Coach Faisal Neumann ist schockiert von den Erlebnissen auf dem Platz und wirft dem Fußball-Verband Mittelrhein „reine Symbolpolitik“ vor.
Trainer beklagt MeldeverfahrenEhrenfelder Nachwuchskicker werden wiederholt rassistisch beleidigt

Coach Faisal Neumann mit seiner U12 des TuS Ehrenfeld 1865.
Copyright: Arton Krasniqi
Wie tröstet ein Zehnjähriger seinen neun Jahre alten Teamkameraden, der in einem Fußballspiel wegen seiner Hautfarbe von einem Gegner menschenverachtend beschimpft worden ist? Dem die Tränen laufen, weil er schockiert und tief verletzt ist? Ben wählte einen so wunderbar pragmatischen Satz, wie er nur Kindern einfällt. Er sagte zu Anthony: „Hör nicht auf den!“ Der Spruch des gegnerischen Jungen sei schließlich „unnormal schlecht“ gewesen.
So erzählt es der junge Fußballer des TuS Ehrenfeld 1865 eine gute Woche nach dem Vorfall Mitte November. Dann rennt er wieder aufs Feld, wo an diesem späten Nachmittag unter Flutlicht ein Training seiner U12-Mannschaft stattfindet. Dass diese sich erst im vergangenen Sommer gegründet hat, zum Teil aus einer Bolzplatz-Clique, merkt man dem Spiel der jungen Kicker nicht an. Der Ball läuft locker von Fuß zu Fuß, die Jungs arbeiten hoch konzentriert, der Trainer wirkt zufrieden.
Sportlich kann Faisal Neumann nicht klagen, sein Team steht in der D7-Kreisklasse punktgleich mit dem Tabellenführer auf Rang zwei. Es sind Szenen wie jene Mitte November, die dem Coach Sorgen bereiten. Mehr als das: die ihn fassungslos und wütend machen. Neun seiner 14 Fußballer sind Schwarze Deutsche. Und zwischen Juli und November wurden sie in acht Spielen rassistisch beleidigt, vornehmlich von zuschauenden Eltern am Spielfeldrand, zuletzt aber eben auch von einem gegnerischen Kind auf dem Platz.
Alles zum Thema Westdeutscher Rundfunk
- „Kein freundliches Land“ Armin Mueller-Stahl denkt übers Auswandern nach
- Unfälle Chemische Flüssigkeit ausgelaufen - Einsatz an Gymnasium
- Zehn Jahre nach Köln Wie Medien nach Silvester 2015 mit der Herkunft von Tätern umgehen
- Filmstandort NRW in Gefahr Kölner Produzenten kritisieren Reformpläne scharf
- Bilder aus Überwachungskamera Rund 20 Hinweise nach Brandanschlag auf Kölner Maus-Statue
- Sexueller Missbrauch Erzbistum Köln zahlt Betroffener freiwillig 360.000 Euro
- US-Sanktionen gegen Deutschland? Politikwissenschaftler warnt bei „Maischberger“ vor „Extremszenario“

Neun der 14 Ehrenfelder U12-Fußballer sind Schwarz.
Copyright: Arton Krasniqi
Seither begehrt Neumann laut dagegen auf. Und er verzweifelt an den offiziellen Melde- und Kommunikationswegen des Fußball-Verbandes Mittelrhein (FVM). Diese seien intransparent, „das System funktioniert nicht“, sagt er. Dem Verband, vor allem dem Kreis Köln innerhalb des FVM, wirft er „reine Symbolpolitik“ vor. Es sei bisher „nichts Konkretes“ unternommen worden, obwohl er seit Wochen beim Verband, in den Medien und auf Social Media auf das Problem hinweise. Er bekomme aus ganz Deutschland Rückmeldungen von anderen Fußballtrainern, die von ähnlichen Erlebnissen mit Schwarzen Spielern berichten. Aber eine Aufarbeitung und eine klare, öffentliche Positionierung vonseiten des Verbandes bleibe aus, sagt Neumann: „Wir fühlen uns alleingelassen mit diesen Vorfällen.“
In seiner bisherigen Kommunikation mit dem FVM, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, geht es in erster Linie um die vorgesehene Meldeprozedur bei rassistischen Beleidigungen. „Wenn ich heute vergesse, einen Spielbericht rechtzeitig freizugeben, habe ich morgen schon die Aufforderung zur Strafzahlung vorliegen“, empört sich Neumann: „Aber wenn meine Jungs immer wieder rassistisch beleidigt werden, passiert nichts, außer dass man mit uns darüber diskutiert, wo und wann das wie hätte gemeldet werden müssen.“
In einem Offenen Brief an den Fußball-Verband Mittelrhein sind acht Rassismus-Vorfälle aufgelistet
Mitte November, einige Wochen nachdem er die ersten Vorfälle über den WDR publik gemacht hatte, schickte Neumann einen sehr eindringlichen Offenen Brief an den FVM. Darin sind die acht Rassismus-Vorfälle bei Spielen mit Datum und genauer Beschreibung aufgelistet. Immer wieder wurden die Kinder von Fans der gegnerischen Mannschaften auf unterschiedliche Art rassistisch beschimpft. Der FVM antwortete in einer Mail: „Vorfälle wie die von dir genannten nehmen wir sehr ernst, wir gehen ihnen entschieden nach.“ Es sei allerdings „essenziell, die Vorfälle unmittelbar nach deren Auftreten schriftlich oder telefonisch an die Anlaufstelle für Gewalt-, Extremismus- und Diskriminierungsvorfälle zu melden. Im Anschluss daran wird der Vorfall zunächst telefonisch besprochen, bevor eine Kontaktaufnahme zum anderen/beschuldigten Verein erfolgt“.
Die letzten beiden Vorfälle seien gemeldet worden, die Beschimpfung durch das gegnerische Kind sei auch im Spielberichtsbogen des Schiedsrichters festgehalten worden, teilte Neumann dem Verband mit. Dieser antwortete mit einem weiteren Hinweis auf bürokratische Abläufe: Ein sportgerichtliches Verfahren könne nur eingeleitet werden, wenn der Verein die Vorfälle offiziell beim Kreisjugendgericht Köln meldet und einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens stellt. Ein solcher Vorgang wäre für den Verein allerdings ebenso mit Kosten verbunden wie die Bestellung einer Spielaufsicht als neutrale Beobachtungsinstanz.

Christine Kossmann mit Sohn Johan.
Copyright: Arton Krasniqi
„Die hoffen, dass ich irgendwann mal die Lust daran verliere, das Thema anzusprechen“, lautet das Fazit von Faisal Neumann zu seiner Kommunikation mit dem FVM. Von anderer Seite hätten sein Team und er aber auch schon viel Unterstützung erfahren. Spieler des 1. FC Köln und von Fortuna Köln seien vorbeigekommen – mit Geschenken und Solidaritätsbekundungen im Gepäck. Außerdem hätten Influencer in den Sozialen Medien Spenden für die Mannschaft gesammelt.
Johan, der zehn Jahre alte Sohn von Christine Kossmann spielt in der Mannschaft. Diese U12 sei „ein zusammengewürfelter Haufen“, sagt Kossmann, dass so viele Schwarze Deutsche dabei sind, sei purer Zufall. „Rassismus ist Alltag für uns“, so beschreibt sie das Leben mit ihrem Kind. Aber die Anfeindungen auf dem Fußballplatz machten sie dann doch sprachlos, damit habe sie nicht gerechnet. Andererseits sei die Mannschaft eine tolle Gemeinschaft: „Wir sind eine starke schwarze Wand, die Kids fühlen sich hier alle sehr wohl.“ Sie hätten ja einander, wo andere Kinder in anderen Mannschaften möglicherweise allein dastünden und die Trainer gar nicht erst versuchten, die komplizierten Meldewege des Verbandes zu durchschauen. Wo es vielleicht auch kein Verständnis für die Problematik gebe.
Wie viele Meldungen zu Vorfällen rassistischer Anfeindungen gegen Kinder und Jugendliche der FVM jährlich erhält, teilte der Verband auf Anfrage nicht mit. „Wir können keine belastbaren Zahlen zu Rassismus im Kinder- und Jugendfußball nennen, da das jährlich veröffentlichte DFB-Lagebild nicht zwischen Gewalt und Diskriminierung unterscheidet“, sagt eine Pressesprecherin: „Unserer Erfahrung nach werden rassistische Anfeindungen vor allem von Erwachsenen ausgesprochen. Dass Kinder andere Kinder rassistisch beleidigen, stellen wir höchst selten fest.“ Auf die Frage, ob gegnerische Eltern oder Mannschaften sanktioniert werden können, wenn in einem Spiel rassistische Beleidigungen ausgesprochen werden, verweist der FVM wieder auf die nötige schriftliche Meldung der Vorfälle: „Das erfolgt entweder über den Spielbericht oder über die Meldung des Vereins direkt über das E-Postfach der Sportgerichte.“ Beides hat Neumann inzwischen versucht, ohne Erfolg, wie er sagt.
Er selbst sei „ein klassisches Gastarbeiterkind“. Seine Eltern stammten aus Algerien, er sei in Chorweiler „im Plattenbau groß geworden“ und habe in seiner Jugend viel Zeit mit Fußball verbracht. „Wenn wir unsere Trikots angezogen haben, waren wir alle gleich. Ich habe im Sport keinen Rassismus erlebt“, sagt der 42-Jährige. Umso mehr erschrecke ihn, was er aktuell mit seiner jungen Mannschaft erfährt. Er sagt: „Ich weiß, was für eine Stimmung im Land herrscht, aber der Sportplatz war für mich bis jetzt immer neutraler Boden.“ Und: „Die Jungs in meiner Mannschaft sind deutsch, sie reden, singen und träumen auf Deutsch, egal, welche Hautfarbe sie haben.“ Er werde die Eltern am Spielfeldrand, die rassistische denken und pöbeln, nicht umerziehen können, sagt Neumann: „Aber es muss aufhören, dass sie solche Dinge auf dem Sportplatz zu Kindern sagen.“

