Denkmalschutz gefährdetColonia-Hochhaus bekommt Glasbalkone auf Probe

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Colonia

Das Colonia-Hochhaus prägt die Silhouette Kölns.

Köln – Für Deutschlands ehemals höchstes Wohnhochhaus haben die Architekten nach vielen Jahren eine Lösung gefunden, die teils maroden Balkone zu sanieren – doch das gefährdet den Denkmalstatus des 147 Meter hohen Colonia-Hochhauses in Riehl. Es handelt sich laut Architekt Norbert Wansleben um bedrucktes Glas, dessen Aussehen dem bisher verwendeten Waschbeton nahe kommen soll.

Die früher unterschätzten Windkräfte werden demnach nun besser auf die gesamte Fläche der Brüstung verteilt, unter anderem ein Pfosten sorgt dafür. Wansleben sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Wir sind davon überzeugt, dass es sich dabei um die richtige Lösung handelt. In der städtischen Perspektive ändert sich das Erscheinungsbild des Hauses nicht. Der monolithische Eindruck der Hochhausskulptur bleibt erhalten.“

Stadtkonservator Thomas Werner ist zurückhaltender: „Inwieweit das charakteristische Erscheinungsbild des Hochhaus nach der Sanierung noch erhalten ist, können wir erst nach Fertigstellung der Arbeiten fachlich beurteilen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist das Denkmal untergegangen und muss aus der Denkmalliste ausgetragen werden. Als Stadtkonservator und Denkmalpfleger wäre dies ein herber Verlust eines qualitätvollen Hochhauses, das nicht nur ein wichtiges Zeitzeugnis für die national bedeutenden Hochhäuser der 70er Jahre darstellt, sondern auch als architektonische Skulptur das Kölner Stadtbild und nördliche Rheinpanorama bereichert.“

Es ist das erste Mal in Werners zehnjähriger Amtszeit, das er den Denkmalstatus nach der Sanierung überprüft.

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Neben dem Denkmalschutz geht es aber auch um viel Geld für die rund 300 Besitzer der 352 Wohnungen. 20 Millionen Euro sind zunächst angesetzt. Zusätzlich zu den insgesamt fünf Kilometer Balkonbrüstungen soll die Fassade aufgehübscht werden. Ein Bewohner sagte: „Ich warte seit Jahrzehnten, dass endlich etwas mit den Balkonen passiert.“ Eine andere Bewohnerin meinte: „Schöner wird es auf keinen Fall. Das Haus verliert seine charakteristische Erscheinung.“ Beide Bewohner wollen anonym bleiben.

Streit über Lösung für Balkone am Colonia-Hochhaus 

Laut Hausverwalter Michael Petr sind 712 Euro je Quadratmeter Wohnung als Beitrag zur Sanierung vorgesehen. Heißt: Für eine Wohnung mit 34 Quadratmetern muss ein Besitzer laut Petr rund 24.200 Euro bezahlen, für 118 Quadratmeter sind 84.000 Euro fällig. Das ist kein Kleingeld, deshalb gab es in der Vergangenheit immer mal wieder Streit, welche Lösung für die Balkone am besten und am günstigsten ist. Und 2015 kam der Denkmalschutz dazu und verkomplizierte die Sanierung.

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So sollen die neuen Balkone aussehen.

Schon seit 1985 – nur zwölf Jahre nach der Eröffnung – machen die Balkonbrüstungen an Kölns zweithöchstem Haus nach dem Kölnturm im Mediapark (149 Meter) Probleme, teils handtellergroße Betonteile platzten laut Wansleben ab, die Brüstungen mussten mit Klammern gesichert werden. An der Eingangsseite steht ein Schutzgerüst, zweimal im Jahr suchen Fassadenkletterer die Oberfläche nach Schwachstellen ab.

Mehrere Probleme an den Balkonen

Das Problem mit den Balkonbrüstungen besteht laut Wansleben aus mehreren Gründen. Erstens: Die Planer hatten beim Bau die Windkraft um 50 Prozent unterschätzt. Zweitens: Sie sind nur von statischen Belastungen ausgegangen, es gibt aber auch dynamische wie Schwingungen, die das Material ermüden. Und drittens: Die Brüstungen sind mit rostanfälligem Schwarzstahl auf der Balkonplatte befestigt worden.

Wansleben und seine Kollegen mussten also den Denkmalschutz beachten, die fehlerhafte Konstruktion beheben und dabei möglichst kostengünstig arbeiten. Wansleben sagte: „Das ist eine richtige Kniffelaufgabe gewesen.“

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Das Bild stellt das alte und neue Material gegeneinander (links). Rechts der Testbalkon am Hochhaus.

Der Vorteil laut Wansleben: Anders als früher können die Bewohner von innen durch das bedruckte Glas nach außen schauen, wo sie früher gegen Beton schauten. Die Brüstungen hatten allerdings kleine Sichtfenster, das bleibt auch bei der neuen Lösung. Die Frage ist aber, wie es von außen aussieht, ob das Hochhaus sein Erscheinungsbild behält.

Laut Stadtkonservator Thomas Werner gibt es eine denkmalgerechte Lösung: Die alten Waschbetonplatten gegen neue, leichtere auszutauschen, das Erscheinungsbild bliebe dann erhalten, doch das sei sehr teuer und dem Denkmalschutzgesetz nach müsse eine Sanierung finanziell zumutbar sein.

Glasbalkone wären günstigere Lösung

Daten und Fakten

Höhe: 147 Meter (mit Antenne 155 Meter). Damit ist es nach dem 149 Meter hohen Kölnturm im Mediapark das zweithöchste Haus in Köln. Der Dom ist 157 Meter hoch. Das Haus hat 45 Etagen und vier Aufzüge für je 18 Personen.

Name: Die Colonia-Versicherung hat den Wohnturm bauen lassen, in den 1990er-Jahren kaufte die Axa die Colonia, der Schriftzug der Axa prägt das Gebäude an seiner höchsten Kante.

Nutzung: 352 Wohnungen sind in dem Haus versammelt, dazu kommen Schwimmbad, Saunen, ein 24-Stunden-Pförtner-Dienst. Rund 60 Prozent der Wohnungen nutzen die Eigentümer selbst, 40 Prozent sind vermietet.

Das trifft laut Werner auf die neue Glaslösung zu, obwohl sie nicht der ursprünglichen Materialität entspreche und das Erscheinungsbild des Hochhauses deutlich verändern werde, musste er laut eigener Aussage diese Variante auf Grund der finanziellen Zumutbarkeit gemäß der Gesetzeslage genehmigen. Die finanzielle Zumutbarkeit ist laut Werner eine sehr komplexe Frage.

Ob die 20 Millionen Euro tatsächlich ausreichen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen, wenn die Ergebnisse der Ausschreibungen der Arbeiten vorliegen. Auch beim Colonia-Hochhaus spielen Corona, die gestiegenen Baupreise oder die unterbrochenen Lieferketten wegen des Ukraine-Kriegs eine Rolle. Läuft alles wie geplant, sollen die Arbeiten im Frühjahr 2023 starten und gut zweieinhalb Jahre dauern. Das ist aber eine aktuelle Momentaufnahme, das Projekt ist unter anderem auch vom Wetter und im Speziellen wegen der Höhe vom Wind abhängig.

Die Baustelle wird ziemlich spektakulär: Zwei Kräne auf dem Dach, Transport- und Mastkletterbühnen sollen die Arbeiten in luftiger Höhe möglich machen. Die Kräne sind für den Transport des Baumaterials gedacht. Für eine Etage brauchen die Spezialisten zwei Wochen, sie gehen in drei Schritten vor: Auf den Rückbau folgt der Schutzanstrich, danach die neue Brüstung. Auf dem Parkhaus stehen die Container für die Arbeiter. 

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