„Stümperhaft zusammengebastelt“Wie der Sprengkörper im Deutzer Feld gefunden wurde

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Ermittler der Polizei inspizieren den Zug, in dem die Sprengvorrichtung lag.

Ermittler der Polizei inspizieren den Zug, in dem die Sprengvorrichtung lag.

  • Am Samstag gab es einen Großeinsatz in Köln-Deutz.
  • Auf dem Betriebsbahnhof Deutzer Feld war in einem Zug ein Sprengsatz gefunden worden.
  • Rekonstruktion der Abläufe von Freitagabend bis Samstagabend.

Köln – Es ist nach 22 Uhr am Freitagabend, als eine Reinigungskraft der Deutschen Bahn eine Toilettenkabine in einem Regionalzug öffnet, der auf dem Deutzer Feld abgestellt ist – der große Betriebsbahnhof unterhalb der Stadtautobahn, gleich gegenüber vom Odysseum in Kalk.

Neben dem Klo liegt ein Gegenstand, den ein Ermittler später als einen auf den ersten Blick „Klumpatsch aus Papier“ bezeichnen wird, „aus dem etwas heraushing“. Die Reinigungskraft hebt das Päckchen hoch, trägt es durch den Gang und legt es draußen vor dem Zug ab, um die Toilette putzen zu können. Etwas später macht sie einen Vorgesetzten auf das seltsame Päckchen aufmerksam. Gemeinsam überlegen die beiden, was zu tun ist. Schließlich alarmiert der Vorgesetzte die Bundespolizei. Der Verdacht: Es könnte sich um eine Bombe handeln.

Der Betriebsbahnhof Deutzer Feld in Kalk

Der Betriebsbahnhof Deutzer Feld in Kalk

Erst 20 Stunden später, am Samstagabend, steht fest, dass von dem Gegenstand laut Polizei zu keinem Zeitpunkt eine ernste Gefahr ausging – offenbar, weil die selbst gebaute Vorrichtung aus Schwarzpulver, Nägeln und einer Art Zündschnur stümperhaft zusammengebastelt war. Oder war diese Bauweise Absicht, weil der Sprengkörper gar keinen schweren Schaden anrichten sollte?

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Offene Fragen

Noch sind viele Fragen offen, vor allem die nach dem Verursacher und seinem Motiv. Handelt es sich um einen makabren Scherz? Um einen Erpressungsversuch? Oder um einen gescheiterten Anschlag – und falls ja, wären die Täter womöglich im islamistischem Umfeld zu suchen? Oder im rechtsextremen?

Noch während Sprengstoffexperten des Landeskriminalamts (LKA) den Gegenstand am Samstagnachmittag untersuchen, beginnen Ermittler der Polizei Köln damit, Videomaterial aus Zügen und Bahnhöfen zu sammeln und zu sichten, um herauszufinden, wer den Sprengsatz in der Bahn abgelegt haben könnte. Das Nagelpaket könnte während der Fahrt im Zug deponiert worden sein oder an der Endstation. Die Abteilung Staatsschutz sei in die Ermittlungen eingebunden, betont ein Polizeisprecher am Abend. Er sagt, man halte den Fokus offen und ermittele „in alle Richtungen“. Auch am Sonntag veröffentlichte die Polizei keine neuen Ermittlungsergebnisse.

Nachdem Bundespolizisten den verdächtigen Gegenstand am Freitagabend vor dem Regionalzug oberflächlich untersucht hatten, alarmierten sie ein Team von Kollegen, die auf Sprengstoff spezialisiert sind. Die bauten das Päckchen mit dem Schwarzpulver vor Ort technisch so um, dass sie es gefahrlos zur weiteren Untersuchung zu einem Bunker in der Nähe des Flughafens transportieren konnten, den die Bundespolizei für die Untersuchung gefährlicher Stoffe nutzt. Sachverständige des LKA gaben dann wenige Stunden später Entwarnung.

„In der Auffindesituation war der Gegenstand nicht zündfähig, und von ihm ging keine Gefahr aus“, teilte ein Polizeisprecher am späten Samstagnachmittag mit. Der Bausatz wäre demnach überhaupt nur zündfähig gewesen, wenn er mit einer offenen Flamme in Berührung gekommen wäre. Und selbst dann wäre es wohl bei einer „kleinen Flammenbildung mit Funkenflug“ geblieben, die Nägel wären laut Polizei „nur wenige Zentimeter bewegt“ worden. Eine Gefährdung sei „äußerst unwahrscheinlich“ gewesen.

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Um auszuschließen, dass sich in weiteren auf dem Deutzer Feld abgestellten Zügen ähnliche Sprengvorrichtungen befanden, durchsuchte die Polizei mit 20 Sprengstoffspürhunden aus NRW und Rheinland-Pfalz alle 27 Züge auf dem Betriebshof – außerdem einen Zugteil, der bereits im Laufe des Freitags in Gummersbach von jener Bahn abgekoppelt worden war, in der der Brandsatz am Abend in Köln gefunden wurde. Einen weiteren verdächtigen Gegenstand fand die Polizei aber nicht.

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