Hitzige Diskussionen in DeutzKompromiss im Streit um autofreie Freiheit in Sicht

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Auf der Straße prangt ein riesiges Piktogramm einer Fußgängerzone. Es sind Radfahrer und Fußgänger unterwegs, in einem Straßencafé sitzen Menschen.

So stellen sich die Mitglieder der IG Deutz autofrei die Deutzer Freiheit vor.

Bei der Tagung des Veedelsbeirats Deutz ging es hoch her: Ladenbesitzer beklagen Umsatzverluste seit Autos nicht mehr auf der Straße parken dürfen. Auch Anwohner verzweifeln.

Nach heftigen Diskussionen um den Verkehrsversuch auf der Deutzer Freiheit, wo seit Juni 2022 ein Fahrverbot für Autos gilt, tagte jetzt der Veedelsbeirat Deutz zum ersten Mal. Dieser soll Befürworter und Gegner des Experiments an einen Tisch bringen und eine einvernehmliche Lösung oder zumindest einen Kompromiss herbeiführen.

Mitglieder im Veedelsbeirat sind Politiker aus der Bezirksvertretung (BV) sowie Vertreter von Interessengruppen wie dem Deutzer Bürgerverein, den Kirchengemeinden, der Interessengemeinschaft (IG) Deutz, die die Anliegen der Händler vertritt, die Initiative Deutz, die den auf ein Jahr angelegten Verkehrsversuch vehement ablehnt, und der Initiative Deutzer (Auto-)Freiheit, die mit einem Bürgerantrag den Anstoß gab, den Autoverkehr von der Freiheit auszuschließen. Außerdem waren 50 Deutzer im Saal und meldeten sich auch zu Wort.

Deutz ist doch nicht mehr als ein großer Parkplatz und eine Autobahnauffahrt
Gunda Wienke (Die Linke)

Am Ende der zweistündigen Debatte, bei der die Wellen bisweilen sehr hoch schlugen, stand ein Kompromiss, der aber noch detailscharf erarbeitet werden muss. Bis zur BV-Sitzung am 26. Januar wollen die Politiker über alle Parteigrenzen hinweg einen Antrag formulieren, der sich auf Vorschläge der IG Deutz gründet. Daniel Wolf von der IG stellte die Ideen im Beirat vor.  

30 Menschen sitzen an in einem großen Rechteck aufgebauten Tischen.

Im Saal des Bürgerzentrums tagte der Veedelsbeirat in öffentlicher Sitzung.

Die sogenannte Zone 5 der Fußgängerzone im Bereich Freiheit/Gotenring/Graf-Gessler-Straße soll wieder für Autos geöffnet werden. Dort sollen Kurzzeitparkplätze für Kunden entstehen. Wolf möchte dort Ladezonen zwischen 18 Uhr und sieben Uhr als Anwohnerparkplätze deklarieren. Die Bezirksvertreter einigten sich darauf nach einer kurzen Pause. Anders als in den zwei Stunden davor wurde auch nicht mehr diskutiert. Die Leute wollten nach Hause.

Daniel Wolf sagte auch die Unterstützung der IG zu, die Bereiche 1 bis 3 von der Mindener Straße bis zur Neuhöfferstraße zu optimieren. "Die wollen wir optisch aufwerten und auch stärker bespielen." Großen Applaus erntete der IG-Vorsitzende für seinen Appell, Gegner und Befürworter der Autofreiheit sollten aufeinander zu gehen.

So versöhnlich gab sich Mario Schmitz von der CDU nicht.  „Ich habe die Sperrung in Zone 5 sowieso nie verstanden. Die Parkplatzsituation in Deutz ist dramatisch. Aus meiner Sicht sollte auch die Zone 1 geöffnet werden. Wir hatten uns auf die Sperrung der Zonen 1 bis 3 geeinigt. Dann hat die Mehrheit in der BV die Zonen 1 bis 5 durchgeboxt." Beifall im Plenum. Das rief den Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) auf den Plan. „Es macht keinen Sinn, wenn wir hier alternativlose Forderungen stellen. Und es ist ja auch nicht so, dass der, der den meisten Beifall bekommt, auch die Mehrheit hat." 

Unterstützung erhielt Hupke von seinem Parteifreund Martin Herrndorf: „Wir haben die Wahl gewonnen und von unseren Wählerinnen und Wählern den Auftrag erhalten, die Verkehrswende auf den Weg zu bringen." Das sei auch in Städten wie Kopenhagen und Paris, die immer als Vorbilder herangezogen würden, nicht einfach gewesen. Herrndorf erklärte, dass ein Abbruch des Verkehrsversuchs angesichts der politischen Mehrheiten nicht realistisch sei. „Ich rate den Geschäftsleuten, das Beste daraus zu machen.“

Wie wollen Sie denn Kunden gewinnen, wenn Sie die Freiheit seit einem halben Jahr immer nur schlecht reden?
Stefan Fischer, Bezirksvertreter der Grünen

Eine Deutzerin erklärte, sie habe sich zu Beginn auf die Fußgängerzone gefreut. „Aber ist es umweltfreundlich, wenn ich abends 45 Minuten  einen Parkplatz suche? Das Veedel stirbt, weil die Geschäfte sterben. Und dann muss ich mich auch noch von Radfahrern anschreien lassen."  Michael Vehoff  von der Initiative „Deutz.Familienfreundlich" merkte an, dass auch die Zone 5 wichtig sei, um die Deutzer Freiheit vor allem für Kinder auf Fahrrädern sicher nutzbar zu machen. „Außerdem werden wir auf der Graf-Gessler-Straße wieder den Parksuchverkehr der Arena-Besucher erleben, wenn wir die Zone 5 öffnen.“ 

Julian Neumann, Friseur an der Freiheit und Gründer der Initiative Deutz, machte es kurz und bündig: „Die Ladenbesitzer haben existenzbedrohende Umsatzverluste. Der Verkehrsversuch ist krachend gescheitert." Als immer deutlicher wurde, dass die Mehrheit der Bezirksvertreter den Verkehrsversuch fortsetzen wollten, verließ Neumann wutentbrannt den Saal. Stefan Fischer, Bezirksvertreter der Grünen und Deutzer, gab ihm „Nein, der Verkehrsversuch ist nicht gescheitert, da können Sie noch so sehr schreien“ mit auf den Weg.

„Wie wollen Sie denn Kunden gewinnen, wenn Sie die Freiheit seit einem halben Jahr immer nur schlecht reden?", wandte sich Fischer an die Geschäftsleute, die nicht gegangen waren. „Ich habe früher an Samstagen wirklich gut verkauft. Jetzt mache ich gegen 14 Uhr zu und habe 20, 30 Euro in der Kasse", entgegnete eine sehr aufgebrachte Ladenbesitzerin. Hans Schwanitz, Ratsmitglied der Grünen, zeigte sich bestürzt, „wenn ich sehe, wie in Deutz die Diskussionen geführt werden". Er riet, verbal abzurüsten. „Im Rathaus haben wir den Prozess auf der Deutzer Freiheit als positiv wahrgenommen. Der Versuch sollte fortgesetzt werden. Politik lebt auch von Verlässlichkeit." Am 26. Januar entscheidet nun die Bezirksvertretung.

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