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Draußen und ohne VereinKölner Rat reagiert auf verändertes Sportverhalten der Bürger

Lesezeit 8 Minuten
Basteilauf in KÖln

Läufer beim Basteilauf in Köln 2019

Köln – Am Donnerstag wird der Stadtrat den Sportentwicklungsplan beschließen – einen umfangreichen Handlungsleitfaden, der zur Grundlage zahlreicher Maßnahmen werden soll. Vor zwei Jahren hatte der Rat externe Experten mit der Erstellung des Plans beauftragt. Es sollte nicht nur um konkrete Belange des Sports gehen. Vielmehr sollte sich die Sportpolitik der Stadt mit der Freiraum-, Jugend- und Schulentwicklungsplanung verbinden.

Der Sport wird mit dem Plan zum wichtigen Bestandteil der Stadtentwicklungspolitik erklärt. Weil sich der Sport und das Freizeitverhalten verändern und die Stadt vor neuen Herausforderungen durch den demografischen Wandel steht, muss sich das Angebot der Stadtverwaltung, aber auch der Sportvereine ändern. Das Expertenteam um den Mannheimer Sportwissenschaftler Robin Kähler macht zahlreiche Vorschläge, darunter fünf Modellprojekte in verschiedenen Stadtteilen.

Die meisten Kölner gehen am liebsten Joggen

Dem rund 160 Seiten dicken Papier mit vielen Anlagen sind zahlreiche Analysen, aber auch Befragungen vorausgegangen. So gab es Arbeitsgruppen mit Vertretern des Vereinssports oder eine Online-Befragung der Bürger. Über 2400 Kölner haben mitgemacht. Das Ergebnis unterstrich die Bedeutung von Sportangeboten im Freien, für die man keinen Sportverein braucht.

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Das heißt nicht, dass der Vereinssport „out“ ist. Doch auf Platz eins der sportlichen Lieblingsbeschäftigungen der Kölner landeten mit einer Quote von über 70 Prozent „Fitnesssport und Joggen“. Wir porträtieren drei Sportarten, die für diesen Trend stehen.

Muskelaufbau im Kölner Grüngürtel

Bewegungsparcours Köln - Kristin Müller trainiert im Beethovenpark

Kristin Müller, 30 Jahre, trainiert ihre Bauchmuskeln im Beethovenpark

Musikbox aufgestellt, Stirnband angezogen – und schon kann es losgehen: Am Bewegungsparcours im Beethovenpark machen viele Jogger und Sportbegeisterte halt, um Ausdauer zu trainieren und Muskeln aufzubauen. So auch Stefan Simon: Der 32-jährige Beamte kommt gerade von der Arbeit und lässt zur Motivation Popsongs aus seiner tragbaren Musikbox ertönen. „Ich trainiere am liebsten Waden, Oberschenkel, Brust und Trizeps“, zählt Simon auf, der auch die Bewegungsparcours im Inneren Grüngürtel und am Decksteiner Weiher kennt. Das Angebot an Parcours-Anlagen in der Stadt reiche ihm. „Eine Sache aber, die fehlt: Das sind Geräte, um den Bizeps zu trainieren“, sagt der 32-Jährige.

Krankenpflegerin Kristin Müller ist, was die Bewegungsparcours angeht, wunschlos glücklich. Die 30-Jährige legt nach ihrer Joggingrunde durch den Park einen Stopp ein, um ihre Bauchmuskeln zu trainieren. „Ich verbringe an den Geräten zehn Minuten, bevor ich nach Hause jogge“, sagt Müller. Ihr sei noch nie der Gedanke gekommen, dass etwas fehle, außer: „Es könnte mehr öffentliche Beachvolleyballplätze geben“, sagt die begeisterte Volleyballspielerin.

In Köln gibt es elf Bewegungsparcours

Lob für die gute Pflege und Instandhaltung hat Marco, der nicht mit vollem Namen in der Zeitung genannt werden will. Der 39-jährige Wissenschaftler macht mit seinem Sohn samt Kinderwagen nach einem Spaziergang am Bewegungsparcours halt: „Ich finde diesen Bewegungsparcours super und gut in Schuss gehalten – es ist ein guter Ausgleich zur Büroarbeit“, sagt er.

„Die Bewegungsparcours sollen Menschen unterschiedlichen Alters ansprechen und sich ebenfalls an ältere Menschen richten, die ihre Feinmotorik verbessern möchten“, sagt Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen, und verweist auf entsprechende Angebote am Inneren Grüngürtel.

In Köln gibt es elf Bewegungsparcours, 18 weitere sind in Planung. Im Frühjahr sollen bereits die ersten Geräte am Lohsepark in Nippes aufgestellt werden, fertiggestellt sein werde er Ende des Jahres, sagt Bauer. Drei weitere Bewegungsparcours sind für dieses Jahr geplant: Im Friedenswald in Rodenkirchen, an der Eissport- und Schwimmhalle Lentpark in Nippes und am Wildgehege im Wildpark Brück.

Bürgervereine und Stiftungen finanzieren Bewegungsparcours in Köln

Finanziert wurden die Bewegungsparcours am Anfang ausschließlich von Stiftungssponsoren, bis Bürgervereine hinzukamen. Mittlerweile fließt aus den Stadtverschönerungsmitteln der jeweiligen Bezirksvertretungen, die jährlich 100000 Euro umfassen, ebenfalls Geld hinzu.

Da es städtische Einrichtungen auf öffentlichem Grund seien, sei bei Unfällen die Stadt haftbar, erklärt der stellvertretende Amtsleiter Bauer, weist aber darauf hin, dass diese Geräte kein Spielplatz für Kinder sind. Im Sportentwicklungsplan wird Fitness mit etwas mehr als 40 Prozent von den Befragten als ausgeübte sportliche Betätigung genannt.

Skater treffen sich am Rhein

Skatepark Rheinauhafen

Skater auf der Anlage am Rheinauhafen

Skaten ist eine Welt für sich. Ausgebeulte Hosen, Sneakers, Kapuzenpullover und Basecap oder die Kapuze auf dem Kopf. Und natürlich das Board unter den Füßen. Aber auch ein Stückchen Freiheit. Dennis Gronenberg und Lenny Suhr sind erst ganz frisch wieder dabei. „Unsere intensive Skatephase hatte wir beide als Teenager“, sagt der 22-jährige Dennis Gronenberg. Die beiden haben sich durch ihr Studium kennengelernt. Kurzerhand haben sie sich vor ein paar Wochen entschlossen, wieder mit dem Skaten anzufangen. Nun treffen sie sich ein- bis zweimal die Woche im Skatepark KAP 686 im Rheinauhafen.

„Der Platz ist wirklich super, deswegen wollen wir ihn eigentlich nicht zu sehr loben, sonst ist hier bald noch mehr los als ohnehin schon“, sagt Gronenberg lachend. Nicht nur Jugendliche, auch Kinder und junge Erwachsene zieht es hierher. Der Park ist über 2000 Quadratmeter groß und bietet Platz zum Skaten, BMX fahren, Inlinern und mehr.

Skaten wird in Köln immer beliebter

Der Skatepark gehört zu einer der 14 öffentlichen Anlagen, die die Stadt Köln finanziert – etwa die Rampe unter der Zoobrücke und die Lohserampe. Der Sport wird immer beliebter. Ab 2020 soll Skaten zur Disziplin bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio werden. Deshalb wird der Park am Merheimer Heideweg, Ecke Frankfurter Straße bald kernsaniert. Er wird als erster Platz in allen Facetten rollstuhlfahrergerecht werden.

Angesichts der vielen Menschen, die selbst etwa an einem kalten Februartag am Rheinufer aufschlagen, wäre eine weitere Alternative nicht die schlechteste Idee. Flüche hallen über den Skateplatz KAP 686. Skater kommen sich ständig in die Quere. Lenny Suhr kennt das nur zu gut. „Verletzungen sind ein Preis, den man bereit sein muss zu zahlen. Prellungen, angebrochene Rippen und Bänderrisse sind hier an der Tagesordnung“, weiß er. Und wie steht es mit der Haftung? „Vor dem Platz habe ich mal ein Schild gesehen, auf dem steht, dass die Stadt bei einem Unfall nicht haftet“, sagt Lenny Suhr.

„Unter Skatern würde aber niemand die Stadt verklagen“

Klaus Zander, Leiter der Sportförderung beim Sportamt, weiß um dieses Problem. „Die Stadt Köln ist für die Sicherheit auf den öffentlichen Sportplätzen verantwortlich. Wenn sich nun ein Skater verletzt und nachweisen kann, dass die Schuld bei der Stadt liegt, weil zum Beispiel eine Rampe defekt ist, haftet die Stadt“, sagt er.

„Unter Skatern würde aber niemand die Stadt verklagen“, ist sich Dennis Gronenberg sicher. „Dafür sind wir viel zu stolz. Wenn ich hinfalle, suche ich die Schuld nicht bei anderen, sondern bei mir. Und das ist auch mein Stichwort, ich muss jetzt los, damit mir nicht wieder kalt wird.“ Und er rollt hinter seinem Freund her, auf die nächste Rampe zu.

Tischtennis für jedermann

Es ist das Spiel der schnellen Reaktionen und des noch schnelleren Balls: Tischtennis. Aktuell stehen nach Angaben der Stadt rund 130 Platten an öffentlichen Plätzen. Wer spielt hier und in welchem Zustand sind die Platten?

Tischtennis spielen im Lohsepark

An einer Platte im Lohsepark in Nippes liefern sich Simon und Gottfried ein Duell. Simon schmettert den Ball, Gottfried kann gerade noch kontern. Doch schon kommt der zweite Schlag – Punkt für Simon. „Das Tolle daran ist, dass man kaum etwas braucht“, sagt der 28-Jährige Tourismuswirtschaft-Student, „bloß Kelle einpacken und los geht’s!“

Er und Gottfried treffen sich häufig zum Spielen. Simon wohnt in Nippes, der 29-jährige Gottfried im Agnesviertel, die Platten im Lohsepark liegen in der Mitte. Rund drei bis vier Stunden kann das dauern. Manchmal kommen sie mit Freunden, dann spielen sie Doppel oder Rundlauf. „Jeder kann es spielen“, sagt Gottfried. Wer es richtig macht, sei zu 100 Prozent involviert, Beinarbeit und Technik sind gefordert.

Einige Tischtennisplatten in Köln in schlechtem Zustand

Mit dem Angebot sind die beiden zufrieden. „Man muss sie nur finden“, sagt Simon schmunzelnd. Häufig stoßen sie auf Platten per Zufall. Positiv sei, dass die öffentlichen Tischtennisplatten genug Platz bieten. Problematisch sei manchmal der Zustand. „Manche stehen schräg, andere haben Huckel auf der Oberfläche“, sagt Gottfried. Vom Spielen hält sie das nicht ab. „Unsere Ansprüche sind nicht hoch“, sagt Simon. Die Stadt bemüht sich, die Qualität zu erhalten. „Wenn der spielbare Zustand nicht mehr da ist, tauschen wir die Platten aus“, sagt Petra Heinemann, Abteilungsleiterin für Kinderinteressen im Jugendamt.

Jede Woche werden die Spielplätze der Stadt kontrolliert. Die Gründe für Schäden sind verschieden: „Das kann im Winter Wasser sein, dass in kleinen Lücken gefriert“, sagt Heinemann, „oder aber Vandalismus.“ Das Ersetzen einer Platte kostet etwa 2400 Euro.

Mehr Menschen wollen sich draußen bewegen

Einige hundert Meter von Simon und Gottfried entfernt spielt die 53-jährige Regina mit Tochter Lisa. Sie spielen selten, aber wenn das Wetter stimmt, suchen sie sich gerne eine Platte. Der Lis-Böhle-Park ist windgeschützt, sie haben Glück, heute spielt niemand anderes hier. „Aber nach kurzer Suche lässt sich sonst immer eine Platte finden“, fügt Lisa hinzu. Schon beginnt das Spiel. „Tischtennis ist der beste Sport, den ich kenne“, sagt Regina. Eine ideale Freizeitbeschäftigung, mit der sie sanft Kalorien verbrennt und nach ein, zwei Stunden ausgepowert ist.

Auch der 25-Jährige Murat aus Chorweiler hat Gefallen am Spiel. „Ein super Sport, um ihn mit Freunden zu spielen“, sagt er. Häufig zieht er am Wochenende auch alleine los, Tischtennis sei perfekt, um neue Leute kennenzulernen. „Wir erleben aktuell eine starke Tendenz, dass mehr Leute sich draußen betätigen wollen“, sagt Heinemann. Besonders: Das Alter sei dabei egal.