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Kölner Insulin-ProzessRichter spricht vom „fast perfekten Mord“

Lesezeit 4 Minuten
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Die Angeklagte kurz vor dem Urteil im Landgericht mit ihren Verteidigern Jürgen Graf (l.) und Frank Seebode.

Köln – Das härtest mögliche Urteil ist gefallen, eine Immobilienmaklerin und Ehefrau eines Arztes aus Köln muss wegen versuchten Mordes lebenslang ins Gefängnis. Der Vorsitzende Richter Peter Koerfers sprach am Donnerstag im Landgericht von einem perfiden Verbrechen und dem „fast perfekten Mord“ an ihrem Schwiegervater. Als wäre er eines natürlichen Todes gestorben, so sollte es aussehen. Doch der Senior überlebte knapp. Der Prozess offenbarte Abgründe eines Familienlebens.

Köln: Jahrelange Ablehnung durch Schwiegervater

Die Angeklagte habe eine jahrelange Ablehnung durch den Schwiegervater erfahren. „Es gab keine Sympathie oder Wertschätzung“, erklärte Richters Koerfers. Im Gegenteil. Der Senior habe grundsätzlich die Linie seiner verstorbenen Ehefrau fortgeführt. Die habe ihre Schwiegertochter gehasst und bei deren erster Schwangerschaft angemerkt, das Kind nicht sehen zu wollen. Das Verhältnis zum Schwiegervater habe sich in der Folgezeit auch nicht merklich gebessert.

Hatte die 42-Jährige das Urteil noch gefasst und eher regungslos entgegengenommen, so schüttelte sie immer wieder mit dem Kopf, als der Richter betonte, dass sie den Schwiegervater aus dem Weg räumen wollte. „Sie hatte den absoluten Willen, ihn zu töten“, sagte Koerfers. Besonders verwerflich sei dabei die Tatsache, dass die Angeklagte für die Ausführung ihres Mordplans ihre damals fünfjährige Tochter benutzt habe. Das kleine Kind habe als Türöffner dienen müssen.

Kölner Richter: Kleine Tochter für Mordplan benutzt

Es sei bekannt gewesen, dass der angesehene Arzt aus dem Kölner Westen seine Schwiegertochter nie alleine bei sich empfangen hätte. Seine Ablehnung sei zu groß gewesen. Daher habe die Angeklagte sich die Geschichte ausgedacht, ihre Tochter wolle unbedingt den Geburtstag der verstorbenen Oma feiern. Mit Schokoladenmuffins war die Angeklagte daher zusammen mit dem Kind in der Villa des Schwiegervaters aufgetaucht, der einem Treffen der Enkelin zuliebe zugestimmt habe.

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Die Angeklagte habe ihre Tochter dann mehrere „Netflix“-Kinderserien auf dem Handy schauen lassen. Dann habe die Frau mit Diabetes-Vorerkrankung ihrem Schwiegervater eine riesige Menge Insulin gespritzt, nachdem sie den Mann mit dem Beruhigungsmittel Tavor – durch Kaffee eingeflößt – ruhig gestellt habe. Am nächsten Tag fand die Haushälterin den Senior bewusstlos auf dem Gästesofa. Mit der Kleidung vom Vortag und einem angebissenen Küchlein vor ihm auf dem Teller.

Angeklagte durch Google-Suchanfragen überführt

Überführt wurde die Angeklagte laut Gericht durch eine erdrückende Indizienlage. Vor allem ihre Handynutzung wurde der zweifachen Mutter zum Verhängnis. Der Richter sprach von einer „unglaublichen Fülle von brisanten Suchanfragen“ bei Google. Die Recherchen hätten die Tat von der Planung bis zur Ausführung und dem Verhalten danach rekonstruiert. Die Angeklagte hatte nach Dingen wie „Perfekter Mord durch Insulin“ gegoogelt oder „Einstichstellen, die man nicht sieht“.

Die Angeklagte hatte die Google-Anfragen im Prozess damit erklärt, einen Hang zu Themen zu haben, die mit dem Tod zu tun hätten. Sie hätte Selbstmordgedanken gehabt, früher auch mehrfach versucht sich umzubringen. Auch hatte sie Sorgen um Familienangehörige oder Freunde vorgebracht, wenn es um Recherchen zu Medikamenten gegangen sei. Das sei nicht glaubhaft, so der Richter, zu gut passe der von Ermittlern wiederhergestellte Handy-Suchverlauf zu dem Mordversuch.

Senior seiner Selbstbestimmtheit und Würde beraubt

Es gebe keine andere Erklärung, als dass die Angeklagte die Täterin sei, erklärte der Richter in ruhigem und sachlichem Ton. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass eine dritte Person als Täter oder Täterin infrage komme. Auch habe der Senior sich nicht, wie von der Verteidigung gemutmaßt, selbst umbringen wollen. Der Geschädigte sei an jenem 5. Juli 2020 kurz vor der Tat noch bei Freunden gewesen, er habe noch viele Pläne gehabt und immer noch für seine Patienten gesorgt.

Opfer-Anwalt Frank Hatlé betonte, dass sein Mandant, dem auch ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000 Euro zugesprochen wurde, seiner Würde beraubt wurde und nun ein Pflegefall sei. Verteidiger Jürgen Graf kündigte bereits Revision zum Bundesgerichtshof an. Das Gericht habe naturwissenschaftliche Fakten ignoriert, allein die angenommene Menge an Insulin hätte sicher den Tod des Seniors bedeutet. Die Angeklagte bleibt weiter in Untersuchungshaft. Hier sitzt sie bereits seit mehr als zwei Jahren.

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