„Wir wollen die Szene verunsichern“Wie die Polizei mit der „EG-Fokus“ die steigende Kriminalität in Köln bekämpfen will

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Ein Polizeiwagen fährt in der Nacht durch Köln.

Eine neue Ermittlungsgruppe soll gegen die Straßenkriminalität vorgehen (Symbolbild).

Die Kriminalstatistik zeigt, dass vor allem die Straßenkriminalität blüht. Wie eine neue Ermittlungsgruppe dagegen vorgehen will.

Als Jürgen Ogrodowski und sein Team bereits den Haftbefehl gegen Daniel Kurz (Name geändert) in der Hand halten und ihn in seinem Haus festnehmen, bietet sich ihnen ein interessantes Bild: „Die ganze Wohnung war voller Diebesgut“, erzählt der Ermittler. „Von Solarpaneelen über Kaffeemaschinen bis hin zu Fahrrädern und Ausweispapieren war alles dabei.“ Alleine dieses Diebesgut konnte 66 weiteren ungeklärten Fällen zugeordnet werden. Zählt man nur die Straftaten zusammen, die Kurz im vergangenen Jahr begangen hat, ergibt sich eine eng gedruckte Liste, die dreieinhalb DIN-A4-Seiten lang ist.

Eine rote Kaffeemaschine

Die Kaffeemaschine fanden die Beamten in der Wohnung des Intensivtäters.

Die Taten reichen von Fahrraddiebstählen über Wohnungseinbrüche bis hin zu Autoaufbrüchen. In früheren Jahren war der Mann auch für schweren Raub und gefährliche Körperverletzung verantwortlich. Teilweise mehrmals täglich muss Kurz im Jahr 2023 auf Diebestour unterwegs gewesen sein, um auf eine so enorme Liste von Straftaten zu kommen. Jetzt steht er vor Gericht. Wie lange er ins Gefängnis muss, ist noch nicht klar, aber Ogrodowski ist sich sicher: „In diesem Jahr wird er keine Straftaten mehr begehen können.“

„Großer Nachholbedarf“ bei Kriminellen nach Corona

Männer wie Daniel Kurz sind der Grund, warum die Kölner Polizei die neue Ermittlungsgruppe (EG) „Fokus“ ins Leben gerufen hat. Zehn Ermittler unter der Leitung von Ogrodowski sollen seit September dafür sorgen, dass die steigenden Kriminalzahlen wieder sinken. „Wir haben 2022 deutliche Steigerungsraten in der Kriminalstatistik gesehen. Und den größten Zuwachs gab es bei der Straßenkriminalität“, sagt der leitende Kriminaldirektor Michael Esser.

2022 stieg die Gesamtzahl der Straftaten um 18 Prozent, bei Taschendiebstählen sogar um 57 Prozent und bei Wohnungseinbrüchen um 44 Prozent. Offizielle Zahlen für das vergangene Jahr gibt es erst im Februar, aber der Trend hält an.

Johannes Hermanns sitzt an einem Tisch.

Polizeipräsident Johannes Hermanns

Seit dem Ende der Corona-Beschränkungen herrsche in der Szene ein großer Nachholbedarf, erklärt Polizeipräsident Johannes Hermanns: „Man kann das durchaus mit Wirtschaftsunternehmen vergleichen: Nachdem viele Firmen während der Pandemie Umsatzeinbußen verkraften mussten, gibt es jetzt einen enormen Aufholbedarf.“ Ähnlich sei es bei den professionellen Straßendieben, die auf den von der Pandemie leergefegten Straßen kaum noch zum Zug gekommen sind. „Auch ihnen sind über die Jahre die Einnahmen weggebrochen – und die wollen sie jetzt wieder reinholen.“

Schneller von Verfahren zu Anklage gelangen

Durch die EG Fokus will die Polizei solchen Intensivtätern nun besser auf die Spur kommen. „Dabei verfolgen wir einen ganzheitlicheren Ansatz als bisher“, erklärt Kriminaldirektor Esser. Statt wie bisher von den einzelnen Taten auszugehen und dieses zu untersuchen, ermittelt die EG Fokus personenbezogener: „Wir kennen viele der Intensivtäter, wir wissen, wie sie handeln und wo sie das tun“, erklärt Kriminaldirektorin Silke Paul. Deswegen gehören auch Schwerpunkteinsätze wie am Ebertplatz und am Dom vergangenen Dienstag zur Strategie.

„Der große Wurf ist, dass auch die Staatsanwaltschaft eine Sonderdezernatsstelle eingerichtet hat, die erfahren in der Intensivtäterbekämpfung ist und uns nun besser unterstützen kann“, so Ogrodowski. Im Normalfall werde jede einzelne Straftat einem anderen Staatsanwalt übergeben. Das mache Verfahren und Anklagen schwerfälliger. „Gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft lassen sich diese Verfahren nun schneller und leichter bündeln – und landen so schneller vor Gericht.“

Dies, so Ogrodowski, sei entscheidend, um der steigenden Kriminalität Herr zu werden. „Wir müssen deutlich schneller werden. Es braucht kürzere Wege von den Ermittlungen bis zur Anklage.“ Damit werde auch ein Zeichen in die Szene gesendet: „Wenn es schneller zu mehr Verurteilungen kommt, wird das die Szene verunsichern“, glaubt er.

Das Zwischenfazit der Polizei fällt positiv aus. „Wir haben seit September rund 780 Vorgänge übernommen und konnten davon in gut 530 Fällen Tatverdächtige ermitteln. Das ist auf jeden Fall erfreulich“, sagt Silke Paul.

Bis sich das auch in einer besseren Kriminalstatistik ausdrückt, werde aber noch etwas Zeit vergehen. Frühestens im kommenden Jahr wollen die Beamten dann erfreulichere Zahlen präsentieren können als zuletzt – vorausgesetzt, das Konzept der EG Fokus geht auf.

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