Ohne die gewohnte Durchsage wird Gerhard Stolls täglicher Arbeitsweg zur Tortur. Nach Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ reagiert die KVB.
Immer wieder defektBlinder Pendler klagt über fehlende Lautsprecheransagen am Appellhofplatz

Ohne die gewohnte Durchsage wird Gerhard Stolls Arbeitsweg zur Tortur.
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An einem Montagvormittag im Juli steht Gerhard Stoll an Gleis zwei am Appellhofplatz und deutet mit seinem Blindenstock in die Richtung einer einfahrenden Straßenbahn. „Wie Sie hören“, sagt Stoll dann, „hören Sie nichts.“ Gemeint sind nicht die quietschenden Gleise, diese sind deutlich zu hören. Gemeint ist die Lautsprecheranlage, die eigentlich ansagen soll, welche der vier verschiedenen Bahnen, die hier halten, gerade einfährt. Seit mittlerweile zwei Jahren, sagt Stoll, ist die Anlage immer wieder defekt. „Und für mich sind diese Ansagen essenziell, denn ohne sie weiß ich nicht, ob ich in Ehrenfeld lande oder am Hauptbahnhof, wenn ich in die Bahn steige.“
Stoll, 57 Jahre alt, ist vor rund 30 Jahren durch einen Unfall erblindet. Seitdem fährt er täglich mit der Straßenbahn von seinem Wohnort zu seinem Arbeitsplatz am Appellhofplatz. „Ich bringe also gewissermaßen drei Jahrzehnte Berufserfahrung mit dem Blindenstock mit“, sagt er.
„Ringkämpfe“ in der KVB wegen fehlender Lautsprecheranlage
In vielen Bereichen habe sich die Barrierefreiheit in dieser Zeit verbessert, sagt er. „Damals musste ich noch mit Begleitung Straßenbahn fahren oder mich durchfragen. Das ist durch die technische Entwicklung deutlich einfacher geworden“, sagt Stoll und meint vor allem die Lautsprecheranlagen. „Aber dann müssen sie auch wirklich funktionieren.“
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Nachdem die Anlage am Appellhofplatz zwischenzeitlich wieder funktioniert hatte, ist sie laut Stoll seit April erneut außer Betrieb. Seitdem muss er sich täglich durch den Trubel des Großstadtverkehrs am Appellhofplatz durchfragen – was mitunter zu skurrilen Situationen führt. „Die meisten Menschen sind heute praktisch dauerhaft mit Kopfhörern unterwegs und starren auf ihr Handy. Es ist gar nicht so einfach, überhaupt jemanden zu finden, der einem Auskunft geben kann“, erzählt er.
Teilweise komme es zu regelrechten „Ringkämpfen“, so Stoll, „zwischen mir und einigen ‚Helfern‘, da sie die Kopfhörer nicht absetzen und die Situation falsch interpretieren, nicht zuhören und der Meinung sind, mir in die Straßenbahn helfen zu müssen“. Nur, indem sich Stoll dagegen wehrt, verhindert er, mit der Straßenbahn in die falsche Richtung zu fahren. „Man mag darüber schmunzeln, aber für mich ist das dramatisch“, so Stoll.
Verantwortlich für den Ausfall der Lautsprecher sei eine „defekte Baugruppe im lokalen Rechner“, sagt ein KVB-Sprecher auf Anfrage. „Diese Baugruppe ist nicht mehr vorrätig und muss erst beschafft werden.“ Für die Übergangszeit habe die KVB nun ein Provisorium umgesetzt. Sie nutzt den Lautsprecher, die in der neuen Anzeige an der Haltestelle integriert ist. Und tatsächlich: Bei einer Stichprobe Anfang August funktioniert die Ansage wieder.
Laut der KVB ist die ausgefallene Ansage am Appellhofplatz ein Einzelfall. Trotzdem sagt der Sprecher: „Wir bedauern die Beeinträchtigungen, die unseren sehbehinderten Fahrgästen durch den Ausfall der Lautsprecheranlage entstanden sind.“
Was Stoll jedoch noch mehr ärgert als die defekte Anlage, ist die aus seiner Sicht unzureichende Kommunikation seitens des Verkehrsunternehmens: „Seit zwei Jahren weise ich die KVB in mehreren Mails immer wieder auf die kaputte Anlage hin. Aber zurück kommt fast nichts“, so Stoll. „Wenn man mir sagen würde: ‚Es ist schwierig, die Ursache zu finden‘, oder ‚Der Umbau der Anlage ist kompliziert‘ – dafür hätte ich Verständnis. Aber so, wie es läuft, fällt mir das schwer.“