Neuer Tatplan?Anwalt mit brisantem Statement in Kölner Prozess gegen Schwiegertochter

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Die angeklagte Maklerin (42) mit ihrem Verteidiger Jürgen Graf im Landgericht

Köln – Es war ein kurzer Einwand mit hoher Brisanz. Im Prozess um einen mutmaßlich vergifteten Arzt (82) aus dem Kölner Westen hat Nebenklage-Anwalt Tobias Westkamp eine weitere mögliche Tatbegehung seitens der Schwiegertochter angedeutet. Westkamp vertritt den Schwager der Angeklagten, der versuchter Mord vorgeworfen wird. Ihr droht eine lebenslange Haftstrafe.

Gutachter beschreibt kritische Blutzuckerwerte

Zunächst hatte der Aachener Intensivmediziner und Klinikleiter Nikolaus Marx im Zeugenstand über die Blutzuckerwerte des Seniors nach dessen Einlieferung in die Uniklinik referiert und beschrieben, dass diese im Krankenhaus zweimal unter den kritischen Wert gefallen seien. Auch dann, nachdem die Ärzte dem mit der Zugabe von Glukose entgegengewirkt hätten.

Die Verteidigung ist der Auffassung, die Blutzuckerwerte hätten häufiger auf eine Unterzuckerung hin überprüft werden müssen. Dem widersprach der Gutachter. Die Kollegen aus Köln hätten sehr klug reagiert und bei der Behandlung in der damaligen Situation alles richtig gemacht, so der Aachener Professor. Es sei klar, dass man bei einer Betrachtung im Nachhinein noch andere Ansätze fände.

Angeklagte besuchte Schwiegervater in Kölner Uniklinik

Die Kollegen hätten damals aber nicht wissen können, wie viel Insulin sich noch im Körper des Mannes befunden hätte. Dieses habe nach der Verabreichung in großen Mengen offenbar noch nachgewirkt. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt die Schwiegertochter, eine Diabetikerin, dem Senior bei einem Besuch mit Tabletten ruhiggestellt und ihm eine Überdosis Insulin gespritzt zu haben.

Angehörigen-Anwalt Westkamp hob in diesem Zusammenhang hervor, dass laut Gutachter das Insulin im Körper des Seniors für die weitere in der Uniklinik aufgetretene Unterzuckerung gesorgt haben könnte. Er wolle daher in Erinnerung rufen, dass die Angeklagte bekundet habe, ihren Schwiegervater am Tag seiner Einlieferung auf der Intensivstation besucht zu haben.

Kölner Anwalt suggeriert mögliche weitere Tatbegehung

Dies könnte gegen Mittag gewesen sein, so Westkamp. Und somit zu einem Zeitpunkt, als sich die Blutzuckerwerte des Patienten gerade erholt hatten, bevor sie wieder rapide sanken. Westkamp sprach den Verdacht nicht klar aus, suggerierte aber einen kausalen Zusammenhang zum Besuch der Angeklagten und damit zumindest die Möglichkeit einer weiteren heimlichen Insulin-Verabreichung.

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Die Schwurgerichtskammer um den Vorsitzenden Richter Peter Koefers muss nun entscheiden, was sie mit dem Statement des Nebenklage-Anwalts anfängt. Dieser hatte mögliche Besucherlisten des Krankenhauses angesprochen, die geprüft werden könnten. Verteidiger Jürgen Graf äußerte sich dazu nicht. Er beharrte aber in anderem Zusammenhang darauf, seine Mandantin sei unschuldig.

Große Diskussionen um möglichen Tatzeitpunkt

Über den möglichen Tatzeitpunkt gab es zuletzt große Diskussionen. Die Ermittler haben sich auf einen Sonntagnachmittag im Juli 2020 festgelegt, hier hatte die Angeklagte ihren Schwiegervater in dessen Villa besucht. Am nächsten Morgen war der Mediziner von seiner Haushälterin gefunden worden – er saß auf dem Sofa im Wohnzimmer und war nicht ansprechbar. Heute ist er ein Pflegefall.

Die Verteidigung argumentiert, dass der Senior die berechnete Menge an Insulin nicht bis zum nächsten Morgen überlebt hätte und stützt sich dabei auf zwei externe und renommierte Sachverständige. Dass es zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Krankenhaus, zu einer erneuten Verabreichung von Insulin gekommen sein könnte, war bisher nie Thema im Prozess.

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