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Uniklinik Köln„Irgendwann haben wir alle Hilfe nötig“ – Pflegefachkräfte und ihre Motivation

6 min
25.08.2025
Köln:
Pflegenotstand - und nun? Auszubildende, die an der Uniklink gerade ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft gestartet haben, haben sich intensiv mit ihrem Berufsbild beschäftigt und erzählen davon. Warum haben sie selbst den Beruf gewählt und was sagen andere darüber. Dazu aktuelle Zahlen von IT NRW.
Sven Dannemann, Leiter der Schule
Foto: Martina Goyert

Ausbilder Sven Dannemann

Sie sind gefragt wie nie, doch kaum jemand will den Job machen. Warum sie es dennoch begeistert, erzählen angehende Pflegefachkräfte und ein Ausbilder.

Im August sind gut 50 angehende Pflegefachkräfte an der Uniklinik Köln in ihre dreijährige Ausbildung gestartet. Sie trauen sich einen Beruf zu, der gefragt ist wie kein anderer, jetzt – und in Zukunft noch viel mehr. Ausgebildete Pflegefachkräfte stünden an erster Position unter allen Berufsgruppen mit einem Engpass, teilte die Bundesagentur für Arbeit noch im Mai mit. Infolge der Alterung der Gesellschaft werden in Deutschland bis zum Jahr 2049 wohl zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte fehlen, hat das Statistische Bundesamt im vergangenen Jahre vorgerechnet.

Pflegefachkraft: Ein Beruf mit schlechtem Ruf

Schon jetzt suchen Kliniken und Pflegeeinrichtungen auch in Köln händeringend nach Personal und Auszubildenden. Dabei macht ihnen auch der schlechte Ruf des Berufs zu schaffen. Die Arbeitsbedingungen werden häufig als belastend beschrieben, wegen der Schichtarbeit und der körperlichen Anstrengung, wegen hoher Verantwortung, emotionaler Belastung und personeller Engpässe.

Dazu kommt eine hohe Ausfallquote in der Ausbildung: Im Regierungsbezirk Köln haben im vergangenen Jahr von 3825 Auszubildenden nur 2061 die Prüfung bestanden. 51 sind endgültig durchgefallen und 1710 sind schon vorher ausgestiegen. Im Bundesdurchschnitt brächten 30 bis 40 Prozent der Auszubildenden in der Pflege ihren Weg nicht zu Ende, erklärte ein Sprecher der Uniklinik Köln.

An der Schule für Pflegefachberufe der Uniklinik (Lindenburg Akademie) habe die Abbruchquote im Jahrgang 2021 bis 2024 bei 19,3 Prozent gelegen. Die Kliniken der Stadt Köln verzeichneten in ihrem Ausbildungszentrum für Gesundheitsberufe einer Abbruchquote von 20 bis 25 Prozent, teilte Schulleiterin Beate Naumer mit. „Die sind nicht faul, die kommen hier mit sehr viel Enthusiasmus an“, räumt Ausbilder Sven Dannemann gleich mal mit einem Vorurteil über die Gen Z, also die Generation der etwa zwischen 1995 und 2010 geborenen Menschen, auf.

Große Probleme in der sozialen Interaktion

Herausfordernd sei aber, dass diese jungen Leute die ersten „Digital Natives“ seien, also von Beginn an aufgewachsen mit digitalen Technologien und sozialen Medien. Und dass ein Teil ihrer Sozialisation in den Corona-Jahren stattfand. „Die Auszubildenden kommen mit sehr vielen Ängsten und mit großen Problemen in der sozialen Interaktion zu uns“, sagt Dannemann.

Außerdem präsentiere sich die Gesellschaft der Jugend von heute sehr unbeständig und austauschbar. Durchzuhalten und bei einer Sache zu bleiben, sei für viele keine erstrebenswerte Tugend. Vielmehr entstehe der Eindruck, jeder könne alles machen, immer und überall. Damit seine neuen Schülerinnen und Schüler möglichst bis zum Ende durchhalten, hat Dannemann versucht, bei ihnen „das Feuer am Anfang so richtig anzuzünden“.

Zwei Tage lang hat sich sein Kurs gleich zu Beginn der Ausbildung mit dem Berufsbild des künftigen Jobs befasst. Und es war zu hören, dass die Berichte fertig ausgebildeter Pflegefachkräfte an der Uniklinik die Neuen begeistert und motiviert haben. Überrascht waren sie allerdings von einer Umfrage unter Menschen auf der Domplatte in Köln: Sie bekamen viel Zuspruch für ihre Entscheidung, in der Pflege arbeiten zu wollen. Aber den Job selbst zu machen, habe sich niemand der Befragten vorstellen können, berichten die Azubis. Warum sie selbst es dennoch tun, erzählen vier der Auszubildenden unten auf der Seite. Dabei wird klar, was Dannemann so beschreibt: „Viele der jungen Menschen, die zu uns kommen, sind sehr wertebewusst.“

Wer sich für eine Ausbildung zur Pflegefachkraft interessiert, kann sich in Köln etwa an der Uniklinik oder bei den Kliniken der Stadt das ganze Jahr über bewerben. Die Uniklinik startet acht Kurse pro Jahr, bei den Kliniken der Stadt geht es zum 1. August und zum 1. November los. Es braucht einen Realschulabschluss und Deutschkenntnisse mindestens auf B2-Niveau. Ein bereits absolviertes Praktikum wird gern gesehen. Und das Ausbildungsgehalt nach Tarif ist besser als in manch anderem Beruf: Im ersten Jahr gibt es 1380, im dritten 1553 Euro. Nach der Ausbildung ist je nach Art der Weiterbildung und dem jeweiligen Arbeitsbereich ein Gehalt von bis zu 5700 Euro etwa in der Kinderkrankenpflege möglich.


„Ich möchte Kindern zur Seite stehen“

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Laura Dills
Foto: Martina Goyert

Laura Dills

Laura Dills, 23 Jahre: Ich bin schon ausgebildete Pferdewirtin und habe als Reitlehrerin mit Kindern gearbeitet. Dabei habe ich festgestellt, dass ich Kindern gern auch in schwierigeren Situationen zur Seite stehen möchte. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch zu wenig für die Menschen tue, ich wollte einen sozialeren Beruf. Ich finde es wichtig, dass Kinder im Krankenhaus in guter Obhut sind und der Aufenthalt für sie nicht nur mit schlechten Gefühlen behaftet ist. Ich finde den Beruf wirklich cool und habe keine Vorbehalte. Ich habe nichts gegen Schichtdienst, mir ist es egal, ob ich morgens, abends oder nachts arbeite. Der zunehmende Pflegenotstand macht mir auch keine Angst. Deshalb ist es ja gerade wichtig, in den Beruf reinzugehen und nicht zu sagen: Da sind zu wenige Leute, das mache ich nicht.

„Eigentlich wollte ich Medizin studieren“

25.08.2025
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Lukas Vosen
Foto: Martina Goyert

Lukas Vosen

Lukas Vosen, 19 Jahre: Ursprünglich war mein Plan, Medizin zu studieren. Aber dann habe ich mein Abitur „nur“ mit der Durchschnittsnote 1,8 abgeschlossen, damit bekommt man nicht sofort einen Medizin-Studienplatz. Ich wollte trotzdem etwas im medizinischen Bereich machen und hier in der Uniklinik sieht man während der Ausbildung alle Abteilungen. Diese drei Jahre werde ich auf keinen Fall vergessen. Vielleicht studiere ich danach dann noch Medizin. Viele denken beim Krankenpfleger nur an die Körperpflege, die gemacht werden muss. Das ist natürlich ein Teil des Jobs. Aber der Beruf hat ja noch so viele andere, sehr schöne und spannende Seiten. Ich freue mich darauf, schlechte Zeiten und gute Zeiten mitzumachen, das alles sind auf jeden Fall wichtige Erfahrungen, die ich mitnehmen werde.

„Der Job ist wichtig und sinnstiftend“

25.08.2025
Köln:
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Lila Ellerstorfer
Foto: Martina Goyert

Lila Ellerstorfer

Lila Ellerstorfer, 20 Jahre: Ich interessiere mich schon lange für medizinische, aber auch soziale Berufe, ich wollte erst Medizin und dann lieber Sonderpädagogik studieren. Aber nach dem Abi habe ich als Au-pair in Australien sehr viel Zeit mit Kindern verbracht, ich habe mich um sie gekümmert und ihnen zur Seite gestanden. Daraus ist der Wunsch entstanden, das auch beruflich zu machen, ich werde mich auf die Kinderpflege spezialisieren. Ich finde den Job einfach so wichtig und sinnstiftend – und irgendjemand muss ihn ja machen. Über das Ausbildungsgehalt kann ich mich nicht beschweren, das ist echt gut. Damit das nach der Ausbildung nicht stagniert, kann man Weiterbildungen machen und sich spezialisieren. Oder man kann doch noch ein Studium beginnen, Pflegemanagement zum Beispiel, es gibt so viele Möglichkeiten.

„Irgendwann haben wir alle Hilfe nötig“

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Özgür Gökyildiz
Foto: Martina Goyert

Özgür Gökyildiz

Özgür Gökyildiz, 45 Jahre: Der erste Berührungspunkt mit dem Thema war für mich die Pflege meiner inzwischen verstorbenen Eltern. Da habe ich die Hilflosigkeit im Alter gesehen. Und wer weiterdenkt, der weiß, dass wir irgendwann alle Hilfe nötig haben werden. Dann kam Corona, und ich fing wieder an, über den Beruf nachzudenken. Ich war in der Sicherheitsbranche tätig und etwas rastlos. Ich habe mich erkundigt, ob es dabei wirklich nur ums Einlagen wechseln geht, oder ob der Beruf nicht viel mehr bietet – was er natürlich tut. Ich würde mir wünschen, dass mehr junge Menschen diesem Job eine Chance geben. Wenn man erstmal genauer hinschaut, verfliegen die Schreckensbilder schnell. Neben der Ausbildung arbeite ich schon in der Altenpflege. Dabei geht es nicht nur darum, Geld zu verdienen, es erfüllt einen auch.