Jüdisches Museum in KölnWo Archäologen und Bauarbeiter nebeneinander herarbeiten

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Archäologen Miqua

Die Archäologen bestimmten das Tempo der Baumaßnahmen.

Köln – Sand, Dreck, Geröll, alte Keller und historische Fundamente – beim Gang über Kölns abenteuerlichste Baustelle fällt es immer noch schwer zu glauben: Dies wird einmal das Jüdische Museum. Noch ist es mehr eine Archäologische Zone. Gewiss, der 6000 Quadratmeter große Platz vor Historischem Rathaus und Wallraf-Richartz-Museum ist längst eingefasst in ein Stahlbetonkorsett, die Bodenplatte ist größtenteils gegossen, neben einigen Stahlelementen, die einmal das Museum tragen, ragen die Aufzug- und Treppentürme empor. Doch wer dann die sechs Meter in den Keller hinabsteigt, möchte mit Dante sagen: „Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“.

Denn in dem unübersehbaren Labyrinth aus in- und übereinander liegenden Bauresten aus 2000 Jahren Stadtgeschichte graben hier noch die Archäologen, während nebenan betoniert wird oder Sandverfüllungen ausgesaugt werden. Aber die zupackend gute Laune von Bauleiter Matthias Zoppelt ist unerschütterlich. „Wir hoffen jeden Tag“, sagt er, „dass wir auf kein neues Problem stoßen“. Nicht auf Weltkriegsbomben, nicht auf prekäre Rathausfundamente, nicht auf instabile Kellerwände. „Einfach kann jeder“, ist Zoppelts Devise auf dieser asynchronen Baustelle.

Warmwasserbeckens einer römischen Therme

In einem Keller nahe Obermarspforten bergen die Archäologen die antike Füllung eines römischen Abwasserkanals. Drei Häuser vornedran zeichnen sie die Wände mittelalterlicher Häuser für eine Schadenskartierung, die bei der späteren Restaurierung helfen soll: Grauwacke, Basaltblöcke, dazwischen Tuff. Was wie ein Stück Fußboden aussieht, ist tatsächlich der Boden eines Warmwasserbeckens einer römischen Therme. „Das Bad wurde mehrmals vergrößert“, erklärt Grabungsleiter Gary White. „Wir haben Reste der runden Becken und der Unterbodenheizung gefunden, aber wir wissen noch nicht, wie groß die Therme war. Direkt neben dem Stadthalterpalast war es sicher ein repräsentatives Bad.“

Baustelle Rathaus Miqua

Die Baustelle vor dem Rathaus

Hier eine mittelalterliche Wandnische, dort eine abgebrochene Kellertreppe aus dem 17. Jahrhundert, der Backofen einer Bäckerei aus dem 19. Jahrhundert und die Latrine des Hauses Lyvermann, direkt neben der Synagoge gelegen, mit der jüdischen Aufschrift, die Latrine sei von hier aus zu leeren.

Christliche und jüdische Goldschmiede-Werkstätten

Im Mittelalter arbeiteten hier christliche und jüdische Goldschmiede-Werkstätten Wand an Wand. In manchen Räumen wurde bis zu den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges gelebt, gearbeitet, verwahrt.

Miqua

Der Stahlbau für das Jüdische Museum soll voraussichtlich im März 2021 fertig sein. Die Stadt geht davon aus, dass die sogenannte „MiQua“, also der Komplex von römischen Praetorium, Goldschmiedeviertel und mittelalterlichen jüdischen Viertel und Museum 2024 eröffnet wird. Die Baukosten werden auf 95 Millionen Euro geschätzt. Unter der Erde erzählt die Archäologische Zone mit den Resten der Synagoge die Geschichte der Juden in Köln von der Antike bis zu ihrer Vertreibung im Jahre 1424. Im ersten Obergeschoß des Museums wird die Erzählung von 1424 bis zur Gegenwart fortgeführt.

Unter der Erde erzählt die Archäologische Zone mit den Resten der Synagoge die Geschichte der Juden in Köln von der Antike bis zu ihrer Vertreibung im Jahre 1424. Im ersten Obergeschoß des Museums wird die Erzählung von 1424 bis zur Gegenwart fortgeführt.

„In einem Keller haben wir fünf Nähmaschinen gefunden“, erzählt White, „nebenan eine Schuhmacherwerkstatt aus der Zeit unmittelbar vor dem Krieg: Gussformen für Sohlen von Damenschuhen“; im nächsten Keller Bücher und Schreibmaterialien; daneben Reste einer Uhrmacherwerkstatt. Mittendrin: Eine römische Apsis, die am Ende eines hallenartigen Baus gelegen haben muss. „Aber diesen Bau haben wir noch nicht gefunden“, so White. „Es würde passen, wenn es eine Basilika wäre.“

Stahlträger Miqua

Stahlträger stützen die alten Mauern.

Mit circa 14.000 Tonnen Sand und Schotterpolster wurde die Archäologische Zone verfüllt, damit die Deckplatte darüber gegossen werden konnte. Die werden jetzt Keller für Keller wieder herausgesaugt. „Und genau soviel historisches Füllmaterial haben wir zuvor hier rausgeholt, um das Terrain freizulegen“, ergänzt White. „Die Archäologen geben das Tempo und den Fortschritt der Baumaßnahmen vor“, sagt Zoppelt. „ Gary White sagt, welcher Stein für die Ausstellung erhalten bleiben muss, was wir sichern und erhalten sollen“. Seitdem der Betondeckel auf dem Rathausvorplatz liegt, können die Arbeiter nicht mehr über Leitern in die Keller steigen.

600 Meter langer Museumparcours

Für den zukünftigen, 600 Meter langen Museumparcours müssen deshalb jetzt unten Durchgänge durch die Wände geschnitten werden. Weil aber jede Kellerwand eine besondere Geschichte erzählt, ist allein die Wahl des Ausschnitts kompliziert und so auch die Durchbrüche. „Damit eine Wand nicht durchsackt, brauchen wir allein drei Wochen für die Aussteifung und Sicherung. Gesägt ist der Durchgang dann in vier Stunden“, sagt Zoppelt. „Schneller geht’s halt nicht“, erklärt der Bauleiter.

Allein ein Jahr wurden sie vor dem Hansasaal aufgehalten. „Wir wollten die Wandscheiben für die Aufnahme des Deckenfeldes vor der Bronzewand betonieren, da stellten wir fest, dass an dieser Stelle der Hansasaal keine eigenen Fundamente mehr hat. Die Gründung hörte einfach auf“, erzählt Zoppelt. „Wir mussten also zuerst den Hansasaal stabilisieren und sichern.“ Zentimeterarbeit, denn das massive römische Mauerwerk als Bestandteil der historischen Befunde davor durfte nicht beschädigt werden. „Die haben die Schubkräfte des Rathauses aufgefangen.“ 

Auf den Römermauern liegt noch die dunkle Lehmschicht der mittelalterlichen Kellerböden an der ehemaligen Judengasse. „Die haben ihre Keller direkt draufgebaut“, erzählt Archäologe Michael Wiehen. Kapriziöse Mauerreste, denen man keinen Stups geben möchte. „Um diesen Mauerzipfel zu erhalten, mussten wir in sechswöchiger Arbeit, Meter für Meter die Mauer unterfangen“, sagt Zoppelt. Auch aus baurechtlicher Sicherheit müssen wir sehr behutsam vorgehen. Aber der Durchbruch ist geschafft.“  

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