Kneipenwirt über das Nachtleben„Köln droht zum Ballermann der Nation zu werden“

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Raimund Eck, Inhaber der Kölner Fiffibar

  • Die Fiffibar im Kölner Severinsviertel ist nicht nur wegen ihrer Einrichtung eine der ausgefallensten Kneipen der Stadt.
  • Wirt Raimund Eck ist bekannt für sein Faible für elektronische Musik, die in seiner Kneipe an den meisten Abenden läuft.
  • Wir haben mit ihm über die Lage des Nachtlebens in Köln und der Südstadt, Karneval und Kneipenmobiliar gesprochen.

Köln – Eine eingerahmte Dackeldame hängt wie ein Heiligenbild hinter der Theke und blickt verträumt in den Raum der Fiffibar. Im gesamten Lokal im Severinsviertel bestimmt der Vierbeiner in zahlreichen Variationen das Geschehen: Ob als Figur, Bild, Lampe, Wackeldackel-Automat oder als Name für Getränke.

Kitsch-Liebhaber und Hunde-Fans entdecken in dieser Fundgrube jede Menge schräge Details und erfreuen sich am zweifellos originellen Interieur. Auf andere mag der Hunde-Objektkult eher befremdlich wirken. So oder so ist die Fiffibar ein Blickfang. Wir haben mit Betreiber Raimund Eck gesprochen.

Herr Eck, warum nimmt der Hund in Ihrer Bar so eine prominente Rolle ein?

Während des Umbaus kam mir die Idee zur Gestaltung. Der Ausgangspunkt war eine Postkarte mit einem Dackel aus den 50er Jahren. Ich habe eine Affinität zu Kitsch: Der Spielplatz (Kneipe, die Eck 16 Jahre betrieb, Anm. d. Red.) war mit christlichen Devotionalien eingerichtet. Und wenn man wie ich viel auf Flohmärkten unterwegs ist, merkt man, dass nach dem christlichen Kitsch der Hund kommt. Hundedevotionalien gibt es in rauen Mengen, und wenn ich etwas mache, möchte ich das thematisch eingrenzen und nicht nur Werbeschilder von Getränkeherstellern aufhängen. Es muss ein stimmiges Bild abgeben.

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Haben Sie selbst einen Hund?

Nein, zuhause habe ich einen dicken Kater, und ich würde mir in der Großstadt auch keinen Hund zulegen, obwohl er Bestandteil der Großstadt ist: Für ältere Menschen ist er ein Bezugstier, der ihnen aus der Einsamkeit heraushilft und für andere ein Familienmitglied. Mit dem Thema greife ich niemanden an, anders als mit dem sakralen Interieur. Da haben sich einige verletzt gefühlt, weil es ironisch-augenzwinkernd und manchmal auch provokant war. Im Speisesaal war ein Graffiti von einem übel zugerichteten Jesus, der ein bisschen aussah wie ein Junkie. Der Hund ist im Gegensatz zu anderen Tieren auch dankbarer als Objekt, weil es so viele unterschiedliche Rassen gibt. Ich habe schnell vieles zusammengesammelt und auch selbst gebastelt, wie diesen Wackeldackel-Automaten oder die Hunde-Lampen. Wenn man einen Laden eröffnet, ist die Gestaltung das Highlight, denn man kann sich austoben.

Kommen denn auch Besitzer mit ihren Hunden in die Bar?

Ich habe eine Handvoll Nachbarn mit Hunden, die regelmäßig kommen: Möpse, ein Terrier-Mischling und ein Schäferhund. Sie kommen inzwischen mit der Situation klar, denn nicht für jeden Hund ist es ideal, in einer Bar zu sitzen, wo laute Musik läuft. Was die Einrichtung angeht, finde ich, dass die Lokalität den Gästen auch etwas bieten muss. Sie müssen etwas zum Gucken haben, worüber sie sich auch amüsieren können.

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In der Fiffibar sind Hunde-Dekorationen allgegenwärtig.

Sind Bars in Köln zu wenig originell gestaltet?

Viele sehen einheitlich aus und verwenden das gleiche Mobiliar von ein und demselben Hersteller, wie dem Internetversand Go In. Ikea-Möbel sind ein No-Go in einer Bar. Diese Gesichtslosigkeit von Lokalen oder auch die Annäherung an das Amerikanische bei den Barnamen finde ich nicht gut. In Städten wie Berlin gibt es mehr Innovation, auch was Wortwitz oder Originalität angeht. Ich würde es begrüßen, wenn Lokale sich mehr anstrengen würden. Die Fiffibar jedenfalls ist nie kopiert worden, auch nicht im Ausland.

Apropos: Sie feiern in diesem Jahr 20-jähriges Jubiläum. Was war Ihr persönlicher Höhepunkt der letzten Jahre?

Ein Konzert der Amerikanerin Kaki King, die laut „Spiegel“ irgendwann später ihren ersten Deutschland-Auftritt in Berlin hatte, was aber nicht stimmt. Der fand hier statt. Sie ist eine Singer-Songwriterin, die in den Staaten recht bekannt ist. Mit ihrer Gitarre und ihren Effekt-Geräten erzeugt sie Klangteppiche, die erstaunlich und interessant sind. Das Konzert war an einem Karnevalssonntag und wurde nur über Mundpropaganda kommuniziert. Andere Highlights...? Ich bin nicht jemand, der sich mit Prominenz schmückt, auch wenn einige schon hier waren, wie Kiefer Sutherland. Er hat den ganzen Abend nur Whiskey getrunken. Es gibt aber kein Foto davon. Das ist nicht mein Ding, mich mit Promis fotografieren zu lassen.

Zur Person und zur Bar

Raimund Eck ist 55 Jahre alt und gebürtiger Kölner. Sein Einstieg in die Gastronomie erfolgte parallel zum Studium, das er nach einigen Semestern abbrach. Er war „Klomann“ im Luxor und arbeitete insgesamt acht Jahre dort. Dann machte er sich selbstständig, führte 16 Jahre lang das Restaurant „Spielplatz“ und einige Jahre die „Galama-Bar“.

Die Fiffibar wurde 1999 zunächst in der Rolandstraße 99 eröffnet. Vor zehn Jahren zog sie dann aufgrund fehlender Außengastronomie in ein größeres Lokal am Severinswall 35. Neben der auffälligen Einrichtung, die dem Hund gewidmet ist, ist Eck Liebhaber der elektronischen Musik: das Genre seiner Wahl an so gut wie jedem Abend.

Im Jubiläumsmonat Oktober finden in der Fiffibar einige Veranstaltungen statt: Am Freitag, 18. Oktober, gibt es einen DJ-Abend unter dem Titel „Hanks 66/ A music Roadtrip“, am Samstag, 19. Oktober, findet ein Karaoke-Abend statt, am Dienstag, 22. Oktober, eine Lesung mit Jonas Baeck über seine Reise mit dem Roller nach Dublin und am 26. Oktober gibt es einen weiteren DJ-Abend mit dem Titel „Paul’s Attitude“. (gam) 

Sie bieten viele Veranstaltungen von Comedy, Karaoke bis zu Quiz-Abenden an. Ist es heute schwieriger geworden, seinen Laden vollzubekommen?

Auf jeden Fall. Das Ausgehverhalten halt sich massiv geändert. Es gibt so viele Möglichkeiten zuhause, sich zu unterhalten wie Netflix, Playstation. Auch durch die Fitnesswelle. Die Leute trinken nicht mehr so viel und gehen weniger aus. Da muss man sich etwas überlegen, um neue Gäste zu gewinnen.

Gerade auch die Quiz-Abende in Kneipen sind seit Jahren besonders beliebt. Was ist der Reiz?

Die Geselligkeit und die Herausforderung beziehungsweise Erwartung, dass dem Gast Geistiges abverlangt wird. Und der Wettkampf natürlich. Bei meinem Quiz spielen die Gäste untereinander, ich moderiere. Das Quiz ist aufwendig, denn ich visualisiere alles und benutze keine Zettel. Für besonders schlaue Köpfe oder für ganz falsche Antworten, die aber zur Erheiterung des Abends beigetragen haben, gibt es Eierlikör. Die Gewinner bekommen den Wanderpokal, den ich unter anderem aus einer Schüssel, einem Cocktailshaker und einer Lampe gebaut habe.

Die Südstadt ist das wohl kölscheste Veedel. Schlägt sich das auch bei den Gästen nieder?

Bei mir ist die Sprache an der Theke nicht Kölsch. Da gibt es andere Läden in der Südstadt, wo man direkt den kölschen Singsang hört. In meinem eigenen Ausgehverhalten bin ich nicht so der Freund davon. Ich bin zwar selbst gebürtiger Kölner, aber dieses Kölle-Gehabe geht mir auf den Zeiger. Sprich: Die Stadt ist jetzt nicht so schön, dass man sie so hoch loben muss. Der Karneval wird auch überbewertet und ist übervertreten. Ich mag es nicht, wenn ich außerhalb der Session in einen Laden gehe und Karnevalsmusik läuft.

Das sind entschiedene Worte. Sie feiern doch selbst Karneval in der Fiffibar.

Wir feiern hier auch Karneval, aber nur zu der Zeit, wo es angebracht ist, an den sechs Tagen. Alles darüber hinaus, wie Jeck im Sunnesching, finde ich ganz schlimm. Das birgt die Gefahr, dass Köln zum Ballermann der Nation wird. Die Leute aus dem Umland fallen hier ein. Das sind leider negative Entwicklungen. Das hat mit dem urtypischen Karneval nichts zu tun, das ist Kommerz.

Zurück zur Südstadt. Wie ist es um das Nachtleben hier bestellt?

Die Südstadt ist zweigeteilt. Man hat den Ring als eine Art Äquator. Auf der anderen Seite wohnt das besser situierte Publikum. Deswegen laufen in der Südstadt primär Speiselokale gut. Auf dieser Seite ist es etwas proletarischer und durchwachsen: Hartz IV ist ein Thema, und es gibt einen hohen Migrationsanteil. Es gibt Tage, da ist nicht viel los, weil es dem Eigentumswohnungs-Publikum reicht, beim Italiener zu essen und nach dem Grappa nach Hause zu gehen. Für die jüngeren Leute gibt es in der Südstadt schon ein paar Hotspots. Zum Beispiel Im Ferkulum die Wodkabar Kajtek. Das brummt wie jeck, obwohl die Einrichtung nicht originell ist. Dann gibt es den Schnörres. Ich selbst habe gern durchmischtes Publikum, bin mit 55 Jahren auch nicht mehr der Jüngste.

Was ist Ihnen bei den Getränken wichtig?

Ich biete eine Mischung aus Klassikern und Eigenkreationen an. Das Hunde-Thema zieht sich auch durch die Getränkekarte. Es gibt zum Beispiel „Tollwut“ oder „Königspudel“. „Tollwut“ besteht aus Gin mit Rhabarber, Orangensaft und Pfirsichlikör. Ich probiere aus und schaue, ob die Zutaten zusammenpassen. Wenn es schmeckt, nehme ich es auf. Beim „Königspudel“ ist aber der Name ausschlaggebend, die Gäste schauen nicht unbedingt auf die Inhalte, sondern finden es lustig und bestellen es. Für die Klassiker habe ich eine Auswahl von ungefähr 30 Ginsorten, die seit Jahren gut laufen. Der Trend hört nicht auf. Ich versuche, den Leuten auch Getränke anzuraten, die man nicht überall bekommt, wie den Gin Julep: mit Petersilie und im Silberbecher. Das trank der englische Adel gerne bei Pferderennen. Man sollte sich immer was Neues einfallen lassen, das Spektrum ist groß. Es gibt über 10000 Cocktails.

Haben Sie noch weitere Projekte für die Zukunft?

Ich würde gerne einen Klassik-Abend mit Live-Musik von Studenten von der Musikhochschule einrichten.

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