Hohe Nachfrage bei Kölner FahrradhändlerWer sein Wunschrad will, muss sich beeilen

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Marcel Jansen

Fahrradhändler Marcel Jansen in seinem Laden an Bismarckstraße in Köln.

Köln – „Bei uns ist jeden Tag dreimal Weihnachten“, sagt Marcel Jansen, Inhaber von „Radfieber“ im Belgischen Viertel. Weihnachten ist zum Beispiel für eine junge Frau, die drei Monate auf ihr bestelltes Fahrrad gewartet hat und es jetzt glücklich aus dem Laden auf die Bismarckstraße schiebt.

Vor den Fahrradläden in Köln gibt es zwar keine Warteschlangen mehr wie während des Lockdowns im Frühjahr, doch der Boom hält an. „Wer sein Wunschfahrrad haben möchte, der sollte sich mit dem Kaufen beeilen“, sagt Jansen. „Wir haben frühzeitig geordert und unser Lager ist gut gefüllt.“ Doch weil viele so vorausschauend wie Jansen waren, sind nun die gesamten Kollektionen der verschiedenen Marken für das Jahr 2021 bereits von den Händlern gekauft worden – real und als Vorbestellung. Das heißt, 2021 kann nichts mehr nachbestellt werden. Das bedeutet auch, dass man im Frühjahr sein Wunschrad vielleicht nicht mehr bekommt, weil schon wieder alles verkauft ist.

Jansen zeigt am Computer die Liste eines seiner Lieblings-Hersteller, die in seinen Läden in der Bismarckstraße und in der Südstadt am besten laufen. Bei nahezu allen Modellen für das Jahr 2021 ist vermerkt: Nicht mehr verfügbar. Das hat unter anderem zur Folge, dass sich sein Kundenkreis erweitert hat. Nun kommen Fahrradfans selbst aus Münster, weil ihr Wunschmodell dort schon nicht mehr zu haben ist.

Hohe Fahrrad-Nachfrage in Köln auch in kälteren Monaten 

„Fahrräder laufen immer gut, wenn es der Wirtschaft schlecht geht“, sagt Jansen. Das bestätigt auch der Dellbrücker Fahrradhändler Jörg Prumbaum.

Jörg Prumbaum

Jörg Prumbaum in seinem Fahrradgeschäft in Dellbrück.

„Der Boom ist ungebrochen seit dem Frühjahr“, sagt er. „Im September ist die Saison normalerweise zu Ende, aber dieses Jahr läuft der Verkauf weiter.“ Die Menschen wollen sich draußen bewegen und Ausflüge machen. Viele Pendler möchten nicht mehr in öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren. Und der nächste richtige Urlaub ist noch in weiter Ferne. Da ist das Fahrrad immer noch das erste Mittel der Wahl.

Auch Prumbaum hat in weiser Voraussicht viel vorbestellt, manches auch einfach blind. „Damit habe ich schon direkt nach dem Lockdown im Frühjahr begonnen.“ Manche Order hat er sogar verdoppelt. 3500 Räder hat er zur Zeit auf Lager, davon die Hälfte E-Bikes. An vielen Rädern hängen nun schon Zettel mit den Namen der Kunden, die das Modell vorbestellt haben. Im Moment sei noch reichlich da, aber man müsse schauen, wie es dann 2021 aussehen wird. „Wenn im nächsten Jahr die Nachfrage weiterhin so groß bleibt, könnte es schwierig werden.“

Die Fahrradhersteller können ihre Produktion nicht einfach aufstocken und die Lieferzeiten sind lang. Bei der Firma Bosch etwa, die die Motoren für die Ex-Bikes herstellt, beträgt die Lieferzeit zehn Monate. Auch war durch den kompletten Lockdown in Frühjahr die Produktion von Bau- und Ersatzteilen zum Teil völlig zum Erliegen gekommen, was bis jetzt Folgen hat.

Zehn Wochen Warten auf Inspektion

Weil immer mehr Kölner radfahren, müssen auch immer mehr Räder repariert werden. Jörg Prumbaum musste wegen des Riesenandrangs vor kurzem die Notbremse ziehen. Aktuell können nur notwendige Kleinreparaturen gemacht werden, damit die Kunden etwa nach einem Platten weiterfahren können. Alles andere geht nur mit Termin – die nächsten Termine für Inspektionen gibt es erst in zehn Wochen. „Wir haben 14 Mitarbeiter in der Werkstatt und die arbeiten am Anschlag.“ Gute neue Fachleute seien nur schwer zu bekommen. Viele Quereinsteiger, die in Corona ihr Einkommen verloren haben, würden sich inzwischen bewerben. Doch die passen nicht immer zu den Anforderungen.

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Und: Zur Zeit werden aus Kapazitätsgründen nur Räder angenommen, die auch bei Prumbaum gekauft wurden. Bisher war das nicht üblich. „Denn wir wollten ja gerade die Leute, die sich das Rad vielleicht im Internet gekauft haben, für unser Fachgeschäft gewinnen.“ Doch nun gehen die Stammkunden vor.

Kunden sind besser informiert

Marcel Jansen von „Radfieber“ schätzt, dass sich sein Umsatz in Corona-Zeiten verdoppelt hat. Und er hat die Erfahrung gemacht, dass sich die Kunden verändert haben. Gab es im Frühjahr doch einige Panikkäufe, so seien die Kunden jetzt in der Regel besser informiert und kämen gezielter. Außerdem verhindern die Zugangsbeschränkungen, dass mehr Kaufwillige als Verkäufer im Laden sind. „So können wir besser und in Ruhe beraten.“

Der Radboom sei Teil einer großen Wende, meint er. Und er hat auch noch ein Lob für die Stadt. „So viel wie im letzten halben Jahr ist noch nie für Radfahrer in Köln getan worden.“ Viele Leute hätten das Gegurke mit dem Auto und die Staus satt. Natürlich sei an der Infrastruktur noch eine Menge zu verbessern, aber man sei auf der richtigen Spur.

Sein Kollege Jörg Prumbaum schätzt, dass der Fahrradboom noch zwei Jahre anhalten wird. Bis dahin muss weiterhin weise geordert werden.

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