Auszeichnung für Grüneberg-SchuleKölner Schüler lernen Deutsch mit kreativen Ansätzen

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Lehrerin Anke Rothhaas setzt in ihrem Unterricht auf das Demek-Konzept zur Sprachförderung.

Kalk – Gerade haben die Drittklässler der Grüneberg-Gemeinschaftsgrundschule noch die Weihnachtsgeschichte von der Spinne Karl-Heinz gehört, die sich mit der Stubenfliege Bisi kabbelt. Nun liest Lehrerin Anke Rothhaas ein Gedicht über ein weiteres Paar vor, das sich nicht so toll versteht: „Der Spitzer mag den Bleistift nicht, er findet ihn gemein, er gönnt ihm seine Größe nicht und spitzt ihn klitzeklein.“ Nach einer kurzen Runde zum Inhalt fordert Rothhaas die Kids zum Umbau der ersten Zeile auf: „Ich könnte mir vorstellen, dass es noch einige andere Dinge, Pflanzen oder Menschen gibt, die sich gegenseitig nichts  gönnen.“

Schwierigkeiten mit dem grammatischen Geschlecht

Das regt natürlich die Phantasie der Schüler an: „Der Löwe mag den Tiger nicht“, „Real Madrid mag FC Barcelona nicht“, „der Hund mag die Katze nicht“ schlagen einige der Jungen und Mädchen vor. Das Beispiel mit der Katze findet Anke Rothhaas besonders interessant. Sie tritt zu einer Schautafel an der Wand, auf der drei Kästen in unterschiedlichen Farben aufgemalt sind. Im blauen stehen Nomen („Namen-Wörter“) wie „der Bleistift“, bei denen sich das Begleitwort nach einer „wen“-Frage ändert: „den Bleistift“ muss es dann heißen. „Die Katze“ gehört in den roten Kasten: Ihr Begleitwort  ändert sich nach einer „wen“-Frage nicht, es bleibt beim „die“.

Erfolgreiche Sprachförderprogramme sollen Vorbild sein für andere Schulen

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In Anwesenheit der stellevertrerenden Bezriksbürgrmieerin Daniela Topp- Burghardt (l.) übererichten Sandra Haupt-Schulte und Sylvia Siegel-Kopatz (2. und 3. v. l.) die Biss-Plakette an Schulleiterin Heike Wehner und Anke Rothhaas.

„Mit der »Demek-Methode« werden Schüler an die Bildungssprache herangeführt, die ihnen spätere bessere Ausbildungsplätze ermöglicht“,  sagte Sylvia Siegel-Kopatz von der Landesstelle schulische Integration (LaSI) in Dortmund, als sie kürzlich in der Grüneberg-Schule zu Gast war. Ihre Kollegin Sandra Haupt-Schulte lobte ebenfalls das Engagement der Schule und insbesondere von Anke Rothhaas, die ihren maßgeblichen Beitrag zur  Weiterentwicklung des Programms geleistet habe. Etwa durch die Einführung von „Literaturwochen“, bei denen die Schüler eine Woche lang proben, um gemeinsam ein Kinderbuch auf der Bühne darzustellen. Unter besonderer Berücksichtigung des grammatikalischen Geschlechts natürlich. Siegel-Kopatz und Haupt-Schulte waren gekommen, um der Schulleitung die Plakette der „Biss“-Akademie NRW zu verleihen. „Biss“ steht für „Bildung durch Sprache und Schrift“, die Akademie bemüht sich darum, erfolgreiche Sprachförderprogramme durch den Austausch zwischen den Schulen  zu verbreiten. Die Grüneberg-Schule ist nun eine von zwei Impulsschulen für das Demek-Programm im Raum Köln. Anke Rothhaas wird also künftig nicht nur das eigene Kollegium zu „Demek“ beraten, sondern auch  Lehrer anderer Schulen zu Hospitationen einladen. (hwh)

Ältere Schulabsolventen erinnern sich vielleicht noch daran, dass es hier um das grammatische Geschlecht der Wörter geht. Davon hat die deutsche Sprache drei: männlich („der Bleistift“ zum Beispiel), weiblich („die Katze“) und sächlich. Kinder, die in deutschsprachigen Familien aufwachsen, lernen das Geschlecht der Wörter schon vom ersten Tag an einfach durchs Zuhören. Und auch entsprechende Veränderungen bei Begleitwörtern wie den Artikeln „der, die, das“, den Personalpronomen „er, sie, es“, oder Demonstrativpronomen wie „dieser, diese, dieses“ prägen sich in ganz jungen Jahren noch relativ leicht ein.

Kreative Veränderungen im Unterricht

Aber für Pänz, die ihre Wurzeln in anderen Sprachgemeinschaften haben, sei das Geschlecht der Wörter oft ein „Stolperstein“, erklärt Anke Rothhaas nach der Stunde. Schon, weil viele Sprachen das grammatische  Geschlecht gar nicht kennen, oder nur zwei davon haben. „So etwas kann man Grundschülern nicht über grammatische Begriffe beibringen, dass muss alles praktisch, spielerisch passieren.“

So,  wie im „Demek“-Unterrichtskonzept, das Rothhaas als Sprachbeauftragte der Grüneberg-Schule seit Jahren anwendet. Das 2005 eingeführte Konzept – „Demek“ ist die Abkürzung für: Deutschlernen in mehrsprachigen Klassen – setzt auf kreative Veränderungen vorgegebener Gedichte oder Geschichten speziell im Hinblick auf das  Geschlecht der verwendeten Wörter.

Wiederholungen sind notwendig

„Gut daran ist auch, dass solche Veränderungen auf ganz unterschiedlichem Niveau ansetzen können. Man braucht also Schüler, die größere  Schwierigkeiten damit haben als andere, nicht aus dem Klassenverband herauszuholen und in Fördergruppen zu stecken“, sagt Rothhaas. „Und man kann die Kinder in allen Fächern für die Problematik sensibilisieren, auch in Mathe zum Beispiel. Indem man als Ergebnis einer Rechenaufgabe nicht einfach „zwei Meter“ akzeptiert, sondern die Kinder in ganzen Sätzen antworten lässt: Diese Strecke ist zwei Meter lang.“ Ständige Wiederholungen seien notwendig, damit die Kinder die korrekten Verbindungen zwischen Artikel und Nomen irgendwann auswendig lernten.

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Gerade an der Grüneberg-Schule, deren rund 300 Kinder jeweils in einer von  35 unterschiedlichen Sprachen verwurzelt sind, sei diese Schwerpunktsetzung von größter Bedeutung für die Zukunft der Schüler. Was Beweise für den  Nutzen von „Demek“ angeht, bleibt Anke Rothhaas indes ehrlich: „Ob eine Methode besser ist als eine andere, lässt sich nur schwer nachweisen. Weil man dazu Schülergruppen vergleichen müsste. Aber das ist aufgrund der vielen Unterschiede, was soziale oder ethnische Herkunft angeht, gar nicht möglich.“ Als Pädagogin habe man aber sehr wohl ein Gefühl dafür, welche Methoden funktionieren.

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