. Dazu könnte man Transportwagen mit langen Greifarmen einsetzen. Diese bergen aber viele Nachteile, erklärt Jörn Anlauf, Chef der rechtsrheinischen Forstreviere.

„Die Greifarme sind nur zehn Meter lang, das heißt, wir müssten alle 20 Meter eine neue Rückegasse schlagen. Und wenn Maschinen den Wald befahren, verdichten sie den Boden. Er kann weniger Wasser aufnehmen und die Bäume sterben, wenn es zu heiß wird“, sagt Anlauf.

Seine Vorgänger entwickelten ein Modell, das später bundesweit Schule machte: Pferde sollen die Baumstämme auch aus einem größeren Radius in die Rückegasse ziehen, wo sie später maschinell abtransportiert werden. Der Einsatz der Pferde sei zwar kurzfristig teurer, allerdings seien die Forstämter auch nicht gezwungen, mit dem Holzertrag Geld zu erwirtschaften.

Rückepferd zieht bis zu 250 Stämme am Tag in Position

Dadurch, dass weniger Schneisen in den Wald geschlagen werden müssen, habe man zehn Prozent der heutigen Waldfläche Kölns hinzugewonnen. Diese beträgt insgesamt 4100 Hektar, ein Zehntel des gesamten Stadtgebiets.

Wenn man das System schädigt, sägt man an der Vitalität des Waldes
Elmar Stertenbrink, Rückepferdführer

Das Ziel sei ein gesunder Mischwald mit hitzeresistenteren Bäumen: Keine Fichten und Kiefern mehr, stattdessen Esskastanie, Speierling, Elsbeere. Damit noch Arten vorhanden sind, wenn andere Arten absterben. So wie Esche und Ahorn, die schon aus den heimischen Wäldern verschwunden sind. Und wie der Tannenzweig, an dem Fusian knabbert, weil er sich langweilt, während Stertenbrink erklärt. Mit einem Seil am Geschirr lotst der 61-Jährige Fusian an die richtige Stelle. Dann legt er eine Kette um den jeweiligen Baumstamm und verschließt sie mit einem Karabinerhaken.

Auf Kommando beginnt der Wallach zu ziehen, nur wenige Meter, aber dann liegt der Baumstamm, wo er hin soll. Etwa 250 Stämme, viele zu schwer für einen Menschen, schaffe Fusian an einem Tag. Drei Stunden am Vormittag arbeite er, dann gebe es eine längere Mittagspause. Dann sind nochmal drei Stunden eingeplant. „In der Praxis sind es aber eher jeweils zweieinhalb“, sagt Stertenbrink, der das Pferd vor allem mit Kommandos steuert.

Rückepferde kommen aus Südfrankreich

Etwa hundert Meter entfernt raschelt sein Kollege mit einem weiteren Pferd durch das Unterholz. Fusians Kompagnon heißt Granit. Dass immer zwei Tiere im Einsatz sind, hat seinen Grund. „Pferde sind Herdentiere, sie bilden Paargemeinschaften“, erklärt Stertenbrink. „Ein Pferd kann einen viel größeren Radius überblicken als wir. Es sieht, was hinter ihm passiert. Und so achtet das Pferd auf seinen Kollegen und kann flüchten, wenn was mit ihm passiert“, sagt er. „Mich hat noch nie ein Förster bei der Arbeit überraschen können – das Pferd teilt mir durch seine Reaktion mit, dass sich jemand nähert“, fügt er hinzu.

Fusian und Granit stammen aus dem Süden Frankreichs – die Rasse ist an das dortige Klima angepasst und soll auch bei höheren Temperaturen, wie sie durch den Klimawandel zu erwarten sind, länger durchhalten. Das Training für ein Rückepferd dauert ein halbes Jahr, jedoch beträgt das Mindestalter für den Einsatz im Wald vier Jahre.

Alles für einen gesunden Waldboden. „Der Wald kann nicht ohne funktionieren. Der Stoffwechselkreislauf ist daraus ausgelegt, alles zu zersetzen, was auf dem Boden liegt. Wenn man das System schädigt, sägt man an der Vitalität des Waldes“, unterstreicht Stertenbrink.

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