Kölner Dauer-SucheNeuer Standort für Autonomes Zentrum wird verhandelt

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Das Autonome Zentrum, daneben das Justizzentrum.

Köln – In der jahrelangen Suche nach einem neuen Standort für das Autonome Zentrum (AZ) ist eine neue Option im Spiel – ob das AZ sie aber tatsächlich als Alternative zur Luxemburger Straße 93 sieht, ist zumindest noch offen. Laut eines AZ-Sprechers sind noch viele Fragen zu klären, doch in der Kölner Verwaltung gibt es nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ einen gewissen Optimismus, dass es nun vorwärtsgeht.

Das AZ soll seinen derzeitigen Standort verlassen, weil dort später der Innere Grüngürtel Teil der neuen „Parkstadt Süd“ sein soll. Der Umzug ist ein heikles Thema angesichts der Vergangenheit: Das AZ hat schon mehrfach seine Heimat wechseln müssen, dabei drohten Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Köln: Zieht das AZ auf die rechte Rheinseite um?

Aktuell verhandeln die Stadtverwaltung und das AZ über ein städtisches Haus in Kalk in der Straße „In den Reihen 16“. Bei der Stadt ist das Amt für Liegenschaften des Dezernenten William Wolfgramm dafür zuständig. Das Haus steht rund sieben Kilometer entfernt vom jetzigen AZ (siehe Grafik), es ist umgeben von Bahngleisen, einem Logistikzentrum der Deutz AG und den Werkstätten der Kölner Bühnen.

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Laut des AZ-Sprechers ist die Meinungsbildung des Autonomen Zentrums zu dem Haus in Kalk noch nicht abgeschlossen. Er sagt: „Manche wollen am Standort bleiben und fragen sich, warum wir nicht Teil des Grüngürtels sein können. Andere wünschen sich einen langfristigen Standort.“

Seit 2015 nutzt das AZ das frühere Kanalbauamt an der Luxemburger Straße für sein Angebot aus Kunst, Kultur, Bewegung und linker Politik. Unter anderem gibt es eine Essensausgabe und eine Fahrradwerkstatt. Zur Frage, ob eine Lösung bevorsteht, sagte der Sprecher: „Das ist Spekulation.“ Offenbar bewegen sich aber beide Seiten vorsichtig aufeinander zu.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte das AZ 2018 besucht und danach gesagt: „In einer Stadt wie Köln muss Raum für ein Autonomes Zentrum sein. Für die Realisierung an einem Alternativstandort werde ich mich einsetzen.“

AZ fürchtet Verdrängung von Mieterinnen und Mietern

Vor allem ein Thema muss laut AZ noch ausgeräumt werden. In dem Haus gibt es aktuell 62 Mieter, unter anderem den Bus-Reiseveranstalter „Piccolonia“. Zudem sind viele Büros einzeln vermietet. Der AZ-Sprecher forderte von der Stadtverwaltung: „Wir möchten nicht, dass andere Mieterinnen und Mieter verdrängt werden. Die Verwaltung muss ihnen ernsthafte Alternativen anbieten.“

Deshalb hat das AZ für den gestrigen Mittwochabend die Mieter zu einem Infoabend eingeladen, in der Einladung heißt es: „Wir wollen uns nicht gegeneinander ausspielen lassen, sondern lieber mit euch zusammenarbeiten.“

Geschäftsführer Markus Klein von „Piccolonia“ sagte am Mittwoch: „Wir würden am liebsten am Standort bleiben.“ Laut seiner Aussage verhandelt er schon länger mit der Stadt, das Gelände zu kaufen und weiterzuentwickeln. Er würde die bisherigen Mieter übernehmen. Sein Unternehmen ist seit Ende der 90er-Jahre dort beheimatet. Klein fordert von der Stadt: „Grundsätzlich können wir uns auch einen anderen Standort vorstellen, der muss für uns aber funktionieren.“

Sein Unternehmen hat rund 30 Busse, braucht also eine große und dafür ausgewiesene Fläche – keine ganz einfache Aufgabe.

Die Verwaltung ist aber dem Vernehmen nach guter Dinge, den Mietern Lösungen anzubieten. Dann müsste das Gebäude noch etwas hergerichtet werden, und das AZ könnte 2024 nach Kalk ziehen – wenn bis dahin alle offenen Fragen geklärt sein sollten.

Hintergrund: Die Geschichte des Autonomen Zentrums in Köln

2009 besetzt die „Kampagne Pyranha – für ein Autonomes Zentrum“ ein leerstehendes Gebäude an der Moselstraße nahe des Südbahnhofs. Sie setzen sich für einen selbstverwalteten, unkommerziellen Raum für Kunst, Kultur und linke Politik ein. Nach zwei Tagen ziehen sie wieder ab.

2010 im April besetzt die Kampagne die frühere Kantine von Klöckner-Humboldt-Deutz an der Wiersbergstraße in Kalk. Das Haus gehört der Sparkasse Köln-Bonn.

2011 soll das Haus von der Polizei geräumt werden, Aktivisten errichten Straßensperren und verbarrikadieren sich, ein gewaltsamer Konflikt steht kurz bevor. Erst in letzter Sekunde gibt es eine Einigung, Sparkasse und Autonomes Zentrum (AZ) setzen einen Vertrag zur Nutzung bis 2013 auf.

2013 geht es von vorne los, mutmaßliche Sympathisanten des AZ kleben die Haustür von SPD-Oberbürgermeister Jürgen Roters zu, veröffentlichen Adressen von SPD-Politikern und drohen ihnen. Das AZ distanziert sich davon. Später zieht das AZ in ein leerstehendes Gebäude am Eifelwall 7, dort steht heute das neue Historische Archiv.

2014/2015 Das AZ zieht um in das leerstehende Haus an der Luxemburger Straße 93 in direkter Nachbarschaft zum Justizzentrum. Dort soll es bis 2018 bleiben, die Stadt brauche dann das Grundstück, um dort die „Parkstadt Süd“ samt Grüngürtel zu bauen, hieß es.

2018 wird der Vertrag zur Nutzung verlängert, das Prozedere wiederholt sich danach bis heute.

2019 stürmen Aktivisten das Stadthaus der Verwaltung in Deutz, wollen unter anderem gegen das Aus für das AZ an der Luxemburger Straße demonstrieren. Ihr Motto: „Wollt ihr uns nicht mit einbeziehen, ziehen wir bei euch ein."

2020 lehnt das AZ das Angebot der Stadt über eine unbebaute Fläche an der Herkulesstraße ab.

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