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Bier-KartellErmittler sehen Verdacht erhärtet – Auch Gaffel und Früh beschuldigt

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Gaffel

Symbolbild

Köln – Über Jahre soll es Absprachen im Biermarkt gegeben haben. Auch Gaffel und Früh werden beschuldigt. Weil Ermittler von hinreichendem Tatverdacht ausgehen, wird der Fall demnächst in Düsseldorf verhandelt.

Die deutschen Bierbrauer müssen sich strecken. Seit Jahren kämpfen sie gegen sinkende Absatzzahlen. Im ersten Halbjahr ging der Ausstoß nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 2,1 Prozent auf 46,8 Millionen Hektoliter zurück. Das einstige Lieblingsgetränk der Deutschen schwächelt auch beim Export in die EU (minus 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum) und nach Übersee (minus 7,3 Prozent). Zu den Problemen am Markt droht der Branche ein neues Kapitel in einer äußerst delikaten Geschichte: dem größten Bierkartell der deutschen Historie.

Kölsch-Brauereien drohen Millionenstrafen

Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ liegt die Stellungnahme der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft für den anstehenden Kartellprozess gegen fünf Bierproduzenten vor. Geht es nach der Anklagebehörde, könnte es etwa für die Brauereien Früh- und Gaffel-Kölsch eng werden. Immerhin drohen diesen Unternehmen Geldstrafen von mindestens je drei Millionen Euro. Weitaus drastischere Strafen drohen den Biermultis Carlsberg (Holsten) mit 60 Millionen und Radeberger (Oetker-Gruppe) mit 160 Millionen Euro Bußgeldern.

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Die Unternehmen sollen einem Kartell der elf größten deutschen Brauereien angehört haben. Nach Erkenntnissen der Kartellwächter sollen Premiumhersteller, die gut die Hälfte des deutschen Marktes beherrschten, in den Jahren 2006 und 2008 Preisaufschläge bei Flaschen- und Fassbier abgesprochen haben. Auch Anheuser-Busch InBev Germany mischte mit – weil der Beck’s-Hersteller den Wettbewerbshütern aber den entscheidenden Tipp zu den angeblichen Ansprachen gegeben hat, kam er straffrei davon.

Brauer bestreiten Schuld

Andere Branchenriesen wie Krombacher, die Bitburger-Gruppe, Warsteiner und Veltins oder das mittelständische Traditionshaus Ernst Barre mussten indes Strafen von insgesamt knapp 107 Millionen Euro akzeptieren. Vor kurzem nahm auch der Verband der NRW-Brauer die Strafe an und zahlte ein Bußgeld. Weitere Mitbeschuldigte wie Radeberger & Co indes bleiben bei ihren Klagen gegen ihre Bußgeldbescheide. Kein Wunder: Sollte doch allein Radeberger, das Tochterunternehmen des Mischkonzerns Oetker, den Löwenanteil der Kartellstrafe zahlen. Seinerzeit lenkte Albert Christmann die Geschicke der Biersparte. Im vergangenen Jahr rückte der Manager nach jahrelangem Streit der Gesellschafter im Oetker-Clan an die Spitze des Familienkonzerns. Christmann hat stets bestritten, von den damaligen Preisabsprachen gewusst zu haben.

Ähnlich argumentierten die betroffenen Kölsch-Brauereien, die erst wesentlich später ins Visier der Ermittler gerieten, nachdem die Mitarbeiter einiger Branchenriesen ausgesagt hatten. Die Kölsch-Brauer wiesen jeglichen Verdacht von sich. Über ihre Anwälte legten sie Einspruch gegen die Bußgelder ein und beantragten das Kartellverfahren einzustellen. Darüber wird jetzt vor Gericht gestritten. Dabei darf man nicht vergessen, dass bei solchen Verstößen nicht nur die Firmen belangt werden. Vielmehr müssten bei einer Verurteilung auch die verantwortlichen Manager wie Christmann oder der Früh-Kölsch-Chef Alexander Rolff persönlich zahlen.

Nun soll der 4. Kartellsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) in dem Fall entscheiden. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte in ihrem Statement angesichts der Beweislage, die Hauptverhandlung zu eröffnen. Die Einwände der Kläger seien wenig stichhaltig, hieß es. Demnach habe sich bei der Überprüfung der Bußgeldbescheide der hinreichende Tatverdacht „für die zur Last gelegten Kartellordnungswidrigkeiten“ bestätigt. Eine Einstellung des Verfahrens komme nicht in Betracht.

Absprachen in NRW?

Die Beweismittel und Indizien belegten laut Stellungnahme, dass „die für die Brauereien Verantwortlichen“ auf Sitzungen des Wettbewerbsausschusses des Brauereiverbandes NRW am 14. Juni 2006 und am 5. September 2007 die Preiserhöhung für Flaschen- und Fassbier abgesprochen hätten. Dabei stützen sich die Wettbewerbshüter in erster Linie auf Geständnisse der Top-Manager anderer Mitglieder in der Kartellriege. Manche Aussage legt nahe, dass die Braumultis seit fast zwei Jahrzehnten Bier künstlich verteuerten. Die Absprachen seien häufig nach demselben Muster abgelaufen, gab ein Firmenlenker zu Protokoll: „Die Premiummarken haben sich als Nebenthema zu einem Treffen (Fasspfand, Marke und Verpackung etc.) oder telefonisch über eine Bierpreiserhöhung abgestimmt.“ Entsprechende Pläne hätten die Konzerne dann an die mittleren und kleineren Produzenten weitergegeben.

„Dann ist es oftmals zu einer branchenweiten Bierpreiserhöhung gekommen.“ Die Ermittlungen des Bundeskartellamtes beschreiben detailliert, wie die Premium-Marken untereinander gekungelt haben sollen. Mal traf man sich zum Abendessen im Nobelhotel „Schloss Bensberg“ oder auf der Kölner Messe Anuga. Veranstaltungen wie der „Round Table der Brauer“ drehten sich offiziell um das Thema Alkoholpolitik. Tatsächlich aber habe die Konzernbosse wohl eher ihre Preispolitik interessiert.

Preise um sechs Euro erhöht

Auf diese Weise hätten die Bierbrauer 2006 eine neue Teuerungsrunde gestartet. Nach längerem Hin und Her hätten sich die Hersteller geeinigt, die Preise um sechs Euro pro Hektoliter Fassbier zu erhöhen. Der Pakt soll bei einem Treffen des Brauereiverbands NRW besiegelt worden sein, was dieser bestreitet. Unter dem harmlos klingenden Tagesordnungspunkt „Allgemeine Marktlage“, folgert die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme, hätten die Konkurrenten einen Preisaufschlag vereinbart. Auch die beschuldigten Kölsch-Brauer sollen eingeweiht gewesen sein. Ein Punkt, den ihre Anwälte zurückweisen.

Im Jahr darauf soll sich das Spiel wiederholt haben: Am 12. März 2007 kamen die Bierfürsten erneut zusammen. Offiziell ging es wieder um das Fasspfand. Tatsächlich aber hätten einige Großbrauer einen Euro mehr für den Kasten Bier einstreichen wollen. Andere indes hätten Bedenken bekundet. Im Anschluss an die Zusammenkunft sei erneut viel telefoniert worden: Auf ein monatelanges Tauziehen sei schließlich die Einigung gefolgt. Auch kleinere Mitkonkurrenten wie Früh- und Gaffel-Kölsch sollen dann im Wettbewerbsausschuss des Brauereiverbandes NRW in die Absprachen eingeweiht worden sein. Im Jahr 2008 jedenfalls mussten die Biertrinker tiefer in die Tasche greifen.

Verärgerte Kontrolleure

Nicht nur die möglichen Bußgelder, auch der drohende Imageverlust schmerzt die beschuldigten Brauer – wie das Verhalten der Lübbecker Privatbrauerei Ernst Barre zeigt. Kurz nach den ersten Bußgeldbescheiden ging der geschäftsführende Gesellschafter Christoph Barre die Kartellkontrolleure via Pressemitteilung im Januar 2014 öffentlich an.

Vehement trat der Mittelständler den Manipulationsvorwürfen entgegen. Barre bestritt jegliche aktive Beteiligung an den Preisrunden. Dies habe man dem Bundeskartellamt mittels Unterlagen und Zeugenaussagen auch plausibel dokumentiert. Allein die Wettbewerbshüter hätten ihre Meinung nicht geändert, „was aufgrund der Faktenlage unverständlich ist“, schrieb Barre. Angesichts aber eines teuren Rechtsstreits habe man sich aus rein wirtschaftlichen Überlegungen einvernehmlich mit der Kartellbehörde geeinigt (Settlement-Verfahren) und ein Bußgeld akzeptiert.

Die Opferhaltung der Privatbrauerei ging nach hinten los, die Wettbewerbskontrolleure reagierten höchst verärgert. Wohl um die Lage zu beruhigen, bat der Chef der Barre-Brauerei in einem vertraulichen Schreiben den Präsidenten des Bundeskartellamtes Andreas Mundt um Nachsicht. Bei der Pressemitteilung sei es ihm einzig um Schadensbegrenzung des durch das Kartellverfahren verursachten Imageschadens gegangen, beteuerte Barre damals. Dass er mit der Settlement-Vereinbarung seine Mitschuld eingestanden hat, steht für die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf indes außer Zweifel.

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