Kölner JustizWarum dieser Startschuss das Ende des Gürteltiers bedeutet

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Gaben in Köln den Startschuss für die elektronische Akte: Landgerichtspräsident Roland Ketterle, Vizepräsidentin Bettina Meincke und NRW-Justizminister Peter Biesenbach (v.l.)

Köln – Das Gürteltier, so nennen Juristen die dicken mit Stoffband zusammen gehaltenen Akten, ist vom Aussterben bedroht. Und auch die Eselsohren  werde es bald nicht mehr geben, sagte Roland Ketterle, Präsident des Kölner Landgerichts, als er am Mittwoch zusammen mit NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) den Startschuss zur elektronischen Verfahrensakte gab.

Köln ist Vorreiter, bis 2026 soll alles papierfrei sein

In Zukunft sollen sich die Richter einen rein digitalen Vermerk machen. Alle 51 Abteilungen für Zivil- und Handelssachen im Kölner Landgericht sollen bereits bis zum kommenden Juni papierfrei werden, Strafsachen folgen bis Ende 2022. Spätestens 2026 soll das dann für alle Justizbehörden des Landes gelten.

Der größte Vorteil sei es, dass in Zukunft keine Akten mehr hin und her geschickt und für viele Beteiligte kopiert werden müssten, was viel Zeit in Anspruch nehme, so Ketterle. Mehrere Kollegen könnten digital gleichzeitig an der Akte arbeiten, auch aus dem Homeoffice heraus. Effizienz sei hier das Stichwort, Verfahren würden beschleunigt, in gleicher Zeit könne mehr erledigt werden. Das Programm erinnert den Benutzer etwa daran, bestimmte Aufgaben zu erledigen, wie etwa ein Urteil fristgerecht abzusetzen.

Präsident des Landgerichts will kein Personal einsparen

„Ziel ist es nicht, Personal einzusparen“, sagt Ketterle auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, die elektronische Akte gebe aber allen die Möglichkeit, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren.

Das Landgericht hat ein Team zusammengestellt, das die Mitarbeiter schulen und vielen die Scheu nehmen soll. „Ich erinnere mich noch an die Einführung der Computer, da habe ich gesagt, man soll mich damit in Ruhe lassen. Das war ein großer Fehler“, räumte Minister Biesenbach ein.

NRW-Minister: Ein Alptraum wären Hacker

Die zu erwartenden riesigen Datenmengen würden auf Servern im zentralen Justiz-Rechenzentrum in Münster gespeichert. „Ein Alptraum, wenn da Hacker kommen würden“, sagte Biesenbach.

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Die Sicherheit müsse laut Minister zu jeder Zeit gewährleistet sein, zumal man auch mündliche Verhandlungen per Videokonferenz plane und so das Justiznetzwerk zumindest teilweise für Außenstehende geöffnet werden müsse. Natürlich gebe es  Sicherungskopien der Akten.  Auch auch nur digital.

Rechtsanwalt: Wichtig, dass die Technik läuft

Zuversichtlich zeigte sich auch Martin W. Huff, Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln. Man habe eine direkte Schnittstelle zum Gericht, könne etwa viel schneller Akteneinsicht nehmen. „Wichtig ist nur, dass die Technik auch läuft“, sagte Huff. Die Ausstattung im Kölner Justizgebäude lässt hier freilich zu wünschen übrig, es muss an diversen Stellen nachgerüstet werden.

Alle Hoffnungen liegen auf dem Neubau, der direkt nebenan realisiert werden soll. Der werde sicher allen Ansprüchen genügen, versprach der Landgerichtspräsident. Das wolle er sich anschauen, auch wenn er das neue Gebäude, das frühestens 2028 fertig gestellt werden soll, wohl mit Hilfe eines Rollators betreten müsse, scherzte der 72-jährige Biesenbach.

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