Nach Radunfall in LindenthalErmittlungen gegen Mitarbeiter der Stadt Köln

Die Unfallstelle auf dem Radweg an der Mommsenstrasse und der Saeckeringstrasse in Lindenthal im Januar 2020.
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Köln – Der Anrufer ist kurz angebunden, als er sich in der Redaktion meldet. In seinen Worten schwingt Ärger mit, Fassungslosigkeit, ein bisschen Resignation, aber auch ein Schuss Galgenhumor. „Schauen Sie es sich einfach selbst an, Sie werden sehen, was ich meine“, sagt der Anwohner der Mommsenstraße in Lindenthal noch. Dann legt er auf.
Ortstermin tags darauf. Es wird sofort klar, wovon der Anrufer sprach. Es geht um den Radweg – oder das, was mal ein Radweg war und nun nach der Sanierung ein Gehweg ist. Oder doch noch ein Radweg? Oder beides? Es wird nicht ganz klar. Die Reste eines rot markierten Fahrradstreifens führen nach wie vor über die Einmündung zur Säckinger Straße, aber sie enden neuerdings abrupt im Nichts – halb auf dem Gehweg, halb auf dem unbefestigen Randstreifen neben den Bäumen.
Hirnblutung nach schwerem Sturz mit dem Rad
Hier, an der Säckinger Straße, ist im Dezember 2019 die damals 28 Jahre alte Andrea Lukas (Name geändert) so schwer mit ihrem Fahrrad gestürzt, dass sie das Bewusstsein verlor (hier lesen Sie mehr) und mit einer Hirnblutung und gebrochenen Knochen auf der Intensivstation landete. Sie hatte einen Hubbel auf dem Radweg übersehen, eine Wölbung des Asphalts durch darunter liegende Baumwurzeln.
Die Polizei hatte Ermittlungen gegen Lukas eingeleitet, weil nach Ansicht der Behörde zunächst der Verdacht bestand, Lukas könnte gegen Paragraf 49 der Straßenverkehrsordnung verstoßen haben: unangepasste Geschwindigkeit, fehlendes Licht, Fahren unter Alkohol oder Telefonieren während der Fahrt.

Die Unfallstelle an der Mommsenstraße im Januar 2021
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Anwalt des Opfers dreht den Spieß einfach um
All das hat sich nicht bewahrheitet. Die Ermittlungen gegen Lukas wurden eingestellt. Aber ihr Anwalt drehte den Spieß kurzerhand um: Er stellte Strafanzeige gegen die Stadt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung im Amt gegen einen zuständigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung.
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Nach Angaben des Sprechers der Staatsanwaltschaft, Ulrich Bremer, prüft die Behörde, ob der Betreffende Kenntnis davon gehabt haben könnte, dass die Stelle auf der Mommsenstraße möglicherweise als unfallträchtig galt und – falls ja – er es „pflichtwidrig unterlassen haben könnte, diesem Umstand abzuhelfen“. Der Ausgang des Verfahrens ist völlig offen.
Anwohnern klagten über Zustand des Radwegs
Stadtsprecher Robert Baumanns hatte schon vor einem Jahr, kurz nach Lukas’ Unfall, länger zurückliegende Beschwerden von Anwohnern über den mangelhaften Zustand des Radwegs an der Mommsenstraße bestätigt und betont, die Fahrbahn sei „sanierungsbedürftig, aber noch verkehrssicher“ und werde bald instand gesetzt.
Schlechte Radwege in Köln? Senden Sie uns Ihre Fotos
Kölner, die regelmäßig mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs sind, machen täglich schlechte Erfahrungen mit dem Zustand vieler Radwege. Die einen enden im Nichts, die anderen sind mit Schlaglöchern übersät oder von Baumwurzeln zerstört.
Die Lokalredaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ruft die Leser auf, Fotos von den schlechtesten Radwegen einzuschicken und ein paar Sätze zum Ort und den Problemen dort zu schreiben. Nach dem Start der Aktion haben sich viele Leser bereits rege beteiligt. Einsendungen per E-Mail an: koeln@ksta.de
Dies ist inzwischen geschehen. Der ehemalige Radweg ist nun laut Stadtverwaltung ein „kombinierter Geh- und Radweg“ – jedenfalls vorerst. An einer Dauerlösung wird bei der Stadt offenbar noch gefeilt. An einigen Stellen rund um die Bäume haben die Arbeiter wegen der hochstehenden Wurzeln ganze Gehwegplatten entfernt. Und das wird auch so bleiben. Die Arbeiten seien abgeschlossen, sagt Baumanns. „Absehbar werden die vorhandenen Flächen des bisherigen Geh- und Radwegs aufgrund der Baumwurzeln in diesem Straßenabschnitt weiter eingeschränkt sein.“ Fußgänger und Radfahrer kämen sich auf dem engen Weg in die Quere, eine gemeinsame Nutzung könne künftig nicht mehr erfolgen. „Die endgültige Führung des Radverkehrs ist derzeit Gegenstand von Planungsüberlegungen.“
Dichtes Gedränge vor allem im Berufsverkehr
Die Benutzungspflicht für den Radweg wurde aufgehoben, Fahrradfahrer können also nunmehr auch die Straße nutzen. Die Mommsenstraße ist allerdings ebenfalls so schmal, dass Auto- und Radfahrer vor allem im Berufs- und Schulverkehr nur mit Mühe und viel Rücksicht aneinander vorbei kommen. Das klappt nicht immer friedlich. „Mich ärgert das ständige Gehupe der Autofahrer“, sagt Andrea Lukas.
Die 29-Jährige hat sich von ihrem schweren Sturz erholt und ist mittlerweile genesen. Die Mommsenstraße meidet sie wenn möglich heute als Radfahrerin. Denn auch nach der Sanierung sei die damalige Unfallstelle „der reinste Flickenteppich“, sagt sie. Der Umgang der Stadt mit diesem Abschnitt, klagt Lukas, sei „nicht zufriedenstellend“ – und ein Beleg dafür, wie weit entfernt Köln davon sei, eine fahrradfreundliche Stadt zu sein.