Kölner Experten schlagen Alarm„Wir schlittern in der Altenpflege in eine Katastrophe”

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Eine Frau betritt mit ihrem Rollator ihr Zimmer in einem Kölner Caritas-Seniorenheim.

Eine Frau betritt mit ihrem Rollator ihr Zimmer in einem Kölner Caritas-Seniorenheim.

  • Jeden Tag haben Mitarbeiter der Diakonie Michaelshoven und der Kölner Caritas weinende Angehörige von Pflegebedüftigen am Telefon.
  • Die Betreuungssituation verschlechtert sich für pflegebedürftige Senioren in Köln dramatisch – längst nicht nur wegen fehlender Pflegekräfte. Es mangele, so die Experten, auch an vielem anderen.
  • In ihrer „Kölner Erklärung zur Pflegesituation“ zeigen die Sozialträger Wege aus der Misere auf – allerdings muss die Politik mitspielen. Tut sie das?

Köln – Für Panikmache sind Caritas und Diakonie Michaelshoven nun wirklich nicht bekannt. Aber was die beiden Sozialträger am Donnerstag zu verkünden hatten, klang mehr als beunruhigend: „Die Situation der Altenpflege in Köln ist dramatisch. Und wenn wir jetzt nicht gegensteuern, schlittern wir in eine absolute Katastrophe“, sagte Caritas-Chef Peter Krücker.

In ihrer „Kölner Erklärung zur Pflegesituation“, die die beiden Träger jetzt gemeinsam vorstellten, zeigen sie auf, was sich aus ihrer Sicht alles ändern muss, um mit der demografischen Entwicklung Schritt zu halten. „Wir wollen aufrütteln und hoffen, dass sich weitere Institutionen der Erklärung anschließen“, erklärte Uwe Ufer vom Vorstand der Diakonie Michaelshoven. „Wir brauchen endlich eine gemeinsame Strategie aller Beteiligten.“

Es mangelt an allem: Allein in den nächsten sechs Jahren fehlen in Köln 1100 zusätzliche Stellen in der Altenpflege – doch der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Im selben Zeitraum müssten zudem 1100 stationäre Pflegeplätze neu geschaffen werden. Das entspricht dem Bau von rund 14 neuen Heimen. Tatsächlich aber ist aktuell keine einzige Einrichtung im Bau. Die Zahl der Plätze ist zuletzt sogar zurückgegangen, weil die Heime auf Einzelzimmer umgestellt haben.

Peter Krücker

Peter Krücker

Noch dramatischer sieht es bei der Kurzzeitpflege aus. In der Millionenstadt Köln gibt es nach Angaben der Träger derzeit nur 76 reine Kurzzeitpflegeplätze. Die Folge: Alte Menschen, die etwa nach einem Schlaganfall nicht mehr nach Hause zurückkehren, können nicht aus dem Krankenhaus entlassen werden. „Es gibt auch keine Entlastung mehr für pflegende Angehörige, die ein paar Tage Erholung brauchen“, so Uwe Ufer von der Diakonie. Für die Familien sei das dramatisch. „Wir haben jeden Tag weinende Angehörige am Telefon“, bestätigt Caritas-Chef Krücker. In der ambulanten Versorgung sehe es nicht besser aus. Man empfehle mittlerweile allen Kunden, sich bei zehn Pflegediensten gleichzeitig anzumelden. „Eine Pflegeversorgung vor elf Uhr morgens ist in Köln schon nicht mehr zu bekommen.“

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Elf Forderungen haben die Sozialträger, die selbst elf Heime in der Stadt betreiben, in ihrer „Kölner Erklärung“ aufgestellt. Mehrere Punkte beschäftigen sich mit dem eklatanten Personalmangel. Neben einem Ausbau der Ausbildung sowie einem Anwerbeprogramm für ausländische Fachkräfte fordern sie vor allem Veränderungen bei der sogenannten Fachkraftquote. Derzeit müssen Heime mindestens 50 Prozent ihres Personals mit Fachkräften besetzen. „ Von dieser starren Quote müssen wir wegkommen, wenn wir mehr Hände in die Pflege bekommen wollen“, so Detlef Silvers, bei der Caritas zuständig für die stationäre Betreuung. Viele Tätigkeiten wie etwa Hilfe beim Aufstehen und beim Essen könnten auch von Assistenzkräften geleistet werden, ebenso wie menschliche Zuwendung, Zeit für Fragen, Gespräche und tröstende Worte.

Lange Genehmigungsverfahren

Der Bau neuer Altenheime scheitere in Köln auch an fehlenden Grundstücken und langen Genehmigungsverfahren. „Anderthalb Jahre dauert eine Baugenehmigung im Schnitt, in allen anderen Städten läuft das besser“, konstatierte Diakonie-Vorstand Ufer. Die Verwaltung müsse – ähnlich wie bei Schulen oder Kitas – auch für Seniorenheime gesondert Bauland ausweisen.

„Wir Träger sehen uns durchaus in der Verantwortung, selbst etwas zu ändern, aber dafür brauchen wir die Hilfe von Kommune, Land und Bund“, so Ufer. Von der Stadt Köln erwarten die Träger eine führende Rolle bei der Entwicklung eines Gesamtkonzepts. Bislang gebe es aber nicht einmal eine aktuelle Pflegebedarfsplanung. Das müsse sich dringend ändern.

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