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Krankenhaus MerheimGreifen mit dem Zeh

Lesezeit 3 Minuten

Einen Zeh als Ersatz für den zerstörten Daumen hat Professor Fuchs an die Hand von Nadine Deutsch gesetzt.

Merheim – Wann immer Nadine Deutsch auf ihre rechte Hand blickt, hat sie einen Zeh im Blick anstelle des Daumens. Mit einer eher seltenen, komplizierten Operation hat Professor Paul Christian Fuchs, Chefarzt der Klinik für plastische Chirurgie am Städtischen Krankenhaus Merheim, damit begonnen, seiner jungen Patientin so viel wie möglich von ihrer durch einen Unfall zertrümmerten Hand zu retten. Und dazu war einer ihrer Zehen notwendig.

Vor einem halben Jahr war die verletzte 23-Jährige mit dem Rettungsflugzeug eines deutschen Automobilclubs von Australien zurück nach Köln transportiert worden. „Australien – dort studieren ist mein Traum“, erzählt Nadine Deutsch nun bei der Nachuntersuchung. Als sie im Januar vor Semesterbeginn mit einem Campervan das Land erkunden wollte, hatte eine unerwartet heftige Windböe ihrer Aufbruchstimmung ein Ende gesetzt: „Der Wagen überschlug sich dreimal.“ Sie blieb angeschnallt in den Gurten hängen, aber ihre Hand blutete stark. „Sie muss irgendwie durch das offene Dach nach außen geraten sein.“ Ärzte in Alice Springs schickten die Verunglückte per Hubschrauber weiter zu Handspezialisten nach Adelaide.

Zwölfstündige Operation

„Die haben hervorragende Arbeit geleistet“, sagt Fuchs anerkennend mit Blick auf die Röntgenbilder. Denn Nadine Deutsch hatte beim Unfall die Knochen ihres Daumens verloren, der zerquetschte Zeigefinger war bereits von den australischen Ärzten bis auf die Hauthülle entfernt worden, diese liegt nun als Streifen über einem Bereich der Mittelhand. Mittel- und Ringfinger mussten verkürzt werden. Nur der kleine Finger war unverletzt geblieben.

„Mit einer solchen Hand ist Greifen fast gar nicht mehr möglich“, sagt Fuchs. Um der jungen Frau diese Funktion wieder zu ermöglichen, entfernte er mit zwei OP-Teams in einer zwölfstündigen Operation zuerst an einem Fuß den Zeh neben dem großen Zeh und setzte ihn an die verbliebenen Daumenhautteile sowie den Mittelhandknochen an.

Damit die Durchblutung der neuen Daumenkonstruktion gewährleistet war, hatte er diese vorübergehend mit der Haut in der Leistengegend verbunden. Für seine Patientin hieß das: Drei Wochen absolut still liegen. Gefüttert und gewaschen werden. „Die schlimmste Zeit meines Lebens“, sagt Nadine Deutsch dazu. Durch die Verbindung hat ihr neuer Daumen nun auch ein Stück Bauchhaut bekommen.

Als der Chirurg die Studentin auffordert, ihre Finger zu strecken, bewegen sie sich kaum. „Da fehlen noch Sehnen für Mittel- und Ringfinger“, erklärt Fuchs. Die sollen noch in zwei weiteren, kleineren Operationen eingefügt werden. Das Material dafür wird der Unterarmsehne seiner Patientin genommen. Nadine Deutsch erträgt es mit Humor: „Ich habe gar nicht gewusst, dass ich ein so großes Ersatzteillager mit mir herumtrage.“

Intensives Muskeltraining

Fuchs macht seiner Patientin Mut: Im kommenden Sommer soll ihre Hand – auch dank intensiven Muskeltrainings – wieder einigermaßen funktionieren. Ungebrochen trotz all der schweren Operationen weiß die Studentin schon, was sie dann will: „Zurück nach Australien, meinen Master machen.“