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Kwartier LatängRote Funken Köln holen den Karneval in die Kneipen zurück

Lesezeit 4 Minuten
Dutzende Menschen tanzen zu Karnevalsmusik.

Sänger Mathias Nelles begeistert die Zuschauer mit „Stänne“ von den Klüngelköpp.

Die Kölner Roten Funken laden Jung und Alt zum 200-jährigen Bestehen des Karnevals in die Kneipen im Kwartier Latäng ein. 

Kölner Karneval, Donnerstagabend, Kölsch. Am Eingang der Brauerei Hellers im Kwartier Latäng empfangen der Korps-Kommandant der Roten Funken, Dirk Wissmann, und sein Funken-Kollege Steffen Potratz-Heller herzlich ihre Gäste. Die Textzeilen von „Viva Colonia“ hallen durch die Kneipe, feiernde Menschen tauchen in die bunten Lichter der Scheinwerfer ein.

Die Kölsche Funke rut-wieß vun 1823 veranstalten in dieser Session in den Kultkneipen Piranha, Bei Oma Kleinmann, Schmelztiegel und Brauerei Hellers Karnevalspartys. Frei nach dem Motto „Tradition meets Jung“ laden die Funken Gesangsgruppen und Solo-Künstler ein. Dahinter steckt die Idee, den Kneipen- und den Sitzungskarneval an junge Menschen heranzutragen.

„Jeck im Veedel“ soll junge Kölner für klassischen Karneval begeistern

Dem Abend im Hellers haben die Funken den Namen „Jeck im Veedel“ gegeben. Dirk Wissmann geht es mit der Veranstaltungsreihe vor allem darum, das Interesse am Fastelovend, wie ihn Karnevalsvereine feiern, zu wecken: „Wenn die jetzige Entwicklung weitergeht, würde der organisierte Karneval irgendwann so nicht mehr stattfinden, weil sich die Leute nur noch auf der Straße aufhalten“.

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Dirk spielt damit auf den Start der Session 2022/23 am 11.11. auf dem Zülpicher Platz an. Schon um halb elf morgens musste die Polizei den Zugang zur Zülpicher Straße wegen Überfüllung schließen. Die Situation im Kwartier Latäng während Weiberfastnacht und am 11.11. sehen viele Kölner wegen des exzessiven Alkoholkonsums von Jugendlichen und den Menschenmassen, die sich an diesen Tagen dort aufhalten, zunehmend kritisch.

Ich hätte keinen Bock, besoffen gegen ein Straßenschild zu knallen
Elena, feiert gerne Karneval

„Das gefällt ja keinem“, beschwert sich Wissmann. „Der klassische Karneval geht fast verloren in der heutigen Zeit. Das wird zu einer Ballermann-Geschichte“. Deswegen sei es für die Roten Funken umso wichtiger, in der Session zum 200-jährigen Bestehen des Kölner Karnevals auf junge Feiernde zuzugehen. Man müsse auch nicht zu sehr an den ganz alten Traditionen festhalten. „Die Gesellschaft ändert sich, und der Karneval muss sich anpassen.“

Wissmann und die anderen Funken gehen in einen Nebenraum der Brauerei. Hier feiern gerade mehrere dutzend Vollblutkarnevalisten, umgeben von Luftschlangen und Ballons. Bunte Lichter fliegen durch den Raum. Sänger Mathias Nelles steigert noch einmal die Stimmung, mit seiner Gitarre kann er jedem Lied seine eigene Note verpassen. Er spielt zwar hauptsächlich Karneval, unter „Prinzessin“, „Su lang de Leechter noch brenne“ und „Stääne“ mischen sich aber auch englische Songs wie „Let It Be“ von den Beatles oder „Take Me Home, Country Roads“ von John Denver.

Es sind Texte, die in jedem Gefühle auslösen, zu denen alle hier gemeinsam mitsingen können. Hier feiern Frauen in rot-weißen Ringelshirts, dort liegen sich zwei Pharaonen und ein Pinguin in den Armen. Im Hellers sind alle begeistert vom klassischen Fastelovend und seiner altehrwürdigen Musik. Für die meisten hier ist diese Art des Karnevals die einzig wahre. Zum Beispiel für Anja – eine der Frauen in Ringelshirts.

Anja ist Verfechterin des klassischen Kneipen- und Sitzungskarnevals. Von der Eskalation auf dem Zülpicher Platz hält sie nichts. „Das sind besoffene Assis, die verstehen nichts vom Fasteleer. Wenn ich Karneval feiern möchte, breche ich doch keine Haustüren auf, um den Leuten in den Flur zu scheißen.“ Weiter vorne steht ein als Polizistin verkleidetes Mädchen – Elena. Viele ihrer Freundinnen waren am 11.11. im Kwartier Latäng unterwegs, ihr war das zu heftig. „Ich hätte keinen Bock, besoffen gegen ein Straßenschild zu knallen“, sagt sie.

Die Roten Funken sind zuversichtlich, dass der Kneipenkarneval überlebt

Der Präsident und Kommandant der Roten Funken, Heinz-Günther Hunold, steht zufrieden am Rand. Sein Blick wandert durchs Publikum. Man erkennt ihn an seiner rot-weißen Uniform und der Narrenkappe sofort als Roten Funk.

Mittlerweile ist es fast zehn Uhr. Gleich marschieren die Roten Funken auf die Bühne. Hunold setzt seinen Federhut auf und stellt sich in einer Reihe mit den anderen Funken zum Einmarsch auf. Das Tambourkorps beginnt zu spielen, die Gruppe mischt sich unter die Zuschauer und tanzt Stippeföttche.

Hunold möchte das Format „Tradition meets Jung“ 2024 wiederholen, sieht es als Erfolg.„ Man muss aufeinander zugehen und gemeinsam feiern“, sagt er nach seinem Auftritt. Er ist zuversichtlich, dass Kneipen- und Sitzungskarneval überleben, gerade nach dem heutigen Abend: „Klassiker bleiben. Wir müssen nur kreativ sein“.

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