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Debatte um AnwohnerparkenWem die Stadt Köln öffentlichen Raum schenkt – und wem nicht

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Viele Nutzungswünsche konkurrieren um den begrenzten öffentlichen Raum. Aus Parkplätzen könnten – wie hier vor dem Schnörres – Plätze für  Außengastronomie werden. Auf den Platz für ein leeres Auto passen zwölf Stühle und drei Tische.  

  • Die Stadt Köln will die Preise für das Anwohnerparken kräftig anheben. Sie argumentiert damit, dass öffentlicher Raum seinen Preis habe.
  • Dabei sind die von der Stadt erhobenen Preise für diejenigen, die ein Stück des öffentlichen Raums nutzen, höchst unterschiedlich – aus nicht immer erkennbaren Gründen..
  • Wir vergleichen hier erstmals die Preise in Köln für die Nutzung von Plätzen und Straßen – für Autofahrer, Gastronomen, Stadtfeste und Jahrmärkte.

Köln – Die Stadt prüft die Erhöhung der Gebühren fürs Bewohnerparken. Ist das Parken zu billig? Die Preise für diejenigen, die ein Stück des öffentlichen Raums nutzen, sind höchst unterschiedlich. Nur selten spielt die Qualität der Nutzung eine Rolle. Weihnachtsmärkte, Baustellen, Außengastronomien – Ein Preisvergleich als Diskussionsbeitrag.

Parken

13,5 Quadratmeter braucht ein parkendes Auto, so die von Fachleuten oft zitierte Vergleichsstudie der Initiative „Zukunft-Mobilität“. Ein großes Stück an öffentlichem Raum für etwas, das sich nicht bewegt, ab und zu von meist nur einer einzigen Person benutzt wird – und noch dazu so gut wie verschenkt wird. Weniger als einen Cent pro Werktag und Quadratmeter zahlt ein Anwohner dafür, dass er sein privates Auto auf einem Platz abstellen kann, der eigentlich allen gehört. Ein Problem? Die Anwohner haben sich gefreut, und den Rest hat es lange Zeit nicht geschert.

Doch seitdem darüber debattiert wird, wie man eine Verkehrswende organisiert, bei der mehr Platz für Radfahrer, E-Mobilität, öffentliche Busse und Fußgänger benötigt wird, stehen die riesigen Flächen einer Stadt, die fürs Parken vorgehalten werden, zur Debatte. Wer höhere Parkgebühren fordert, macht sich unbeliebt. Doch klar ist auch: Wer Platz für anderes will, muss ihn jemandem nehmen.

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Zur Berechnung der Zahlen

Der hier erstmals vorgelegte Preisvergleich für die Nutzung der Plätze und Straßen der Stadt ist der Versuch, schwer Vergleichbares vergleichbar zu machen. Dazu wurden Quadratmeterpreise pro Tag errechnet. Da die meisten Aktivitäten im öffentlichen Raum nur tagsüber stattfinden, gehen wir von zwölf gebührenpflichtigen Stunden pro Tag aus.

Grundlage der Berechnung sind die Festlegungen in den Gebührensatzungen der Stadt. Die meisten Preise, die die Stadt in ihren Satzungen ausweist, sind tatsächlich Tagespreise pro Quadratmeter. Bei denen, wo das nicht der Fall ist, wurden sie für diesen Vergleich entsprechend umgerechnet. So werden Gebühren für Außengastronomie oder Baustellen pro Monat, für Kirmessen pro Woche ausgewiesen. Die Umrechnung auf Tagespreise geht davon aus, dass die Zeiträume komplett genutzt werden. Zu beachten ist auch, dass in aller Regel zu allen Preisen weitere Gebühren für die Genehmigung, Ortstermine und ähnliches hinzukommen, die bei diesem Vergleich nicht mit berücksichtigt wurden. Auch bei den Parkplätzen geht die Berechnung von „nur“ zwölf zu zahlenden Stunden pro Tag aus. Wir gehen davon aus, dass er 13,5 Quadratmeter groß ist, teilen also den Preis durch 13,5.

Bei Straßenfesten, Weihnachtsmärkten oder einer Kirmes handelt es sich bei den angegebenen Preisen um die Beträge, die der Veranstalter an die Stadt bezahlen muss. Das, was dieser wiederum von denen verlangt, die Stände, Fahrgeschäfte oder ähnliches bei seiner Veranstaltung aufbauen, hat damit nichts zu tun. Er ist in der Preisgestaltung völlig frei.

Der offizielle Karneval hat bei der Oberfinanzdirektion ein Sonderrecht als „Zweckbetrieb“ erstritten, was ihn bei den Karnevalszügen von allen Gebühren befreit. Bei den Straßenfesten und Filmaufnahmen sind es politische Entscheidungen der Stadt, hier ganz auf Gebühren zu verzichten. Auch wenn Filmteams für Dreharbeiten ganze Straßenzüge blockieren und bei Straßenfesten kommerzieller Ramsch angeboten wird, müssen dafür keine Gebühren gezahlt werden. 

Und bevor man die Mobilität der Menschen einschränkt, indem man Autospuren wegnimmt, wäre es naheliegender, denen den Platz zu nehmen, die am meisten den öffentlichen Raum blockieren: den parkenden Autos. Sie könnten in Garagen und Parkhäuser, von denen es allerdings vielerorts zu wenig gibt.

Der Berliner Verkehrsökonom Jos Nino Notz sagt: „Die Praxis der Parkraumbereitstellung ist weder ökonomisch effizient noch sozial gerecht.“ Das Verhältnis zwischen individuellen und gesamtwirtschaftlichen Interessen sei nicht ausgeglichen. Andere Städte in Europa haben ihre Regeln für das Parkraum-Management schon umgestellt, machen Anwohner- und Kurzparken teurer und reduzieren in größerem Stil als in Köln die Zahl der Stellplätze.

Wer nicht als Anwohner parkt, sondern einen bewirtschafteten Kurzzeitparkplatz in der Stadt benutzt, zahlt deutlich mehr. Ein Preisvergleich ist schwierig, weil hier keiner einen Tag lang parkt. Nimmt man den theoretischen Fall, dass es doch jemand tut, ist ein Kölner Parkplatz aber immer noch preiswerter als ein Bierstand bei einem kommerziellen Straßenfest – selbst nach den Preiserhöhungen, die bald in Kraft treten sollen. Der teuerste Parkplatz in Köln wird dann vier Euro pro Stunde kosten, das sind rund 29 Cent pro Quadratmeter. Bei zwölf Stunden wären das 3,48 Euro. Mancher findet das trotzdem zu viel.

Kirmes und Zirkus

Vielleicht liegt es an einer langen Tradition, die die gute alte, klassische Kirmes als Teil von Schützen- und Stadtteilfesten sieht. Das gleiche mag für das Kulturgut „Zirkus“ gelten: Im Vergleich mit den Gebühren, die Wirte, Marktbeschicker oder andere kommerzielle Nutzer des öffentlichen Raums zahlen müssen, bekommen Kirmes- und Zirkusbetreiber die städtischen Plätze fast geschenkt. Wer einen Autoscooter aufbaut, zahlt maximal 17 Cent pro Tag und Quadratmeter.

Das ist auch der Preis für den Zirkus Roncalli auf dem Neumarkt. In äußeren Stadtteilen, aber auch auf der Deutzer Werft ist es deutlich preiswerter. Bei der attraktiven Deutzer Werft wird auf der Grundlage eines Pachtvertrags mit der Gemeinschaft der Kirmes-Betriebe abgerechnet. Die Frühjahrs- und Herbst-Kirmes zahlt einen Gesamtbetrag, der umgerechnet auf einen Quadratmeterpreis pro Tag nur rund fünf Cent ausmacht.  

Außengastronomie

Fragt man Kölner Wirte, bekommt man eine klare Antwort: Die Preise, die sie zahlen müssen, wenn sie Tische und Stühle vor die Tür stellen, sind zu hoch. Die Stadt verweist darauf, dass die Nutzer des öffentlichen Raums hier schließlich Geld verdienen. Also seien die Preise angemessen. Doch das ließe sich auch für eine Tribüne am Rosenmontagszugweg behauptet. Für diese aber wird keine Rechnung ausgestellt.

Die Stadt ist in sechs verschiedene Zonen eingeteilt: In bester Lage – also zum Beispiel in der Altstadt – zahlt ein Gastronom 62,10 Euro pro Monat und Quadratmeter, also 2,07 Euro pro Tag, wenn man eine Jahreserlaubnis hat. Die Kalker Hauptstraße oder Ehrenfeld sind günstiger, hier sind rund 1,35 Euro fällig. Am wenigsten zahlt man in weniger attraktiven Außenbezirken. Neben der Jahreserlaubnis gibt es auch die Möglichkeit, von März bis Oktober eine preiswertere Saisonerlaubnis zu bekommen. Am Umgang mit ihren Wirten lässt sich gut verdeutlichen, dass sich die Stadt bei der Frage, wo und wofür sie Gebühren nimmt, nicht von inhaltlichen Kriterien leiten lässt. Nicht nur die Wirte sagen, dass sie zur Belebung, Qualitätssteigerung, Sicherheit und Sauberkeit im öffentlichen Raum beitragen.

Straßenfeste

Die Zahlen, die die städtische Gebührensatzung für die Vermietung des öffentlichen Raums bei Straßen- und Nachbarschaftsfesten nennt, spielen in der Praxis kaum noch eine Rolle. Die sehr schwierige und sicher immer umstrittene Unterscheidung zwischen dem, was kommerziell ist und was nicht, hat dazu geführt, dass so gut wie überhaupt keine Gebühren mehr genommen werden.  

Es spielt aus Sicht der Stadt offenbar keine Rolle, ob es beim „Tag des guten Lebens“ um die Zukunft der Stadt geht, bei einem Fest die Nachbarschaft feiert oder ob bei Riesenevents Handyhüllen, Handtaschen und Ramsch zu Ballermannmusik angeboten werden.

Wenn Interessengemeinschaften ortsansässiger Einzelhändler zu Festen einladen, delegieren sie die Organisation meist an kommerzielle Veranstaltungsagenturen. Das, was dort präsentiert wird, ist nicht selten alles andere als eine Zier für die Stadt. Doch auch in diesen Fällen erlässt die Stadt die Gebühren. Auf diese Weise unterstütze man den Einzelhandel, heißt es. Es gibt keine Verabredungen über Qualitätsmerkmale wie zum Beispiel bei den großen Weihnachtsmärkten.

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Neue Veranstaltungen – wie zuletzt „Straßenland“ – werden nach Angaben der zuständigen Behörde genau geprüft. Klar als Kommerz-Stände erkennbare Angebote zahlen 8,40 Euro pro Quadratmeter und Tag. Berechnet wird nicht das komplette Straßenland, sondern nur der Stand und sein direktes Umfeld.

Ein Flohmarkt-Stand am Rheinufer ist günstiger. Dafür werden 1,20 Euro pro Tag und Quadratmeter berechnet. 

Weihnachtsmärkte

Beim Umgang mit den Weihnachtsmärkten hat sich die Stadt vor einigen Jahren für ein völlig anderes Vorgehen entschieden als bei anderen Nutzungen. Die Gebühren, die hier für hochkommerzielle Veranstaltungen gezahlt werden, sind angesichts der Umsätze, die gemacht werden, ein Witz. Nicht nur Wirte und Markthändler dürften 44 Cent pro Tag und Quadratmeter neidisch als Ungerechtigkeit empfinden.

Allerdings: Anders als bei allen anderen Nutzungen des öffentlichen Raums hat die Stadt bei der Vergabe ihrer zentralen Plätze ein echtes Verfahren eingeführt, das höchste Qualität sichert. Wer in der Innenstadt einen Weihnachtsmarkt betreiben will, muss durch ein aufwendiges Prüf- und Wettbewerbsverfahren. Er muss nicht nur formale Kriterien erfüllen, sondern auch mit einem inhaltlichen Konzept überzeugen, das sich in regelmäßigen Abständen einer Überprüfung, aber auch der Konkurrenz stellen muss. So läuft zurzeit das Vergabeverfahren für den begehrten Platz vor dem Dom.

Die bisherigen Betreiber mussten sich zwei ernsthaften Konkurrenten stellen. Das Verfahren verlangt, dass sich die Organisatoren anstrengen und immer wieder steigern müssen. Nicht nur äußere Qualitätsmerkmale sind wichtig geworden, es geht mittlerweile auch um ökologische Aspekte, soziales Engagement und ein hohes Niveau auf den Bühnen der Märkte.  

Das Verfahren zahlt sich aus, weil alle profitieren. Die Märkte prägen ein positives Image der Stadt. Umso mehr kann man sich darüber wundern, dass die Stadt dieses Erfolgskonzept nicht auf andere raumgreifende Events im öffentlichen Raum überträgt, um zum Beispiel das Niveau bei vielen Festen der örtlichen Einzelhandelsgemeinschaften zu heben.  

Baustellen

Wer baut und für Kräne, Container oder Bauzäune öffentliches Straßenland braucht, muss Gebühren zahlen. Ein Container für Bauschutt, der keinen stört, kostet 7 Cent pro Tag und Quadratmeter.

An anderer Stelle können es schon mal 35 Cent werden. Ähnlich schwanken die Preise für „Baustelleneinrichtungs-Flächen“ – also Orte, wo Gerüste, Arbeitswagen oder Zäune stehen.

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