Azad Hawrami droht die Schließung seines „Internationalen Kiosks“ in Ehrenfeld; 1500 Personen unterzeichneten eine Petition.
Nachbarn wollen helfen„Internationaler Kiosk“ in Ehrenfeld erhielt Kündigung zum Jahresende

Azad Hawrami fürchtet um die Existenz seines Kiosks.
Copyright: Alexander Schwaiger
Schon von außen sieht man dem „Internationale Kiosk“ in Ehrenfeld an, dass er kein gewöhnliches Büdchen ist: Reihenweise Literatur und jede Menge neue wie gebrauchte Artikel für den Alltag sind durch die Glasfenster zu sehen. Doch den außergewöhnlichen Kiosk von Azad Hawrami in der Leyendeckerstraße 113 könnte es 2026 nicht mehr geben. Inhaber Azad Hawrami hat zum Jahresende die Kündigung erhalten. Er sagt: „Ich habe Angst um die Existenz, die ich mir in der Stadt und hier im Veedel aufgebaut habe.“
Aus den insgesamt etwa 60 Quadratmetern mit Küchenzeile und Lager soll eine moderne Erdgeschosswohnung werden, zumindest habe ihm das sein langjähriger Vermieter mündlich so mitgeteilt, sagt Hawrami. Einen offiziellen Grund für die Kündigung hat er in dem entsprechenden Schreiben im Spätsommer nicht erhalten. Das muss auch nicht drinstehen, es enttäuschte Hawrami aber. Das Verhältnis sei stets gut gewesen, sagt der Kioskbetreiber, es habe nie Probleme gegeben und „meine Miete habe ich immer pünktlich bezahlt“.
Azad Hawrami öffnete den außergewöhnlichen Kiosk in den vergangenen 15 Jahren täglich um 8 Uhr. Der studierte Lehrer und Autor kam 1997 aus dem kurdischen Teil der Türkei nach Köln. In seiner Heimat war die Lage gefährlich für politisch Aktive wie ihn.
Alles zum Thema Büdchen
- Nachbarn wollen helfen „Internationaler Kiosk“ in Ehrenfeld erhielt Kündigung zum Jahresende
- Raub in Bonner Nordstadt Jugendliche überfallen Kiosk mit Schusswaffe
- Lieblingsort in Köln-Niehl Chennai Chef – von außen Kiosk, im Innern südindische Köstlichkeiten
- „Es war wie in Italien“ So lebten italienische Gastarbeiterfamilien in der „Spaghettistraße“ in Köln
- Betreiber am Limit Wenn Kölner Büdchen zum Paketzentrum werden
- Zeitzeugengespräch Euskirchener erinnern sich an ihre Kindheit in Trümmern
- Infrastruktur in Rösrath Ein Ort für Briefe, Pakete und Spezialitäten bereichert Forsbachs Ortsmitte
Der 65-jährige Familienvater führt mit freundlichem Blick und weiten Gesten durch „sein Reich“, um die „vielen Schätze und Kostbarkeiten“ zu präsentieren, die es dort vom Boden bis zur Decke, auf Tischen, in Regalen und sogar von der Decke hängend zu entdecken gibt. Eine Gitarre und ein Fahrrad etwa, auf dem Tisch ein Schachbrett – und überall Bücher.
Im Kiosk-Innenraum stehen Kühlschränke mit Getränken und die klassischen Auslagen mit Süßigkeiten, Brot, Tabakwaren und Zeitungen – doch der Eindruck, sich eher in einem Krämerladen zu befinden, setzt sich auch im Verkaufsraum fort.
Hawramis Kiosk ist solidarischer Veedelstreffpunkt
„All diese Dinge haben die Leute hier hergebracht, die täglich zu mir kommen“, sagt Hawrami. Sie seien dafür bestimmt, dass bei Bedarf jeder und jede für wenig Geld etwas mitnehmen kann, dass andere nicht mehr benötigen. „Sehr solidarisch“ erlebe er die Veedelsstruktur, Paare, WGs oder Einzelpersonen entlang der Leyendeckerstraße seien regelmäßig da, brächten Leute mit, man verweile, plaudere und tausche sich aus.
Nun die Kündigung. Hawrami hatte einen alten Mietvertrag und wäre auch bereit, monatlich mehr zu zahlen, sagt er. Denn: „Wenn ich meinen Kiosk schließen muss, weiß nicht, was ich dann tun soll“, so der 65-Jährige. Er hofft darauf, den Vermieter noch umstimmen zu können – zu groß sei die finanzielle wie logistische Herausforderung, in Ehrenfeld neue Verkaufsräume zu finden und zu beziehen. Darum hat Hawrami sich an den Mieterverein gewandt, um sich auch rechtlich beraten zu lassen. Dieser Weg brachte ihm bislang nur einen zeitlichen Aufschub.

Schnell bekommt man den Eindruck, sich in einem Krämerladen zu befinden.
Copyright: Alexander Schwaiger
1500 Personen haben die Petition zum Erhalt des Geschäfts unterzeichnet
Gesa, die ihren Nachnamen nicht nennt, wohnt seit 2011 im Haus gegenüber und sagt: „Dieser Ort ist nicht nur ein Kiosk, er ist ein Dreh- und Angelpunkt für das Quartier und mit schönen Veranstaltungen wie Lesungen oder musikalischen Runden ein wichtiger Anlaufpunkt für viele Menschen.“ Zum Beispiel der deutsch-türkische Menschenrechtler Doğan Akhanlı, der inzwischen verstorben ist, hatte bei Hawrami 2017 eine Lesung veranstaltet.

Eine Bürgerinitiative hat sich zum Erhalt des Kiosks gebildet.
Copyright: Alexander Schwaiger
„Azad ist nicht einfach nur ein Geschäftsmann, er ist eine Art Veedelsonkel für Groß und Klein hier, ist immer da und hat für jede und jeden und alle Anliegen ein offenes Ohr – und immer ein Getränk“, formuliert es etwa Max Wehner, der vier Jahre lang im selben Haus gewohnt hat.
Die Nachbarn und zahlreiche weitere Menschen, die den Kioskbesitzer seit Jahren, teilweise vom ersten Tag an, kennen, wollen Hawrami helfen. Sie haben eine Petition gestartet. „Azad bringt hier Menschen zusammen, stärkt die direkten Nachbarinnen und Nachbarn, schafft einen Ort für alle Menschen und macht diesen zu etwas Besonderem: Mit seiner Offenheit, Wärme und seinem Einsatz ist er weit mehr als ein Gewerbebetreiber! Er ist ein wichtiger Teil unserer Nachbarschaft und mit der Zeit ein Freund geworden“, lautet ein Auszug daraus. 1500 Personen haben die Petition zum Erhalt des Geschäfts von Azad Hawrami bereits unterzeichnet. Auch der Kölner Wohnungsaktivist Karl-Heinz „Kalle“ Gerigk (Linke) gehört zum Unterstützer-Umfeld.
Nachbarn unterstützen den außergewöhnlichen Kölner Kioskbetreiber
Die Versuche der Freundinnen und Unterstützter des Kioskbetreibers, Kontakt zum Vermieter aufzunehmen und mit ihm ihr Anliegen zu verhandeln, seien bislang erfolglos geblieben, erzählen sie vor Ort. Auf Kontaktversuche der Redaktion reagierte der Vermieter über eine Anwaltskanzlei, die lediglich die Kündigung der Kiosk-Räume bestätigte.
Eine weitere Unterstützerin, die sich Lina nennt, sagt: „Mit dem Internationalen Kiosk würde Ehrenfeld nicht nur ein Geschäft verlieren, sondern einen lebendigen sozialen Mittelpunkt und einen wichtigen Kulturraum.“ Azad Hawrami hofft, dass es gelingt und er bleiben und die Menschen in seinem Kiosk weiterhin begrüßen kann.

