Irakerin in HaftKölner Flüchtlingsrat protestiert gegen drohende Abschiebung

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Flugzeug Abschiebung Symbolbild

Per Flugzeug werden abgelehnte Asylbewerber abgeschoben. (Symbolbild)

Köln – Erneut sorgt eine Abschiebung für Kritik unter Flüchtlingsberatern. Der Kölner Flüchtlingsrat protestiert gegen die drohende Abschiebung der Irakerin Hivi Al Marzo nach Rumänien. Sie war am frühen Dienstagmorgen von Mitarbeitenden des Ausländeramts aus ihrer Wohnung in Flittard abgeholt worden war. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte zuvor den Asylantrag der 34-jährigen Kurdin abgelehnt.

Aus Sicht des Flüchtlingsrats sei in die Bewertung des Falls unzureichend eingeflossen, dass die Frau rechtskräftig mit einem in Köln lebenden Briten verheiratet sei. Laut dem Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, Claus-Ulrich Prölß, befindet sich Al Marzo derzeit in Abschiebehaft in Ingelheim. Dort habe die Frau offenbar einen Selbstmordversuch unternommen, der aber vom Wachpersonal verhindert wurde.

Brutale Vorgehensweise

Zuvor hatten sich Al Marzo und Ehemann Khayry Abdilly (42) am Dienstag gegen die drohende Abschiebung gewehrt, teilte Prölß mit Hinweis auf einen Gerichtsbeschluss des Amtsgerichts Köln mit. Weil der Ehemann sich schützend vor seine Frau gestellt habe, sei er, nach mehrfacher Androhung von Gewalt, schließlich gefesselt und in einen Nebenraum gebracht worden.

Die Irakerin habe unterdessen lauthals protestiert, so dass ihr ebenfalls Handfesseln angelegt worden seien. Da sie sich nicht habe anziehen wollen, seien ihr mit körperlicher Gewalt Jacke und Schuhe angezogen und anschließend ein Corona-Test durchgeführt worden. „Der Auszug aus dem Gerichtsbeschluss lässt erahnen, wie Abschiebungen auch in Köln tatsächlich durchgeführt werden. Und Achtung: Es handelt sich nicht um Straftäter“, sagt Prölß.

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Der Ehemann lebt laut eigener Auskunft seit 2011 in Deutschland und seit 2013 in Köln. Al Marzo und er hätten 2019 geheiratet, das Paar sei nach irakischem Recht getraut, was in Deutschland anerkannt werde. Das Paar lebt in Flittard mit drei Kindern aus einer ersten Ehe des Vaters. Al Marzo sei allerdings nicht in Folge eines Familiennachzuges nach Deutschland gekommen, sondern über Rumänien eingereist und habe schließlich in Deutschland Asyl beantragt. Daher sollte die Abschiebung in den sogenannten sicheren Herkunftsstaat Rumänien erfolgen. „Das ist eine Katastrophe“, sagte Abdilly dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „In Rumänien kennt meine Frau niemanden.“

Claus Ulrich Prölß

Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats

Die beabsichtigte Abschiebung nach Rumänien konnte schließlich offenbar nicht erfolgen, weil keine Polizeibeamten verfügbar waren, um Al Marzo zu begleiten. Die Stadt habe daraufhin einen Haftantrag beim Amtsgericht gestellt, um eine Fluchtgefahr auszuschließen. „Das Amtsgericht hätte Abschiebungshaft nicht verhängen dürfen“, sagt dagegen Prölß. „Die Eheleute wollen mit den Kindern zusammenleben. Wo bitte ist hier die Fluchtgefahr?“

Die Stadt stellt klar, dass sie lediglich in Amtshilfe für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gehandelt habe - ohne eigene Entscheidungskompetenz. „Werden zum Beispiel Gründe, die gegen eine Überstellung sprechen, vorgebracht, sind diese unmittelbar dem Bamf gegenüber geltend zu machen“, teilt eine Stadtsprecherin mit. „Dieses entscheidet dann, ob an der Abschiebungsanordnung festgehalten wird.“

Auch die Fesselung ist aus Sicht der Stadt verhältnismäßig, um ein Verletzungsrisiko für Frau, Ehemann und die Mitarbeitenden der Stadt auszuschließen. Eine Fesselung sei ein verhältnismäßiges Mittel des unmittelbaren Zwangs, um Personen von Widerstand, Flucht oder Eigen- und Fremdfährdung abzuhalten und um die behördliche Maßnahme durchführen zu können, heißt es.

Stadt antwortet auf Kritik

Nach den europäischen und bundesgesetzlichen Vorschriften sei eine ausreisepflichtige Person in Haft zu nehmen, wenn eine Überstellung an den zuständigen Staat notwendig und möglich ist, und diese nicht mit milderen Mitteln vollzogen werden kann. „So liegt unter anderem ein zwingender Haftgrund vor, wenn auf Tatsachengrundlagen, sowie Widerstands- beziehungsweise Vereitlungshandlungen im Rahmen eines Abschiebversuches eine erhebliche Fluchtgefahr anzunehmen ist.“ Eine Anfrage dieser Zeitung an das Bundesamt wurde noch nicht beantwortet.

Kurz vor Weihnachten hatte eine Abschiebung einer 16-Jährigen  nach Albanien für Kritik unter Flüchtlingshelfern gesorgt. Die junge Frau wurde nach Albanien transportiert, obwohl sie schwanger ist und als geistig eingeschränkt gilt.

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