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Nächtliche EvakuierungWarum die Bombe in der Kölner Innenstadt sofort entschärft werden musste

Lesezeit 4 Minuten
27.05.2025, Nordrhein-Westfalen, Köln: Das Ordnungsamt kontrolliert gesperrte Straßen in der Umgebung der Baustelle in der eine US-amerikanische Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wurde. Kurz nach dem Fund einer Weltkriegsbombe mussten in der Kölner Innenstadt am späten Abend rund 5.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen. Der amerikanische Blindgänger, eine Fünf-Zentner-Bombe mit einem Heckaufschlagzünder, soll noch in der Nacht entschärft werden. Foto: Sascha Thelen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Das Kölner Ordnungsamt kontrollierte gesperrte Straßen in der Umgebung der Baustelle, in der eine US-amerikanische Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wurde. 

Gegen 22 Uhr ging am Montag die erste Meldung ein: Blindgänger gefunden. Über Nacht mussten tausende Anwohner aus ihren Wohnungen.

Es war die drängendste Frage, die am Montagabend (26. Mai) viele Kölnerinnen und Kölner beschäftigte: Muss das wirklich noch heute Nacht sein? Während Polizei und Ordnungsamt mit der Evakuierung für die Entschärfung der Weltkriegsbombe in der Neustadt-Süd begannen, standen zahlreiche Anwohner ratlos auf der Straße – verwirrt, besorgt, manche auch verärgert.

„Warum so plötzlich?“ – diese Frage ging an diesem Abend oft an die Mitarbeitenden des städtischen Ordnungsamtes. Während einige Betroffene sich zur eingerichteten Sammelstelle begaben, suchten andere selbst nach Lösungen. „Wir haben zum Glück ein Haus in der Eifel“, sagte ein Mann, der mit gepackten Taschen vor seinem Wohnhaus stand. „Freunde haben sich gerade ein Hotelzimmer gebucht. Ich frage mich, warum die Bombe nicht noch acht Stunden warten kann.“

Anwohner kritisiert: „Die arbeiten hier bis 17 Uhr“

Auch Misstrauen machte sich breit. Eine Frau äußerte Sorge, dass viele gar nichts von der geplanten Entschärfung mitbekommen hätten: „Wenn bei mir jemand um ein Uhr nachts klingelt, mache ich bestimmt nicht auf.“ Ein anderer Bewohner fand deutliche Worte: „Die arbeiten hier bis 17 Uhr. Und um 22 Uhr fällt ihnen plötzlich ein, dass eine Bombe entschärft werden muss.“

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Bombe Straßensperrung

Blick auf die Baustelle am Dienstagmorgen: Ein Kettenbagger steht in einem Erdloch.

Doch der Hintergrund der nächtlichen Aktion lässt wenig Spielraum: Laut Stadt Köln war ein schweres Kettenfahrzeug über den Blindgänger gefahren – das machte sofortiges Handeln notwendig. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst Rheinland der Bezirksregierung Düsseldorf wurde verständigt, war aber noch außerhalb von Köln gebunden.

Vor Ort angekommen untersuchten die Experten den Fund – und kamen zu dem Schluss, dass die Bombe mit Aufprallzünder umgehend entschärft werden müsse. Solche Entscheidungen hängen immer von den Eigenschaften des Fundes ab, insbesondere von Größe und Zündmechanismus. In diesem Fall war Eile geboten.

Evakuierung verlief nicht reibungslos – viele Menschen schliefen schon

Trotz aller Unannehmlichkeiten: Die Sicherheit der Menschen hat in solchen Situationen oberste Priorität – auch wenn sie zu nächtlichen Evakuierungen führt. Die Stadt Köln musste das Personal beispielsweise zum Teil aus dem Feierabend holen, berichtet ein Sprecher.

Die nächtliche Evakuierung verlief alles andere als reibungslos. An vielen Haustüren blieb es still – kein Licht, kein Öffnen, kein Lebenszeichen. Um die schlafenden Anwohner zu erreichen, setzte die Stadt auch einen Lautsprecherwagen ein, der durch die Straßen fuhr und zur Räumung aufrief.

Bombe Innenstadt 260525

Bei Bauarbeiten an der Hardefuststraße war ein Bagger über einen Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg gefahren.

Um 0.30 Uhr begann der erste Klingelrundgang. Rund 5000 Menschen sollten ihre Wohnungen verlassen, der Evakuierungsradius wurde mit 400 Metern festgelegt. Parallel dazu liefen die Krankentransporte an: Mehr als 50 Personen mussten medizinisch betreut aus dem Gefahrenbereich gebracht werden – ein aufwendiger Prozess, der koordiniert und Schritt für Schritt abgearbeitet wurde.

Schulen bleiben wegen der Evakuierung am Dienstag geschlossen

Erst gegen 3.45 Uhr konnte der erste Kontrollgang abgeschlossen werden – da waren bereits über dreieinhalb Stunden vergangen. Doch damit war es noch nicht getan: Der zweite Durchgang zur finalen Überprüfung dauerte weitere zwei Stunden. Laut Einsatzleiter Johannes Brauns war das Ordnungsamt mit 90 Kräften im Einsatz. Die Hälfte hing nach der regulären Schicht eine zweite Nachtschicht hinten dran. Um 7.10 Uhr dann das Aufatmen: Die Bombe wurde erfolgreich entschärft.

Rund 5.200 betroffene Anwohnende können wieder in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren. Aber die Straßensperrungen bleiben vorerst bestehen, weil die Bombe mit einem Kran geborgen und dann abtransportiert werden muss. Erst dann werden die Sperrungen sukzessive aufgehoben, teilt die Stadt Köln gegen 7.15 Uhr mit. Die KVB habe freie Fahrt.

Ein Kettenfahrzeug steht in der Baustelle. In dieser Baugrube in der Nähe des Volksgartens war der Blindgänger gefunden worden.

Trotzdem lässt das Humboldt-Gymnasium am Kartäuserwall die Schule am Dienstag (27. Mai) geschlossen. Dabei finden heute die ersten von drei Zwischenprüfungen der zehnten Klassen an den Gymnasien statt. Nach unseren Informationen wird als Ersatz der Nachschreibtermin gewählt. Auch das Richard-Riemerschmid-Berufskolleg und das Berufskolleg Ulrepforte lassen den Unterricht ausfallen, wie Radio Köln berichtet. Das Berufskolleg Kartäuserwall will Distanzunterricht anbieten.

Am Morgen kehrt Leben zurück ins Viertel. Menschen mit Taschen und Rollkoffern laufen zurück in ihre Wohnungen. Andere stehen in kleinen Gruppen zusammen und unterhalten sich über die für sie aufregende Nacht. Zeitgleich biegt der Wagen des Kampfmittelräumdienstes aus der Straße. Die Entschärfer haben ihren Job für diese Nacht erledigt.