„Ich male mich glücklich“Künstler mit Handicap stellt in der Südstadt aus

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Ein dunkelhaariger sitzt in einem Rollstuhl, auf dem Schoß hält er ein Schwarz-Weiß-Porträt.

Akmal Sekandary mit seiner Zeichnung des Philosophen Immanuel Kant.

In der Michael-Horbach-Stiftung zeigt Akmal Sekandary seine Bilder. Der 35-Jährige sitzt seit einem tätlichen Angriff im Rollstuhl.

Auge in Auge mit dem Biest. Das weit aufgerissene Maul entblößt Dolche, dahinter lodert dunkler Abgrund. Eine rote Fontäne von rechts bricht die Fratze, entzweit Schwarz und Weiß. Die Bewegung erstarrt … In Akmal Sekandarys Acryl-Gemälde „Venom“ (dt.: „Gift“) offenbart sich das Schicksal als Monstrosität, die einem Albtraum entsprungen zu sein scheint. Doch das Bildnis trägt reale Züge. Am 7. Juni 2008 wurde Sekandary bei einem brutalen nächtlichen Überfall in Aachen schwer verletzt.

Sekandary arbeitete an der Tankstelle, als der Überfall passierte

„Ich arbeitete in einer Tankstelle, um nach der Schule etwas nebenbei zu verdienen. Ich wollte damals mein Abi nachholen. Plötzlich stürmte ein Mann herein und schrie „Mach die Kasse auf!“ Er schoss in die Luft, um zu demonstrieren, dass es ihm ernst war. Ich war vollkommen in Panik und hatte einen Blackout. Ich versuchte, zu flüchten. Dann kam der zweite Schuss, der mich im Hals traf und das zentrale Nervensystem durchtrennte. Ich hatte Glück, dass zufällig ein Notarzt bei uns auftankte. Ohne die schnelle Hilfe wäre ich mit Sicherheit verblutet. Seitdem sitze ich im Rollstuhl. Der Täter entkam und wurde nie gefasst“, erzählt der 35-jährige Afghane.

In der Reha nach dem Krankenhausaufenthalt kam er erstmals mit kreativer Gestaltung in Berührung. „Es gab dort einige Angebote. Ich habe mich vorher nie für Kunst interessiert. Irgendwann fand ich mich schließlich in einem Flecht-Kurs wieder. Ich wollte meinem Bruder etwas zum Geburtstag schenken, aber einen Korb fand ich dann doch unpassend“, erinnert sich Sekandary amüsiert.

Kunststoff-Schiene hilft dem Künstler dabei, den Pinsel zu halten

Romantische Landschaften, die Natur und Menschen jedoch faszinierten ihn schon immer. Ohne Vorkenntnisse begann der junge Mann mit der Malerei – und blieb dabei. Seine körperliche Einschränkung gleicht der Künstler mit seinem Willen aus. „Ich male aus der Schulter heraus. Das klappt ganz gut. Den Pinsel halte ich mit einer Hilfskonstruktion an meiner Hand“, deutet er beim Gespräch unweit des Chlodwigplatz auf eine eher unscheinbare Kunststoff-Schiene.

Sekandary ist mit einem Assistenten vor Ort, um von seiner anstehenden Ausstellung zu erzählen. Vom 22. Oktober bis 17. November stellt er in seiner dritten Werkschau unter dem Titel „Blaue Retroperspektive“ mehr als 20 Malereien in den Kunsträumen der Michael Horbach Stiftung aus. Weitere Termine sollen folgen. Zurzeit steht er in Kontakt mit einem niederländischen Kurator in Maastricht. Auch das steigende Interesse an seinen Malereien auf seinem Instagram-Account akmal_sekandary_art bestätigt den  Künstler, der 1996 nach Deutschland kam, in seinem Schaffen.

Das Experimentieren mit Farben, Formen und Impressionen ist für Sekandary zur Berufung geworden, auch, um die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Zeigen die Motive seiner frühen Arbeiten den Künstler oftmals expressionistisch in blitzenden Blutlachen, die von Schwarz-Weiß-Schattierungen kontrastiert wurden, finden sich nun Impressionen seiner Reisen durch Südfrankreich auf der Leinwand. Wärmende Sonne, kühlendes Meer und Landschaftsidyllen zeugen vom inneren Wandel.

„Früher war Rot die wesentliche Farbe. Meine ersten Bilder waren voller Wut. Ich war in einem Teufelskreis negativer Energie gefangen. Nicht nur wegen des Überfalls, auch wegen der Verbrechen, die Menschen anderen antun, zum Beispiel in meinem Heimatland, wo Frauen unterdrückt werden“, berichtet der einstige Flüchtling. Seine Gesundung führt der Künstler vor allem auf die Unterstützung seiner Familie und Freunden zurück. „Von meinen Eltern habe ich gelernt, geduldig zu bleiben und meinen Glauben nie zu verlieren. Ich bin dankbar, zu leben. Ich male mich glücklich“, sagt Akmal Sekandary.


„Blaue Retroperspektive“, Kunsträume der Michael Horbach Stiftung, Wormser Straße 23, 50677 Köln, 22.Oktober bis 17. November, Öffnungszeiten: mittwochs, freitags 15.30 bis 18.30 Uhr, sonntags 11 bis 14 Uhr und nach Vereinbarung.

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