„So etwas fehlt in Köln“Antiquare stellen in der Südstadt seltene Schätze aus der Bücherwelt vor

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Ein Mann hält ein Buch in der Hand.

Ulrich Heider hat verschiedene alte Ausgaben der Reihe „Der Zauberer von Oz“ in seinem Antiquariat in der Innenstadt.

Ganz besondere Bücher konnten Liebhaber am Wochenende in der Südstadt finden. Zwölf Antiquare präsentierten eine Auswahl aus ihrem Bestand. Auch Briefe von Autoren waren dabei.

Auf den ersten Blick wirkt das kleine Heftchen unverfänglich – zumindest in der Zeit des Dritten Reichs. Das Deckblatt ist versehen mit dem Konterfei Hitlers und dem Titel „Das Wort des Führers“. Innen finden sich auf den linken Seiten Zitate Hitlers, auf den rechten Seiten dazu passende Illustrationen. So liest man links zum Beispiel „Ich bin entschlossen zu kämpfen, bis…“ und rechts sind Soldaten zu sehen, die mit entschlossenen Gesichtern und geschulterten Gewehren unter Hakenkreuzflaggen marschieren. Aber die obere Hälfte der Illustration lässt sich aufklappen und wenn man sie anhebt, zeigt sich ein ganz anderes Bild: Bewaffnete Skelette, die in den Tod marschieren.

Soldaten, die mit entschlossenen Gesichtern und geschulterten Gewehren unter Hakenkreuzflaggen marschieren

Seite in „Das Wort des Führers“: Soldaten, die mit entschlossenen Gesichtern und geschulterten Gewehren unter Hakenkreuzflaggen marschieren

Bei dem Heftchen handelt es sich um eine sogenannte Tarnschrift. „Das waren Schriften, die von deutschen Widerständlern im Ausland verfasst und gedruckt und von dort ins Reich geschmuggelt wurden. Oft hatten sie Titel wie Kaninchenzucht oder Gartenpflege und enthielten auf den ersten Seiten harmlose Inhalte, dann aber kommt die eigentliche Botschaft: Entlarvung der NS-Propaganda“, erklärt Jürgen Repschläger.

Ein schwarz-weiß-Buch mit Skeletten

Hinter der als offizielle Nazi-Version getarnten Botschaft:Die Soldaten marschieren in den Tod.

Der Antiquar aus Bonn hat solche Tarnschriften wie auch viel Arbeiter- und Exilliteratur aus der Weimarer Republik und des Dritten Reichs in seinem Bestand und präsentierte eine Auswahl davon am Wochenende in der Galerie Smend in der Südstadt. Hier fand zum vierten Mal die Veranstaltung „Seltenes aus der Bücherwelt“ statt, organisiert von Antiquaren aus Köln und Umgebung.

Antiker Büchermarkt in der Kölner Südstadt findet seit der Pandemie statt

Keine Veranstaltung für Schnäppchenjäger, aber eine Fundgrube für Sammler und Bücherliebhaber. Repschläger hatte unter anderem auch ein Typoskript von Lion Feuchtwangers Roman „Narrenweisheit“, herausgekommen 1952 in Los Angeles, dabei, von dem es nur hundert Exemplare gibt und einen Brief des österreichischen Schriftstellers Arnold Zweig, der 1948 in Israel lebte. In zwei bis drei Jahren, so schreibt er in dem Brief, würden Palästinenser und Israeli zweifellos in Frieden miteinander leben. „Er war ein unverbesserlicher Optimist“, so Repschläger.

Günter Trauzettels Spezialgebiet ist die deutsche Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. „Eine unglaubliche, produktive Zeit, in der neben Goethe und Kant etliche bedeutende deutsche Schriftsteller und Philosophen schrieben“, sagt der Antiquar aus Stollberg. Auch er hat Seltenes zu bieten, wie zum Beispiel „Erlinde“, ein Versdrama von Goethes Lieblingsenkel Maximilian Wolfgang aus dem Jahr 1845. „Eine tragische Figur, literarisch erfolglos, früh von Alkohol und Krankheiten gezeichnet“, erläutert Trauzettel.

Ein Buch mit organem Umschlag

Etwas für Liebhaber: Die Erstausgabe von „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun im Original-Umschlag, erschienen 1932

Katharina Tilemann aus Köln wartet – unter anderem – mit der Erstausgabe von Irmgard Keuns „Das Kunstseidene Mädchen“ in Originalumschlag auf. Außerdem hat sie die Erstausgaben des Romans „Transit“ von Anna Seghers im Angebot. Den Roman schrieb die spätere bekannte DDR-Autorin im mexikanischen Exil, dort erschien er erstmals 1944, auf Spanisch. Die Erstausgabe auf Deutsch als Buch folgte 1948 in Konstanz. Auch einen von Astrid Lindgren signierten Brief auf Deutsch und ein handgeschriebenes Gedicht der österreichischen Schriftstellerin Friederike Mayröcker hatte Tilemann mitgebracht.

Alte Werke mit schönen Zeichnungen gibt es in der Südstadt zu kaufen

Biologieunterricht anno 1785: „Eberts Naturlehre für Kinder“

Biologieunterricht anno 1785: „Eberts Naturlehre für Kinder“

Ulrich Heider, Antiquar in der Innenstadt, präsentierte unter anderem ein großes Klappenbuch des Grafik-Designers Karl Oskar Blase – bekannt für das ursprüngliche Documenta-Logo – und eine Reihe von amerikanischen Ausgaben des „Zaubrer von Oz“ aus den 1920- und 30er-Jahren. „Hier ist meist nur die eine Geschichte bekannt, die verfilmt wurde, aber in den USA gab es eine ganze, sehr erfolgreiche Serie dazu“, erläutert Heider. Auch naturwissenschaftliche Werke aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit wunderbaren Zeichnungen finden sich bei ihm wie „Eberts Naturlehre für Kinder“ von 1785.

Auf die Idee zur Veranstaltung kamen die Antiquare während des Corona-Lockdowns. Auch wenn die Pandemie vorbei ist, wollen sie das jährliche Event beibehalten. „Es macht uns einfach Spaß und so etwas fehlt in Köln“, sagt Tilemann.

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