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„Bin selbst vorurteilsbehaftet“So sprechen Kölner Promis wie Brings und Campmann über Rassismus

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05.09.2025, Köln: #stadtleben Gespräch mit Journalistin Nada Assaad die ein Format enwtickelt bei dem lokale Prominenz über Rassismus gestartet hat, nennt sich "rausreden". Foto: Arton Krasniqi

Journalistin Nada Assaad spricht mit lokalen Prominenten über Rassismus.  

Die Journalistin Nada Assaad hat bei Bar-Talks Kölner Musiker und Kulturschaffende zusammengebracht: „Wann erlebst du Rassismus?“ Mit dabei Basti Campmann, Peter Brings und Soufian Zoghlami.

Schiefer Blick, rassistische Beleidigungen oder gleich eine Polizeikontrolle wegen des Tour-Bullis: Bukahara-Sänger Soufian Zoghlami fallen einige Szenen ein, wenn er über Rassismus auf Konzerttourneen berichtet. In der Szene-Bar „Spritz“ in der Nähe des Barbarossaplatzes erzählt er dem Rapper Retrogott von seinem Leben als Musiker mit Migrationsgeschichte. Beide haben womöglich mehr Gemeinsames als Trennendes in ihrer Biografie: wesentlich eint sie ihr Dasein als Musiker und die Liebe zur Kunst. Doch wie sie behandelt werden – darin liegt ein bedeutender Unterschied.

Über seine Privilegien ist sich der in Köln lebende Kurt Tallert alias Retrogott bewusst: Bei einer nächtlichen Polizeikontrolle mit einer Gruppe sei er weniger gründlich von der Polizei kontrolliert worden, als sein Bekannter mit kongolesischen Wurzeln, erzählt er. Auf dem neuen Youtube-Kanal „rausreden“ kann man dem regen Gespräch der beiden folgen. Konzept und Idee stammen von der freien Journalistin und Kulturschaffenden Nada Assaad.

In ihren Projekten setzt sich die 36-Jährige mit Rassismus und Migration auseinander. Bei der regelmäßig stattfindenden Talkshow „Migra-Night“ will sie auch unterhalten: zuletzt brachte sie den Ex-Bundesligaprofi Hans Sarpei, die Kölner Sängerin Vavunettha und Bukahara-Sänger Soufian Zoghlami gemeinsam auf die Bühne.

Soufian Zoghlami und Romina Staallekker von der Spritz Bar

Soufian Zoghlami (l). und Romina Staallekker von der Spritz-Bar

Peter Brings, Basti Campmann und Jojo Berger haben auch mitgemacht

Unterschiedliche Menschen treffen auch in ihrem neuen Online-Format „rausreden“ aufeinander. Lokal Prominente wie Peter Brings, Kasalla-Frontmann Basti Campmann und Querbeat-Sänger Jojo Berger haben jeweils in einer anderen Kölner Bar Menschen mit Migrationsgeschichte aus dem Kulturbereich wie WDR-Musikautor und DJ Daniel Fernando Wahl getroffen. Die Gespräche wurden auf Video aufgezeichnet. „Ich wollte keine klassische Antirassismus- oder Antirechtsruck-Kampagne machen, weil mir hier häufig die migrantische Stimme fehlt. Da geht es häufig eher um einen Links-gegen-Rechts-Kampf“, sagt Nada Assaad im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Offene Gespräche könnten gegen die diffuse Angst vor „den Migranten“ helfen und sensibilisieren, glaubt sie. „Bei den Dreharbeiten habe ich Berührungsängste vonseiten der Menschen ohne Migrationsgeschichte gespürt. Als ich sie angesprochen habe, ob sie über Rassismus sprechen wollen, kam oft die Frage: Was habe ich damit zu tun?“, so die Autorin. „Du hast ganz schön viel damit zu tun, du bist Teil der Gesellschaft, sagte ich dann. Ich habe kein Skript geschrieben, sondern nur ein paar Leitfragen mitgegeben. Am Anfang merkte man, dass es den Leuten unangenehm war. Sie wussten nicht, in welcher Rolle sie sprechen sollen.“

Kasalla, Brings und andere Bands können bei Demos gegen Rechts Massen mobilisieren. Regelmäßig erheben sie ihre Stimmen auf der Bühne. „Doch das Setting von ‚rausreden‘ ist intim und persönlich, man ist auf sich selbst zurückgeworfen“, so Assaad. Auf Demos zugehen sei eine Form des Aktivismus – aber dieser reiche nicht, um Ausgrenzungsmechanismen in der Gesellschaft wirklich zu bekämpfen, glaubt Assaad. „Was bedeutet Zivilcourage? Das ist nicht nur, ein Plakat auf Demos hochzuhalten, sondern bei Familienfeiern Contra zu geben, wenn Rassistisches gesagt wird zum Beispiel.“ In unangenehmen Situationen geradestehen, statt „Convenience-Aktivismus. Es ist schön, gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Als privilegierter Mensch habe ich aber doch jeden Tag die Verantwortung mitzudenken.“

Campmann: „Habe gemerkt, dass ich auch vorurteilsbehaftet bin"“

Und wie hat Basti Campmann das Gespräch unter vier Augen und vor der Kamera mit Abby Baheerathan, Podcaster und Medientrainer mit tamilischen Wurzeln, erlebt? Campmann sagt: „Es war spannend, weil es ein freies Gespräch war und ich mich zunächst einfinden musste. An der ein oder anderen Stelle habe ich gemerkt, dass ich selbst vorurteilsbehaftet bin, obwohl ich überzeugt war, es nicht zu sein. Ich lerne, dass ich mich selbst immer überprüfen muss“, so der Kasalla-Frontmann. Wo Alltagsrassismus ansetzt, „das muss immer der Empfangende entscheiden: und da muss man als Mehrheitsgesellschaft Empathie zeigen und Rücksicht nehmen“, sagt Campmann.

Basti Campmann, Sänger von Kasalla

Basti Campmann, Sänger von Kasalla

Assaad bleibt an der Debatte dran. Vom zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft lässt sie sich nicht abbringen. „Ich gehe den Weg der Vermittlung und resigniere nicht. Ich möchte die schweigende Mitte erreichen, Menschen, die eigentlich aware sind, aber nicht wissen, was sie machen sollen, sich ohnmächtig fühlen.“ Als Journalistin für den WDR etwa sei sie selber schon Zielscheibe von rassistischer Hetze geworden. „Es gibt diese Fantasien, mich irgendwohin zu befördern: dabei bin ich in Deutschland geboren. Mir wird die Fähigkeit abgesprochen, Deutschland zu kritisieren, obwohl es auch meine Heimat ist und ich hier Steuern zahle.“ 

16. Januar, „rausreden“-Event in Kooperation mit dem Popboard NRW mit Diskussionen zur Frage „Wie kann Popkultur in Krisenzeiten Hoffnung schenken?“ und Konzert im Orangerie-Theater. Videos gibt es unter www.youtube.com/@rausreden und auf Instagram.