ÜberblickDas sind die besten Rednerinnen und Redner im Kölner Karneval

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Weininger bei seiner Rede am Pult.

Sitzungspräsident Volker Weininger

Es gibt ein Nachwuchsproblem bei den Frauen und Männern, die sich in der Session in die Bütt trauen. Aber die, die da sind, machen einen richtig guten Job.

Pädagoge mit Gefühl für Pointen – Martin Schopps

 „Dennis hat Negativwissen. Mit dem, was der alles nicht weiß, könnten fünf andere sitzenbleiben.“ Wenn Martin Schopps, der eigentlich Lehrer ist, über „seine“ Schüler ablästert, ist da viel Wahrheit drin. Und sein Vortrag ist besser denn je. In der Corona-Zeit hat er mit den Kollegen Weininger und Weber das Projekt „Herrengedeck“ gestartet, und die Zusammenarbeit hat ihn offenbar weitergebracht. Ob bei der absurden Namensgebung für Promi-Kinder, geschlechtsneutralen Kitas, Helikopter-Eltern, politischer Korrektheit, Vorsorgeuntersuchung oder der Vorliebe jüngerer Männer für ältere Frauen – die Pointen des Pädagogen sitzen. Und singen kann er auch.


Sitzungspräsident erhebt Lallen zur Kunstform – Volker Weininger

Die Rolle des ständig betrunkenen Sitzungspräsidenten war ein Sakrileg, als der studierte Lehrer Volker Weininger, der mittlerweile vier Jahre als Kabarettist gearbeitet hatte, 2012 beschloss, auch im Karneval aufzutreten. Aber das Volk liebt diese Figur, weil es sich in ihr wiederfindet und wohl jeder so einen Typen kennt. Weininger, ein akribischer Arbeiter, der nichts dem Zufall überlässt und alle Pointen selber erfindet, hat seinen Vortrag so perfektioniert, dass er mit jedem noch so unruhigen Zelt oder Saal fertig wird. Stark, wie er Blöcke hin und her schiebt, mal mehr, mal weniger lallt, Pausen einschiebt. Spätestens mit der Schlagzahl am Glas kriegt er sie alle.


Der Blötschkopp ist zurück, das Publikum johlt – Marc Metzger

Marc Metzger hat die nicht ganz freiwillige, zweieinhalbjährige Corona-Pause sichtlich gutgetan. „Ich bin eigentlich der Clown mit dem Spiegel, der Narr“, sagt er über sich. „Das ist die Rolle, die der „Blötschkopp“ verkörpert. Ich mache Blödsinn.“ Und das auf sehr hohem Niveau, denn zum Clown-Sein gehört auch eine gehörige Portion Talent. Und das ist beim „Blötschkopp“ reichlich vorhanden. Er verfügt über ausgezeichnetes Timing, kann sehr spontan aufs Publikum reagieren und scheint in seiner Vortragskunst – schnelles, manchmal nuscheliges Reden, ständiges Wiederholen, scheinbar sprunghafte Gedanken oder wirres Geplapper – unberechenbar. Zufällig ist allerdings nichts, das Kalkül stimmt. Wenn er seine Gedankenloops raushaut über Gendern, Einkaufen, Urlaub, Toleranz, Sprache oder Bienchen und Blümchen, ist das einfach Blödsinn mit viel Inhalt – das Publikum johlt, kreischt, weint vor Lachen. Tolles Comeback.


Bernd Stelter gehört längst zum Inventar

Der „Werbefachmann“, als der Bernd Stelter 1988 im Kölner Karneval angefangen hat, ist er schon lange nicht mehr. Aber seinem Stil ist er bis heute treu geblieben. Da steht ein Mann in wechselnden Gewichtsklassen, aber immer mit akustischer Gitarre auf der Bühne, der witzige Texte zu mehr oder minder bekannten Liedern vorträgt und zwischendurch kleine Anekdoten und Witze aus dem Alltag erzählt. Das ist so vertraut und von so verlässlicher Qualität, dass es einfach zum Inventar gehört. Ohne Stelter wäre wie ohne Bläck Fööss, und das ist allemal schwer vorstellbar. Aktuell macht er aus der Höhner-Hymne „Viva Colonia“ „Fifa Corruptia“, und sein neuer Lieblingssong heißt „Du hast nur 4, 3, 2, du hast nur ein verdammtes Leben.“ Das hat er mit dem Geiger Alexey Semenenko eingespielt. Kennengelernt haben sie sich bei einer Kreuzfahrt: Stelter weinte ob des Geigenspiels des Ukrainers, den der Bonner zum Lachen brachte – trotz des Krieges. So ist das Leben.


Ganz schön bieder, was da so läuft im Kölner Umland – Ingrid Kühne

Die gelernte Schriftsetzerin vom Niederrhein ist die einzige Frau, die sich konstant in der Spitzengruppe hält. Aktuell nach einem Sturz in der Dusche mit Armschiene unterwegs, was auch ein gut erfundener Teil ihrer Rede sein könnte. Spricht durchaus selbstironisch über Alltagsdinge wie Übergewicht, den leicht unterbelichteten Sohn, Hallenbad, Pralinen, den gelben Sack oder Nachbarn. Authentisches Lebensgefühl von hinter Düsseldorf, kommt aber an in der Stadt.


Jürgen Beckers

Ebenfalls den Biederen gibt der Aachener „Hausmann“ Jürgen Beckers. Ausgestattet mit Schürze, reiht er betont langsam und wie früher Witze über Corona, die Queen, Politiker („Angela Merkel war kein Temperamentbolzen – aber gegen Olaf Scholz ist sie Tina Turner“), Lehrer, Penatencreme, Thermomix, Daktari und Disco aneinander. Hohe Tuschfrequenz.


Alleinstellungsmerkmal: Kölsche Reimrede – „Tuppes“ Jörg Runge

„Wenn es stimmt, dass Comedy Fastfood ist, dann bin ich Bio-Vollwert-Kost“ sagt Jörg Runge über sich. „Dä Tuppes vum Land“ lebt im Bergischen, spricht Kölsch und hält als einer der Letzten in der Bütt die Reimrede hoch. Er dichtet über Gebühren auf Autobahnklos, Winter-WM oder Handwerker, wünscht sich für Kardinal Woelki ein Fahrrad mit Rücktritt oder Bioklebstoff für Klimakleber. „Wir alle müssen was machen für unser Klima,/ doch Sinn und Verstand wär dabei schon prima.“ Täfftää!


Jörg P. Weber

Der Träger der Ostermann-Medaille Jörg P. Weber spricht herrlich derbes Kölsch und lästert lustvoll über die Karnevalsszene, räumt aber vor allem als Krätzjer singender Flitschvirtuose ab. Ein Erlebnis.


Rentner aus Leidenschaft – Willi & Ernst

Willi & Ernst Hinter dem Zwiegespräch Willi & Ernst, seit 2011 im Kölner Karneval unterwegs, verbergen sich die Koblenzer Schauspieler Dirk Zimmer (l.) und Markus Kirschaum. Ihre Charaktere entstammen ursprünglich einem Volkstheaterstück, sind Rentner aus Leidenschaft, heiß wie Raclette-Pfännchen und dauerhaft auf der Suche nach der Frau fürs Leben: „Sprechen Sie uns an – wir sagen ja!“ Markenzeichen: Kassengestell und hässliche Pullover. Der FC-Xmas-Pulli von Dirk wird aktuell durch eine One-Love-Binde ergänzt. Motto: „Wir halten nicht die Klappe, wir reden drüber.“ Herrlicher Blödsinn über Frauen, Fußball, Frösche, Cannabis, Corona, Winnetou … Aktuelle Songpersiflage: Roland Kaisers „Warum hast du nur ja gesagt“. Oder nein?


Sonnyboy aus Porz mit konstant guter Laune – Guido Cantz

Der Porzer Sonnyboy, im Fernsehen der Mann für alle Fälle der Samstagabendshow, verbreitet seit 1991 auch in den jecken Sälen konstant gute Laune, bezieht das Publikum mit ein („Du guckst wie Alfons Schubeck am Geldautomaten“), lästert über Royals, Olaf Scholz und andere Politiker, Energiesparen beim Vibrator, Westfalen, Googeln, Tinder oder Gendern im Brauhaus („Herr Kürbis, ich hätte gerne eine Radlerin“). Guido Cantz scheint unkaputtbar und ist trotz aller TV-Erfolge dem Kölner Karneval in Treue verbunden.

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