Vergewaltigungs-VorwurfKölner Richter mit Freispruch: „Sind keine moralische Instanz“

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Benjamin Roellenbleck ist Vorsitzender Richter am Landgericht Köln.

Köln – Der Angeklagte brach in Tränen aus, musste von seinem Verteidiger gestützt werden. Die Angehörigen klatschten und jubelten im Gerichtssaal 210. Emotionale Szenen, nachdem Richter Benjamin Roellenbleck am Dienstagnachmittag einen Garten- und Landschaftsbauer aus Hessen vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen und aus der monatelangen U-Haft entlassen hatte.

Männer waren Teil von sexistischer Chat-Gruppe

„Wir sind keine moralische Instanz“, sagte Roellenbleck zu den Umständen, die zur Anklage gegen drei Männer geführt hatten. Das Trio war Teil einer WhatsApp-Gruppe, in der Frauen wie Trophäen behandelt wurden. Eroberungen wurden bewertet, Ranglisten geführt. „Da platzt mir die Hutschnur, wenn erwachsene Männer so einen Scheiß schreiben“, hatte das die Staatsanwältin kommentiert. Er wolle das nicht bewerten, sagte Roellenbleck.

Die drei Männer hatten im Februar 2020 zusammen in Köln Karneval gefeiert. In einem Lokal auf der Zülpicher Straße hatte einer von ihnen eine junge Frau kennen gelernt, später kam es in dessen Hotelzimmer zum einvernehmlichen Sex. In der WhatsApp-Gruppe, der 14 Männer angehörten, prahlte der Mann damit. Danach erschien der Angeklagte in dem Zimmer, das auch er bewohnte.

Video entkräftet Anklage der Staatsanwaltschaft

Die Frau hatte später ausgesagt, schmerzerfüllt aufgewacht zu sein, als der Angeklagte sich gerade an ihr vergangen habe. Nach der Sichtung eines Videos, das der dritte im Bunde aufgenommen hatte, soll es aber auch Bewegungen der Geschädigten gegeben haben. „Sie umschlingt ihn mit ihrem Bein“, sagte Roellenbleck, als fordere sie den Angeklagten zu sexuellen Handlungen auf.

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Klarer könne man Zustimmung nicht signalisieren. „Das kennt man, wenn man selber schon mal Sex hatte“, sagte der Richter frei heraus. An dem Punkt sei die Anklage bereits problematisch, die von einer gänzlichen Passivität der Frau ausgegangen sei. Das Video sei ein Puzzleteil, zusammen genommen mit weiteren Erkenntnissen aus dem Prozess habe man freisprechen müssen.

Kölner Richter: Frau hat glaubhaft ausgesagt

Die Anzeigenerstatterin habe durchaus glaubhaft gewirkt, sagte der Richter, sie fühle sich als Opfer einer Vergewaltigung. Sie habe sich aber an vielen Stellen auf Erinnerungslücken berufen. Und vielleicht habe sie es auch einfach vergessen, während der sexuellen Handlungen wach gewesen zu sein, zumal bei beiden erhebliche Mengen Alkohol im Spiel waren, bis zu 2,7 Promille im Blut.

Letztlich wurde der Angeklagte zu 1600 Euro Geldstrafe wegen verbotener Fotoaufnahmen der Frau verurteilt, seine Freunde mussten aus diesem Grund Geldauflagen zahlen. Die Staatsanwältin hatte mehr als drei Jahre Gefängnis gefordert. Dass der 36-Jährige lange in Untersuchungshaft saß, war auch Wiederholungsgefahr geschuldet – in Hessen läuft gegen ihn ein ähnliches Verfahren.

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