Carsten Dübbers ist Polizist und promovierter Soziologe, aktuell Kripochef in Bochum. In Köln hat er die Silvesternacht mit aufgearbeitet.
Köln 2015/16Was war die zentrale Lehre aus der Silvesternacht für die Polizei, Herr Dübbers?

Carsten Dübbers ist promovierter Soziologe und derzeit Kripochef der Polizei Bochum.
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Zehn Jahre nach der Kölner Silvesternacht 2015/2016, in der hunderte Menschen, vor allem Frauen, vor dem Hauptbahnhof beraubt und sexuell belästigt wurden, hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit unterschiedlichen Menschen über die Nacht und ihre Folgen gesprochen.
Wir haben gelernt, dass man bei der Planung von Einsätzen nicht nur Polizeistatistik, sondern verstärkt auch gesellschaftliche Entwicklungen mitberücksichtigen muss. Wenn wir heute eine Einsatzplanung haben, schauen wir natürlich genau hin, was in der Welt gerade passiert und ob es hier einen Einfluss geben kann.
Ganz neu ist das nicht, das hat man auch 2015 schon gemacht. Aber heute ist man da wesentlich sensibler. Die Welt ist komplexer geworden. Wir halten gesellschaftliche Entwicklungen intensiver im Blick, unabhängig von einzelnen herausragenden Ereignissen. Wir schauen bei der Beurteilung einer Lage verstärkt auf das Ganze, denken auch häufiger in Szenariotechniken. In dieser Hinsicht war die Kölner Silvesternacht sicher ein Augenöffner.
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Die Polizei ist viel offener geworden.
Silvester war ja nicht nur in Köln eine Einsatzlage, die über viele Jahre immer gleichgelaufen war – und auch immer wunderbar funktioniert hat. Bis zum Jahr 2015. Im Nachhinein muss man sagen, dass es damals gesellschaftliche Umbrüche gab. Zudem hatten wir erste Erkenntnisse über nordafrikanische Straftäter, die in den Monaten vorher mit dem Antanz-Trick in Köln aufgefallen waren. Heute würde man das alles in der Einsatzplanung für ein Großereignis berücksichtigen. Wir stellen uns hier viel breiter auf.
Auch bei einer weiteren Entwicklung war die Kölner Silvesternacht ein Baustein: Seit einigen Jahren holt sich die Polizei immer mehr Kompetenz von außen ins Haus – und zwar nicht nur als Diskussionspartner. Sondern auch, indem sie externe Experten einstellt, IT-Spezialisten zum Beispiel, Kriminologinnen oder Psychologen. Auch Experten aus Wissenschaft und Forschung und gesellschaftliche Gruppen werden häufiger miteinbezogen – und warum auch nicht?
Viele gesellschaftliche Probleme kann die Polizei nicht allein lösen, also holt sie sich kluge Leute von außen dazu. Aber das hätte es früher so nicht gegeben. Da hat sich in den Köpfen etwas geändert, und die Polizei ist viel offener geworden.
Aufgezeichnet von Tim Stinauer

