Post vom Inkasso-AnwaltKölner Ex-OB-Kandidat wittert Abzocke mit Mautgebühren aus Italien

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Stau an einer Mautstation am Garadasee in Italien.

Eine Mautstation am Gardasee in Italien - zahlbar ist die Autobahngebühr mit Bargeld, Karte oder Telepass-Gerät. Die Telepass-Spur ist gelb markiert.

Ein Kölner Ex-Polizist hat Post von einem Inkasso-Unternehmen bekommen: Angeblich hat er italienische Mautkosten nicht beglichen.

Waren Sie in den vergangenen zehn Jahren mit dem Auto in Italien? Oder planen Sie zu Ostern eine Reise dorthin? Dann könnte demnächst Post von einem Inkasso-Anwalt in Ihrem Briefkasten liegen. Grund sind die Mautgebühren auf italienischen Autobahnen. Angeblich, so steht es in den Schreiben, die zurzeit auch in Köln wieder kursieren, habe man vor Ort die Gebühren nicht bezahlt.

Aber sind diese Forderungen, die erst nach zehn Jahren verjähren, wirklich rechtens? Oder handelt es sich um einen Irrtum – oder vielleicht sogar um Betrug?

Kölner muss 53,28 Euro Maut nachzahlen – zu Unrecht, wie er betont

Andreas Kossiski erhielt einen solchen Brief in der vorigen Woche. Er ist schwer verärgert. „Das ist Abzocke, nichts anderes“, ist der ehemalige Kölner OB-Kandidat (SPD) und Ex-DGB-Chef überzeugt. Absender des Schreibens ist eine deutsch-italienische Anwaltskanzlei aus Süddeutschland. Sie arbeitet im Auftrag einer italienischen Autobahngesellschaft. Kossiski, ein pensionierter Polizeioberrat, lebt mit seiner italienischen Ehefrau in Köln, beide verbringen aber auch einen Großteil des Jahres in ihrem Haus an der ligurischen Küste.

Um an den Mautstationen auf den italienischen Autobahnen nicht immer abgezähltes Bargeld in der Tasche haben oder die EC- oder Kreditkarte herauskramen zu müssen, haben sie als Vielfahrer eine so genannte Telepass-Box in ihrem Auto installiert. Die Box registriert die zurückgelegten Strecken via GPS. Die Gebühren werden automatisch berechnet und die fälligen Mautbeträge alle paar Monate vom Konto eingezogen.

Steht da jemand an der Autobahnabfahrt, fotografiert die Nummernschilder deutscher Touristen und schickt denen dann einen Brief?
Andreas Kossiski, pensionierter Polizist aus Köln

Und trotzdem nun die Anwaltspost, adressiert an Kossiskis Frau: „Es wurde festgestellt, dass mit dem Fahrzeug, dessen Halter Sie sind, die von unserer Mandantschaft betriebene Autobahn 10 befahren worden ist, ohne dass Mautgebühren beim Verlassen der Autobahn bei der Ausfahrt bezahlt wurden.“ Geschehen sei das Ganze im März vorigen Jahres. Zu der angeblich nicht bezahlten Maut von 9,60 Euro addieren sich Gebühren für die Bearbeitung, für die Ermittlung des Kennzeichen-Halters beim Kraftfahrtbundesamt sowie Anwaltskosten. Der Gesamtbetrag: 53,28 Euro, zu zahlen innerhalb von 14 Tagen. 

Andreas Kossiski witterte sofort Betrug und fragt sich: Woher haben die unser Kennzeichen und das Foto? „Steht da etwa irgendjemand an der Autobahnabfahrt, fotografiert die Nummernschilder deutscher Touristen und schickt denen dann einen Brief?“

ADAC weist darauf hin, dass viele Maut-Nachforderungen berechtigt sind

Der Anwalt in Süddeutschland antwortet dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage, aus seinen Unterlagen ergebe sich, dass der Fahrer entweder ohne Telepass-Gerät gefahren sei „oder auf einer Spur, die nicht als Telepassspur vorgesehen war.“ Und weiter: „Außerdem wurde durch unsere Mandantin nach genauerer Überprüfung mitgeteilt, dass derzeit kein Telepassgerät zu diesem Kennzeichen registriert ist bzw. kein Telepassvertrag zugeordnet werden konnte.“

Kossiski schäumt. „Alles Blödsinn“, sagt er – und zeigt einen Kontoauszug von Telepass, der belegt, dass genau die in Rede stehende Summe von 9,60 Euro für den fraglichen Tag längst abgebucht wurde – und darüber hinaus seitdem zahlreiche weitere Beträge.

Maut-Abzocke: Inkasso-Post wegen nicht bezahlter Maut in Italien auch gerechtfertigt

Doch so sehr sich aufdrängt, dass hier ein Irrtum vorliegt, so häufig ist Inkasso-Post wegen nicht bezahlter Maut in Italien auch gerechtfertigt. Darauf weist der ADAC ausdrücklich hin. Denn – für viele erstaunlicherweise – öffnen sich die Schranken an den Mautstationen in der Regel auch dann, wenn der Fahrer gar nicht bezahlt hat, zum Beispiel weil die EC-Karte nicht akzeptiert wurde. Oder weil man versehentlich als Nicht-Telepass-Kunde die Spur für Telepass-Kunden benutzt hat. Dann bleibt die Schranke zwar zunächst unten. Aber drückt man den Hilfeknopf an der Schrankenanlage, öffnet sie sich, auch ohne Bezahlung.

Was viele nicht wissen: Bezahlen müssen sie trotzdem, und zwar nachträglich. „Die Autofahrer bekommen nach Drücken des Hilfeknopfes eine Quittung mit der Aufschrift ‚Mancato pagamento‘, übersetzt: ‚Nicht bezahlt‘ zum Zweck späterer Nachzahlung“, informiert der ADAC. Doch viele übersehen vermutlich die Quittung, die aus dem Automaten kommt – oder sie verstehen das italienische „mancato pagamento“ nicht. Nachzahlen kann man entweder bei den Servicestellen der Autobahngesellschaft („Punto Blu“), die sich an größeren Rastplätzen befinden oder innerhalb von 15 Tagen per Überweisung an die zuständige Autobahngesellschaft.

ADAC gibt Empfehlungen zu Maut-Nachforderungen ab

Der ADAC empfiehlt grundsätzlich: „Sofern keine Gründe für einen Einspruch vorliegen, empfehlen wir die Mautnachforderung inklusive Gebühren innerhalb der gesetzten Frist zu bezahlen. Ansonsten können im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung höhere Kosten anfallen.“

Andreas Kossiski weicht keinen Millimeter von seiner Ansicht ab, hat sich aber nun mit der Anwaltskanzlei geeinigt: Gebühren und Anwaltskosten entfallen, fällig werden nur die 9,60 Euro Mautgebühr. Die hat er dann zwar zweimal bezahlt. Aber es ergebe einfach keinen Sinn, sagt Kossiski, „wegen 9,60 Euro einen Rechtsstreit anzufangen“.

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