„Schull- un Veedelszöch“ durch Köln„Das ist der handgestrickte, der ursprüngliche Brauchtumskarneval“

Lesezeit 4 Minuten
Teilnehmer der „Schull- un Veedelszöch“ laufen über die Severinstraße im Jahr 2019.

Teilnehmer der „Schull- un Veedelszöch“ laufen über die Severinstraße im Jahr 2019. (Symbolfoto)

Jörg Scheider und Michael Wandel erzählen im Interview, welche Herausforderungen als Chefs der „Schull- un Veedelszöch“ auf sie warten.

Die „Schull- un Veedelszöch“ ziehen am Karnevalssonntag, 11. Februar, von der Severinstorburg bis zur Gereonstraße. An der Spitze gehen erstmals der neue Zugleiter Jörg Scheider und sein Stellvertreter Michael Wandel.

Was macht die Schull- un Veedelszöch aus?

Jörg Scheider (JS): Sie zeigen den Karneval für Bürger von Bürgern. Das ist der handgestrickte Karneval, der ursprüngliche Brauchtumskarneval, wie er in den Vereinen und Schulen gepflegt wird. Er ist offen für alle.

Können wirklich alle, die möchten, mitmachen? Es gab doch früher sogar Wartelisten.

Michael Wandel (MW): Stimmt, vor ein paar Jahren konnten wir nicht jede Anmeldung sofort berücksichtigen. Das hat sich verändert. Jetzt sind wir dankbar für neue Vereine und Gruppierungen. Es gibt Vereine wie den Stammdesch Ratteköpp und die Schwabenthaler Mösche, die sich aus Altersgründen zurückgezogen haben. Dafür rücken neue Gruppen wie die Kölsche Kamellcher, die Veedelsfründe vum Pantaleon oder die Kölner Kinderoper nach.

Köln: Weniger Schulen beim „Schull- un Veedelszöch“ als sonst

Beim kommenden Zug werden 43 Vereine, aber nur 36 Schulen dabei sein. Das sind deutlich weniger Schulen als noch vor einigen Jahren. Was ist da los?

JS: Bei den Schulen haben wir tatsächlich zur Zeit ein Nachwuchsproblem. Das liegt zum einen am Lehrermangel und zum anderen an der fehlenden Zeit und Motivation der Lehrkräfte und Eltern. Das ist jedenfalls unser Eindruck. Wir würden uns wünschen, dass das Thema Brauchtum generell wieder mehr Raum im Unterricht bekommt und so den Kindern und den Eltern näher gebracht wird.

MW: Die Freunde und Förderer des kölnischen Brauchtums, die die Zöch ja ermöglichen, bieten dazu Material wie Lehrer und Schüler-Arbeitshefte an.

Die Leiter der „Schull- un Veedelszöch“ v.l.n.r.: Michael Wandel (stellvertretender Leiter) und Jörg Scheider.

Die Leiter der „Schull- un Veedelszöch“ v.l.n.r.: Michael Wandel (stellvertretender Leiter) und Jörg Scheider.

Was kann der Verein noch tun?

JS: Wir wollen aktiver auf die Schulen und Vereine zugehen, die früher dabei waren. Mit ganz konkreten Fragen: Warum habt ihr aufgehört? Was fehlt euch? Wo drückt der Schuh? Was können wir ändern? Wie können wir helfen? Für die Schulen werden wir einen Workshop anbieten, zu dem wir Vertreter aller Kölner Schulen einladen, um sie über die Schull- un Veedelszöch zu informieren.

Kann eigentlich jeder teilnehmen?

JS: Im Prinzip ja. Es sollte eine Gruppe von mindestens 20 Personen sein. Es muss kein klassischer Karnevalsverein sein. Es gibt zum Beispiel die Gruppe „De Löstige Reechterinne“, deren Fokus klar auf der Teilnahme an den Schull- un Veedelszöch liegt. Es sind übrigens tatsächlich alles Richterinnen, die die Geselligkeit und das kölsche Brauchtum schätzen. Keinen Platz in den Zügen haben politische Aussagen und Demonstrationen. Das hat mit Brauchtumskarneval nichts zu tun.

Eine Zugteilnahme kostet auch Geld. Gibt es finanzielle Unterstützung ?

MW: Die Teilnehmer zahlen keine Gebühr, aber sie kümmern sich um ihre Kostüme und ihr Wurfmaterial. Es gibt Schulen, die sich kein eigenes Material leisten können. Da springen wir ein, wir bekommen von Sponsoren Spenden für den Kauf von Wurfmaterial. Jede Schule erhält außerdem von unserem Verein eine finanzielle Unterstützung, damit sie mitgehen kann.

Köln: „Schull- un Veedelszöch“ ist große logistische Herausforderung

Die Schull- un Veedelszöch sind eine logistische Herausforderung. Wie hoch ist der Aufwand?

JS: Wir stehen vor den gleichen Aufgaben wie das Festkomitee Kölner Karneval beim Rosenmontagszug. Dazu zählen Zugordner und die Erreichbarkeit über Funkstrecken. Das FK unterstützt uns bei einigen Dingen, dafür sind wir sehr dankbar. So können wir Teile der Absperrung, wie Drängelgitter, nutzen. Das FK organisiert alles rund um die Tribünen und Getränkestände am Zugweg. Allerdings gehen auch die Einnahmen ans FK.

Lässt sich die Organisation in Zahlen ausdrücken?

JS: Der Verein der Freunde und Förderer des kölnischen Brauchtums setzt 150 Ehrenamtler als Ordner ein. Dazu kommen 300 Wachleute einer privaten Sicherheitsfirma. Da wir am Karnevalssonntag durch die Stadt ziehen, haben wir durch die Sonntagszuschläge beim Wachdienst 50 Prozent höhere Kosten als das FK für den Rosenmontagszug. Wir geben mehrere Tausend Euro für den Funk aus und übernehmen einen Teil der Sanitätskosten. Etwa 25.000 Euro bezahlen wir für die Busse, die die Schülerinnen und Schüler zum Zugweg hin und wieder zurückbringen.

Was kosten die Zöch insgesamt?

MW: Deutlich über 200.000 Euro. Das kann der Verein, der ja ein reiner Förderverein ist, nur über Spenden finanzieren. Hinzu kommt der Einsatz der Ehrenamtler.

Ihr seid beide schon mehrere Jahre Teil der Zugleitung. Wie blickt ihr auf euren ersten Zug als Chefs?

JS+MW: Voller Vorfreude und Respekt vor dem, was in den Vereinen und Schulen geleistet wird, damit die Menschen am Straßenrand eine gute Zeit haben. Es gibt für uns nichts Schöneres, als morgens früh durch den Aufstellraum zu fahren und in die leuchtenden Kinderaugen zu sehen und den Enthusiasmus der Erwachsenen zu erleben. Dafür steht man gerne schon ab 5 Uhr am Severinskirchplatz.

KStA abonnieren