Heimliche SchwangerschaftElias lag tot vor Kölner Babyklappe – Mutter vor Gericht

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Die Angeklagte (r.) beim Prozessauftakt im Landgericht Köln mit ihrer Verteidigerin Barbara Schafgan-Herrmann.

Köln – Elias wog 3600 Gramm und war 50 Zentimeter groß, als er im vergangenen Juli in der Wohnung eines Mehrfamilienhauses in Bilderstöckchen zur Welt gekommen ist. „Elias war lebensfähig“, sagt der Staatsanwalt am Mittwoch in Saal 7 des Landgerichts. Auf der Anklagebank muss sich die Mutter des Kindes verantworten, wegen Totschlags durch Unterlassen. Mitarbeiter eines Frauenhauses hatten den Säugling gefunden – er lag tot vor einer Babyklappe. Der Staatsanwalt offenbarte mit dem Verlesen der Anklageschrift grausame bisher unbekannte Details des Falles.

Köln: Angeklagte soll Schwangerschaft verheimlicht haben

Vor den Pressefotografen und TV-Teams hatte sich die Angeklagte, die von Wachtmeistern in Gerichtssaal 7 geführt wurde, mit aufgesetzter Kapuze und hinter Briefumschlägen versteckt. Doch beim Prozessbeginn schien es, als wolle sie besonders selbstbewusst wirken. „Ja!“, antwortete die Frau mit fester Stimme, als sich der Vorsitzende Richter Achim Hengstenberg das Geburtsdatum und den Familienstand der verheirateten 36-Jährigen bestätigen ließ. „Und seit dem 12. August vergangenen Jahres befinden Sie sich in Untersuchungshaft?“ „Genau!“

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Ob die beschuldigte Deutsche bereits am ersten Verhandlungstag ihren wahren Gemütszustand verbergen wollte, darüber kann man nur spekulieren. Laut Anklage ist sie eine Meisterin des Versteckspiels. Nachdem sie bereits vier Kinder bekommen hat, soll sie eine weitere Schwangerschaft vor ihrem Umfeld geheim gehalten haben. Bis zum Schluss, auch vor dem Ehemann. Anzeichen am Bauch soll sie mit einer „Scheinschwangerschaft“ erklärt haben. Schließlich soll sie das Baby allein im Badezimmer der Wohnung zur Welt gebracht haben.

Baby laut Anklage in Plastiktüte gewickelt

Die Nabelschnur soll die Angeklagte mit einer Schere durchtrennt haben. Dann habe sie das Kind in ein Handtuch und eine Plastiktüte eingewickelt, es in einem Schrank im Kinderzimmer ihrer beiden Söhne versteckt und den Säugling zunächst seinem Schicksal überlassen. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Unterkühlung als Todesursache aus. Ob Elias bereits in der Wohnung verstarb, soll eine Obduktion nicht eindeutig geklärt haben. Am nächsten Morgen gegen 8.30 Uhr habe die Angeklagte dann mit dem Baby ihre Wohnung verlassen.

Mit dem Fahrrad sei sie zum nahegelegenen Haus Adelheid gefahren, das über eine Babyklappe verfügt. Doch statt das vorgesehene Fenster zu öffnen, habe die Angeklagte das Baby auf der Fensterbank abgelegt. Ein Alarm für die Bediensteten des Hauses wurde daher nicht ausgelöst. Zwei Stunden später sei der leblose Körper des Jungen entdeckt worden, dem Mitarbeiter des Hauses den Namen Elias gaben. Zehn Tage danach wurde das tote Kind auf dem Nordfriedhof beerdigt. „Wir schenken Elias heute die Würde, die er verdient hat“, sagte die Pfarrerin. 

Ermittler kamen Mutter über Kassenbon auf die Spur

Ein Monat verging, da war die Identität des toten Jungen geklärt. Ein Kassenzettel eines Discounters, der bei dem Baby gelegen hatte, und Nachforschungen im Geschäft hatten die Ermittler auf die Spur der Mutter gebracht. Sie wurde festgenommen, wartete seitdem in der JVA Ossendorf auf ihren Prozess. Getrennt von ihrem Mann und den vier Kindern, dem Vernehmen nach im Alter zwischen neun und 17 Jahren. Zum Prozessauftakt wurde bekannt, dass die Angeklagte aussagen will und bereits mit einem psychiatrischen Gutachter gesprochen hat.

Öffentlich will die 36-Jährige ihre Beweggründe aber nicht erklären. Auf Antrag von Verteidigerin Barbara Schafgan-Herrmann schloss Richter Hengstenberg nach Verlesung der Anklageschrift die Öffentlichkeit aus. Weil intime Details aus dem Privatleben der Angeklagten zur Sprache kommen sollen. Einen zentraler Punkt im Verfahren wird die Ablegesituation vor der Babyklappe ausmachen. Kann die Angeklagte glaubhaft machen, dass sie von einem Überleben ihres Kindes ausgegangen sei, könnte das die Strafe mildern. Maximal drohen ihr 15 Jahre Gefängnis.

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