„Schwer zu ertragen“Staatsanwältin attackiert Anwalt bei Kölner Gift-Prozess

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Die angeklagte Maklerin (42) mit ihrem Verteidiger Jürgen Graf im Landgericht Köln.

Köln – Kurz vor der Sommerpause wurde der Ton im Prozess um einen vergifteten Mediziner noch einmal rauer. „Das ist schwer zu ertragen“, sagte Staatsanwältin Margarete Heymann zu den Ausführungen von Verteidiger Jürgen Graf. Und legte nach: „Ich habe den Eindruck, dass Sie zeitweise an einer anderen Hauptverhandlung teilgenommen haben.“ Auch der Richter schlug in diese Kerbe.

Anwalt: Senior hätte das nicht überleben können

Die erfahrene Mordermittlerin hatte sich zuvor einen Vortrag des Verteidigers angehört, der die Unschuld seiner Mandantin untermauern sollte. Der Maklerin wird versuchter Mord an ihrem Schwiegervater vorgeworfen, die Diabetikerin soll ihm bei einem Besuch in dessen Villa eine hohe Dosis Insulin verabreicht haben. Der Senior überlebte eine schwere Unterzuckerung und ist heute ein Pflegefall.

Anwalt Graf argumentierte mit den Ergebnissen zweier von der Angeklagten beauftragten Gutachter. Demnach hätte der Senior nach der Gabe einer so hohen Menge an Insulin, wie sie derzeit in Rede stehe, nicht bis zum nächsten Tag überleben können. Von der Gerichtsmedizin zitierte Fälle, wonach Patienten Unterzuckerungen von mehreren Tage überstanden hätten, seien nicht zu vergleichen.

Staatsanwältin spricht von falschen Sachverhalten

Der Verteidiger forderte, die herangezogenen ausländischen Fallbeispiele komplett ins Deutsche zu übersetzen, womit die Abweichungen zum hiesigen Fall deutlich würden. Graf kritisierte auch, dass die Rechtsmedizinerin sich in der Frage des möglichen Überlebens auf ein Bauchgefühl verlassen habe – und zog damit den beschriebenen Unmut von Staatsanwältin Heymann auf sich.

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„Sie tragen hier falsche Sachverhalte vor“, wies Heymann den Verteidiger zurecht. Die Rechtsmedizinerin habe sich lediglich bei der verabreichten Menge an Insulin – und auch nur einmal – aufs Bauchgefühl verlassen, sie habe es aber „mitnichten“ auf ein mögliches 16-stündiges Überleben bezogen. Auch hätten die angesprochenen Gutachter erklärt, dass es keine Studien dazu gebe.

Opfer-Anwalt deutete weitere mögliche Tatbegehung an

„Es ist erschreckend zu sehen, dass sie die Logik dahinter nicht verstehen“, konterte Anwalt Graf die Einwände der Staatsanwältin. Und er bekräftigte: Mehrfach habe die Rechtsmedizinerin sich auf ihr Bauchgefühl berufen. An dieser Stelle mischte sich der Vorsitzende Richter Peter Koerfers ein. „Diese erneute Behauptung kann nur erstaunen“, sagte Koerfers sehr ruhig, aber bestimmt.

Die Nerven bei der Verteidigung scheinen strapaziert, nachdem Opfer-Anwalt Tobias Westkamp eine weitere mögliche Insulin-Injektion angedeutet hatte. Die Angeklagte habe den Schwiegervater ja noch auf der Intensivstation besucht. Ob das Gericht diese „Nebelkerze“ aufgreifen wolle, wollte Verteidiger Graf wissen. „Das werden wir alles beraten“, sagte der Richter und schloss die Sitzung.

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