Bis zu sieben Autos hintereinanderKöln, die Hochburg der Zweite-Reihe-Parker

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Zweite-Reihe-Parker

Zweite-Reihe-Parker links und rechts der Berrenrather Straße.

Köln – Mitunter fragt man sich in dieser Stadt, weshalb die Autohersteller ihre Fahrzeuge nicht längst mit einer Art ZRPL ausgestattet haben – eine Zweite-Reihe-Park-Leuchte? Dann könnte man den auf der Fahrbahn stehenden Verkehrsteilnehmern zumindest eines nicht ankreiden: Die unerlaubte Betätigung der Warnblinkanlage, die – übrigens – für sich genommen schon einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung darstellt.

Wer auf der Fahrbahn parkt und dabei jemanden behindert, riskiert heute mindestens 80 Euro Bußgeld und einen Punkt in Flensburg. Das scheint viele Kölnerinnen und Kölner jedoch nicht davon abzuhalten, ihr Auto mitten auf der Straßen stehenzulassen, um einen Imbiss zu holen oder einkaufen zu gehen. Das Parken nach Wild-West-Manier lässt sich vor allem samstags auf eindrucksvolle Weise beobachten.

Zweite-Reihe-Parker-Umzug

Ein mitten auf der Fahrbahn stehender, privater Umzugstransporter zwingt jedes nachfolgende Auto auf die Gegenfahrbahn

12.30 Uhr, Berrenrather Straße in Sülz: Vor einer Bäckerei-Filiale steht ein silberner Alfa Romeo auf der Fahrbahn. Der Abstand von der Beifahrertür zur Gehweg-Erhöhung beträgt knapp einen Meter. Während der Fahrer, ein junger Mann, aussteigt und die Bäckerei betritt, müssen nachfolgende Fahrzeuge kurz auf die Gegenfahrbahn ausweichen. Hätte der Alfa-Fahrer sich bequemt, nur elf oder zwölf Meter weiter vorzufahren, hätte er sich mühelos in eine vorhandene Parklücke setzen können. Aber warum – für nur mal schnell Brötchen holen?

Vorhandene Parklücken werden ignoriert

Ebenfalls vor der Bäckerei steht ein weißer Transporter – bis zum Dach beladen mit Hausrat und Möbeln, wie man angesichts der geöffneten Hecktüren feststellen kann. Von der Besatzung keine Spur. Kurz nachdem der Alfa-Fahrer mit Brötchentüte zurückgekehrt und losgefahren ist, nähert sich ein roter VW, bleibt auf der Fahrbahn stehen und betätigt die Warnblinkanlage. Die ausreichende Parklücke weiter vorn interessiert auch diesen Fahrer nicht. Während die Beifahrerin aussteigt, greift er zum Handy und tippt etwas ein. „Sie wissen schon, dass das hier kein Parkplatz ist?“, frage ich die zur Bäckerei gehende Beifahrerin.  – „Ja, aber ich bin doch in einer Minute zurück!“

Zweite-Reihe-Parker-Mini

Der Mini steht auf der Fahrbahn trotz der ausreichenden Parklücke wenige Meter weiter vorn. 

Wenig später kommen fünf junge Leute aus dem Haus neben der Bäckerei. Zwei tragen eine Doppelbettmatratze und lehnen diese an den weißen Transporter. Jetzt wird erstmal ein Zigarettchen gedreht und diskutiert, wie man das sperrige Ding in den schon ziemlich vollen Laderaum bekommt. Derweil muss auch hier jedes nachfolgende Fahrzeuge einen Bogen machen und auf die Gegenfahrbahn ausweichen.

„Wo sind denn hier die Ordnungskräfte?"

Vier Minuten später kommt die Beifahrerin aus dem vor dem Transporter stehenden Fahrzeug mit Brottüten zurück. Kurz danach nimmt ein weißer Passat Kurs auf diese offenbar begehrte Bäckerei-Anlaufstelle. „Sie wissen schon, dass Sie das einen Punkt kosten kann?“, frage ich die ausgestiegene Fahrerin. „Nein“, entgegnet diese, schaut eine Sekunde etwas irritiert zu dem Blöckchen in meiner Hand und meint dann: „Von mir aus melden Sie mich doch! Ich hab’ jetzt keine Lust zu diskutieren.“ Und schon ist sie an mir vorbei. 

„Wo sind denn hier die Ordnungskräfte?“, fragt eine Anwohnerin mit Blick auf die zugeparkte Straße und äußert ihren Ärger darüber, dass sie „letzte Woche in der Innenstadt 30 Euro löhnen“ musste, weil der Parkzettel in ihrem Auto bereits abgelaufen war. Während sie spricht, kurvt ein Radler im Halbkreis um den auf der Fahrbahn stehenden Passat. „Genau deswegen traue ich mich hier nicht mehr aufs Rad“, stellt die Anwohnerin fest und läuft kopfschüttelnd weiter. 

„Wen stören wir hier denn?"

Das Grüppchen mit der Matratze schwadroniert noch immer, während der weiße Transporter weiter den Verkehr behindert. „Euch ist schon klar, dass Ihr mitten auf der Straße steht“, werfe ich in die Runde. „Ich weiß nicht, was Sie das angeht“, entgegnet eine Frau aus der Gruppe. „Wen stören wir hier denn?“ – „Den nachfolgenden Verkehr“, sage ich und deute auf den Wagen, der im nächsten Moment über den Mittelstreifen fährt. Die Frau zuckt mit den Achseln.

Zweite-Reihe-Parker-Behinderung

Ohne Rücksicht auf den Behindertenparkplatz wird auf der Fahrbahn gehalten.

Das griechische Lokal eine Straßenecke weiter macht seinem Namen als Schnellimbiss alle Ehre, trotzdem braucht selbst eine Gyros-Pita ihre Zeit. Die hungrigen Kunden warten hier gern, denn sie sitzen ja warm und bequem in ihrem Fahrzeug. An diesem Samstagmittag sind es drei hintereinander, die die Fahrbahn halbieren. Hinzu kommen die, die auf der gegenüber liegenden Seite auf ihre Pizza beim Italiener warten.

„Ich warte nicht, ich arbeite!"

Stopp! Falsch beobachtet. „Ich warte nicht, ich arbeite“, erklärt der Fahrer eines braunen Renault, der sich mit seinem Laptop auf den Oberschenkeln offenbar als legitimer „Streetworker“ versteht. „Wir brauchen die zweite Reihe hier“, betont der Immobilienmakler aus dem Kölner Süden und verweist auf Absprachen mit anderen Gewerbetreibenden und auf ein in Sülz angeblich übliches, „fließendes Miteinander“. 

Zweite-reihe-parker-duerener

Auch auf der Dürener Straße wird auf der Fahrbahn geparkt.

Noch ein paar Meter weiter ist eine Situation zu beobachten, die man fast schon als Nadelöhr bezeichnen könnte. Vier Zweite-Reihe-Parker vor der Questerhof-Apotheke und zwei gegenüber vorm Café. Auch hier wäre ein regulärer Parkplatz zu haben gewesen. Aber der wird durch das Anhalten mitten auf der Fahrbahn natürlich gleich mit blockier. Ein dunkelhaariger Mann kommt mit großem Paket aus der Post-Filiale, überquert die Straße und lädt das sperrige Ding in seinen warnblinkenden Fiat Punto. Doch anstatt dann einzusteigen und wegzufahren, verschwindet er im Ein-Euro-Laden.

„Extra noch mal einkaufen gegangen"

„Ich bin jetzt extra noch mal einkaufen gegangen“, stellt Arne, ein freundlicher Student, mit Blick auf die Situation fest. Sein Ford Fiesta ist noch immer eingekeilt, doch jetzt gelingt es ihm mit Mühe und viel Kurbelei, seinen Pkw durch die Lücke zwischen zwei Zweite-Reihe-Parkenden hindurch auf die Fahrbahn zu lenken. Ein weniger gelassener Typ hätte den rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer wahrscheinlich mittels Dauer-Hupe zum seinem Auto zurück gezwungen.

Sekunden nachdem der Student weg ist, schließt ein Audi die Lücke auf der Fahrbahn vor dem Ein-Euro-Laden. Unmittelbar drauf nähert sich aus Richtung Innenstadt ein schwarzer Mercedes und bleibt neben einer mit einem Rollstuhl markierten Fläche auf der Fahrbahn stehen. Wenn jetzt ein Mensch mit Behinderung dort einen Parkplatz braucht, hat der eben Pech gehabt. Insgesamt stehen jetzt sieben Falschparker hintereinander. 

Auch in Lindenthal wird die 80-Euro-Geldbuße riskiert

Anders als bei den Gebrüdern Grimm, die Sieben auf einen Streich zu einer märchenhaften Geschichte verweben, ist die Eroberung der Fahrbahn zu Parkzwecken im Kölner Straßenraum tägliche Realität. Die Berrenrather Straße, wo sich stadteinwärts auch vor der Rewe-Filiale und vor Naturata Zweite-Reihe-Konstellationen bilden, ist diesbezüglich womöglich das auffälligste Terrain. Aber auch in Lindenthal werden offenbar ohne mit der Wimper zu zucken 80 Euro riskiert; und das, obwohl man aufgrund des Anschaffungspreises der meisten falsch geparkten Fahrzeuge vermuten könnte, dass sich die Halter auch ein Taxi zum Einkaufen leisten könnten. 

Auf der Dürener Straße sind es gegen 13.45 Uhr insgesamt sechs Fahrzeuge, die zwischen Hans-Sachs-Straße und Gürtel in der zweiten Reihe stehen. Auffallend ist hier, dass die Verstöße nur eine Straßenseite betreffen, was daran liegen könnte, dass die Parkbuchten auf der anderen Seite quer zur Fahrbahn angeordnet sind und man offenbar mehr Scheu hat, sich hinter das Heck eines anderen zu stellen, als ihn seitwärts zu blockieren. Auch die Anfänge von Seitenstraßen, die auf eine Einkaufsstraße zulaufen, sind ein beliebtes Park-Pflaster, um mal schnell Hemden aus der Reinigung oder Aufschnitt beim Metzger zu holen.

Wirksamste Waffe gegen Zweite-Reihe-Parker sind Radwege

Es scheint jedoch eine wirksame Waffe gegen Fahrbahn-Zusteller zu geben: Das sind gut sichtbare, zudem rot gekennzeichnete Fahrradwege – wie etwa die auf der Venloer Straße. In der Zeitspanne zwischen 14 und 14.30 Uhr ist an diesem Samstag zwischen Gürtel und Innerer Kanalstraße nicht ein Fahrzeug auf der Fahrbahn auszumachen. Auch kein Paketzusteller. Ein schier unglaubliches Maß an Mustergültigkeit.

Dasselbe gilt für den vergleichbaren Abschnitt der Neusser Straße. Erst im Agnes-Viertel, also dort, wo parallel zum Bürgersteig kein Fahrradweg markiert ist, stehen Fahrzeuge – zwei Transporter, ein Pkw – in der zweiten Reihe. Ähnliches ergibt die Beobachtung an der Luxemburger Straße. Auch dort ist eine der jeweils zwei Fahrspuren in eine Richtung an drei Stellen durch ein stehendes Fahrzeug unpassierbar geworden. Allerdings ist die Situation dort nicht annähernd vergleichbar mit der parallel verlaufenden Berrenrather Straße. Vor Gebäude 349 steht eine Stunde später noch  immer der braune Renault des Immobilienmaklers auf der Fahrbahn. Jetzt allerdings verwaist.

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