Fahrradkuriere in KölnDie goldenen Zeiten sind vorbei

Fahrradkurier Thomas Kasper fährt Dutzende Touren am Tag durch die Stadt.
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Köln – Schichtwechsel beim Bike-Syndikat, eines der beiden Radkurier-Unternehmen in Köln. Toka hat heute sieben Fahrten gemacht. Er sortiert die Quittungen für den Transport von Dokumenten, Schuhen, Mittagessen und den Kuchen, den eine Hebamme einer Schwangeren zukommen ließ. Der Tag lief ganz gut, doch die Branche hat bessere Zeiten gesehen. „Früher war die Tasche immer voll“, erinnert sich Thomas Kasper, genannt Toka.
Er fährt seit 25 Jahren als Fahrradkurier durch die Stadt, inzwischen mit angegrauter langer Mähne. Im Hinterhof steht neben Tokas Fahrrad und anderen minimal ausgestatteten Rädern auch ein Lastenrad. So richtig gerne fährt hier zwar keiner mit dem windanfälligen Fahrrad, das bis zu 100 Kilo Ladung transportieren kann. Doch es wird gebraucht. „Wir fahren heute viel mehr Waren“, sagt Marco Boley, der für die Organisation der Fahrten und die Auftragsannahme in der Firma ohne Chef zuständig ist. „Im Prinzip kann alles mit dem Rad geliefert werden.“
Vor einigen Jahren fuhren sie tatsächlich Ersatzteile für eine Kette von Autowerkstätten durch die Stadt, von Filiale zu Filiale. Heute sind es eher Pakete mit Broschüren und Flyern, Schuhe oder ein Kleid in der richtigen Größe von einer Boutique zur anderen, während die Kundin im Café wartet.
Werbeagenturen erteilen kaum noch Aufträge
Die goldenen Zeiten der Radkuriere sind vorüber, da sind sich die Fahrer einig. Als die Internetverbindungen noch nicht so leistungsfähig waren, nutzten viele Werbeagenturen, Grafiker und Druckereien ihre Dienste, um Daten-CDs und Probedrucke hin und her zu transportieren – unabhängig vom Verkehr. „Die Zahl der Fahrten hing nicht von der Auftragslage ab. Die Grenze war die Kondition der Fahrer“, sagt Boley.
Doch dieser Kundenstamm ist ihnen weggebrochen. Hatten sie früher zwischen 120 und 200 Aufträge am Tag, fahren die Kuriere vom Syndikat heute an schlechten Tagen nur noch 60 Mal von Kunde zu Empfänger. Dass es die stilbildende Berufsgruppe mit dem anarchistisch-urbanen Image immer noch gibt, liegt nur zum Teil daran, dass sie nach wie vor am besten durch die dauerverstopften Straßen kommen. Auf der anderen Seite machen die Kuriere ihren Job einfach gerne. Nicht nur das Geschäftsfeld der Fahrradkuriere in Köln hat sich verändert. „Klar hat sich die Stadt verändert“, sagt Toka. Sie sei fahrradfreundlicher geworden. Manche Stellen seien entscheidend verbessert worden. Die Venloer Straße oder die Neusser Straße waren vor ihrem Umbau „schlimm“, „furchtbar“ und „gefährlich“.
Fahrradkuriere kritisieren Stadtplanung
Viel Vertrauen in einen grundsätzlichen Wandel hat Toka aber nicht. „Ob Stadtplaner radfahren?“, fragt er. Es bräuchte ganze Spuren für Fahrradfahrer auf den Straßen, um sie zu gleichwertigen Verkehrsteilnehmern zu machen. Ein Auto hat Toka nie besessen, den Führerschein nicht gemacht. „Das brauche ich nicht“, sagt er, in der Stadt schon gar nicht. Die Kuriere bewerben ihr Angebot als umweltfreundliche Transportmethode. Als Umweltaktivist sehen er und sein Kollegen sich nicht. „Wir fahren gerne Fahrrad. Das ist alles“, sagt er.