30 Jahre nach GründungPläne für Kölner Migrationsmuseum in Kalk werden konkreter

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In der Halle 70 in Köln-Kalk soll das neue Haus der Einwanderungsgesellschaft entstehen. 

Köln – Schwere Maschinen haben den Boden der Halle 70 in Kalk ausgehöhlt. Geblieben sind nur die Steinhaufen in den Löchern – aber auch eine große Vision für die alte, rund 10 000 Quadratmeter große Industriehalle auf dem ehemaligen Werksgelände der Klöckner-Humboldt-Deutz AG. Hier in der Dillenburger Straße soll voraussichtlich 2025 das erste rechtsrheinische Museum eröffnen: ein Haus der Einwanderungsgesellschaft. Kein Stadtteil scheint dafür prädestinierter zu sein als das multiethnische und von Migration geprägte Kalk.

„Einige unserer Vereinsmitglieder haben sogar an diesem Ort gearbeitet. Da können wir sehr gut die Verbindung zur Arbeitsmigration herstellen“, sagt Domid-Geschäftsführer Robert Fuchs. Bund und Land stellten für das Mammutprojekt Ende 2019 insgesamt 44,26 Millionen Euro bereit. 

Der Kölner Verein feiert 30. Jubiläum

Ein Jahr später, zum 30-jährigen Jubiläum, konkretisieren sich nun die Pläne des Domids (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e. V). „Wir sind viel mit der Stadt Köln im Austausch, da ihr die Halle gehört. Da geht es um architektonische, baufachliche und juristische Fragen und Überlegungen wie: Wo könnte sich der Haupteingang befinden?“, so Fuchs. Das imposante Stahlgerüst wolle man weitestgehend beibehalten. Die benachbarte Halle 71 soll teilweise abgerissen werden.

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Offene Räume sollen die Fläche gliedern – „ein luftiger Ort mit hoher Aufenthaltsqualität“ sei das Ziel. Das noch im Bezirksrathaus Ehrenfeld beheimatete Domid zieht dann mitsamt Archiv, Bibliothek und Verwaltung nach Kalk. Auch eine Bühne, Platz für Kunst, ein Open-Space für Workshops und Gastronomie sind Teil des Plans. „Ganz wichtig ist der partizipative Ansatz. Wir sind vor 30 Jahren selbst aus einer migrantischen Community entstanden und haben seitdem ein großes Netzwerk aufgebaut. Wir wollen auch mit lokalen Initiativen aus Kunst und Kultur zusammenarbeiten, sodass das Areal um das Museum herum mehr belebt wird. Das soll auch Menschen vor Ort herlocken, die eher nicht zum klassischen Museumspublikum zählen“, so Fuchs. 

Aber nicht nur der Stadtteil werde profitieren. „Es ist ein bundesweites Leuchtturmprojekt mit repräsentativer Funktion, das über Köln hinaus Leute ansprechen wird“, ist sich Fuchs sicher. Schließlich erhalte das Gedächtnis der Migrationsgesellschaft in Deutschland  endlich seine Hülle. Ein Museum hatte Domid allerdings schon früh im Sinne. 

1990 von türkischen Migranten in Essen gegründet, sammelte der Verein, damals noch „DomiT“, von Beginn an Alltagsgegenstände und Fotos: Mittlerweile zählt die Sammlung über 150 000 Exponate. In dieser Frühphase war die Ausstellung „Fremde Heimat“  im Jahr 1998 ein Meilenstein: Erstmals entwickelte ein Museum, es war das Ruhrlandmuseum Essen, in gleichberechtigter Partnerschaft mit Einwanderern und Einwanderinnen eine Schau.

Umzug von Essen nach Köln im Jahr 2000

2000 zog das Domid dann nach Köln. Während sich die Bundesrepublik noch Jahrzehnte nach Eintreffen der ersten Gastarbeiter weigerte, sich als Einwanderungsland zu sehen, stehe das mittlerweile außer Frage. Es gehe vielmehr um das Wie. „Wie wollen wir die Zukunft gemeinsam gestalten? Dafür braucht es ein multiperspektivisches Geschichtsbild und solch ein Haus kann die nötigen Impulse liefern“, sagt Fuchs. „Wenn ich als Einwanderer sehe, dass meine Geschichte öffentlich erzählt und Migration nicht als Sonderfall betrachtet wird, sondern als Konstante in der Geschichte, kann ich an der Gesellschaft teilhaben und mich mit ihr identifizieren“, sagt Timo Glatz, Sprecher des Domids.

Die Ausstellung will daher mit der starren Gegenüberstellung von „Die und Wir“ brechen. Der Ausgangspunkt soll die Gegenwart sein: Nicht chronologisch, sondern thematisch aufgebaute Räume sollen die Besucher zum Austausch anregen. Das Herzstück bleiben die Exponate von 1945 bis heute. „Zuletzt haben wir ein Gummiband gesammelt. Es stammt von einem Geflüchteten, der 2015 herkam. Er band sich damit die Hose am Knöchel zusammen – gegen die Kälte“, erzählt Glatz. 

Aber auch hier: Flucht und Seenotrettung seien kein Sonderfall der Geschichte, sondern immer wieder relevant gewesen. So verwaltet Domid den Nachlass, darunter einen Rettungsring, von Cap-Anamur-Mitgründer Rupert Neudeck, der 1979 durch die Rettung Tausender vietnamesischer Flüchtlinge im Chinesischen Meer berühmt wurde. 

Für das 30-Jährige hätte sich das Domid eine schöne Feier gewünscht – aber nicht alles sei schlecht seit der Pandemie. „Wir hatten zum ersten Mal eine digitale Mitgliederversammlung, an der viele teilgenommen haben, sogar jemand aus Brasilien“, so Fuchs.

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